Soll der Staat die Regel regeln?
Anstatt sich per Vorstoss für Gratis-Tampons in Schulen stark zu machen, sollten Politiker*innen das Thema Menstruation lieber richtig enttabuisieren - wir hätten da ein paar Anreize. Ein Kommentar.
In jedem WC gibt’s Toiletten-Papier, ob in der Schule, im Büro oder in der Beiz. Weil ohne Abputzen geht’s nicht. Warum gibt’s dann keine Tampons oder Binden? Geht schliesslich auch nicht ohne, wenn man die Mens hat.
Das fragen sich die SP-Frauen Jessica Brandenburger und Miriam Locher, sie haben je einen Vorstoss im Kantonsparlament eingereicht, Brandenburger in Basel-Stadt, Locher in Basel-Land. Ihre Forderung: Schulen sollen ihren Schüler*innen gratis Binden und Tampons zur Verfügung stellen. So, wie das eine Schule in Bern bereits plant.
Dabei geht es ums Geld (32 Tampons von Molfina kosten 1.50 Franken). Aber nicht nur: «Es geht darum, das Tabu zu brechen.» Die Mens gilt als etwas Gruusiges, als etwas Peinliches, das man verstecken muss. Obwohl jeder zweite Mensch sie hat.
«Es geht darum, ein Tabu zu brechen.»Jessica Brandenburger, SP Basel-Stadt.
Biz lockerer mit der Mens umgehen – dafür bin ich auch voll zu haben. Aber muss wirklich der Staat die Regel regeln?
Denn, sind wir ehrlich: Ein Tampon auf dem WC ist zwar praktisch, aber enttabuisieren tut er gar nichts. Wie auch, wenn die als männlich gelesenen Mitschüler nicht einmal Sichtkontakt zu den Hygieneprodukten haben, sondern der ganze Spuk immer noch auf Toiletten für Frauen hinter verschlossenen Türen stattfindet?
Wenn Politiker*innen wirklich das Blut in Wallung bringen wollen, sollten sie einen Blick nach Deutschland werfen. Dort hat sich die Firma «Einhorn» etwas ganz anderes überlegt. Um ihre Bio-Binden zu bewerben, machten sie eine riesen Kampagne. Dazu gehört ein Film mit einem Mann mit Periodenneid. Ja, richtig. Periodenneid, nicht Penisneid (nimm das, Freud!). Der Einhornsche Werbe-Film handelt von Peter Neumann, der die Periode auch erleben möchte. Er will das ganze Spektrum der Gefühle durchleben und die «Me-Time» geniessen. Um dazuzugehören, steckt er sich sogar einen Tampon in den Mund.
Der Film trifft rundum auf Anklang und verbreitet sich schnell im Netz. Auf Twitter kursieren Hashtags wie #happytobleed und #powertotheperiod. Kann man durch solch witzige und aneckende Filme also mehr erreichen als durch gratis Tampon und Binden?
Sowas könnten die Politiker*innen doch auch in der Schweiz machen. Denkbar wäre, dass sie sich Tamponhersteller*innen zusammentun und eine Kampagne starten, ähnlich wie die Firma Einhorn in Berlin.
Hättisch Luscht, die neue Tampons usszprobiere?
Wieso werden zum Beispiel vor dem Coop immer nur kleine Snacks verteilt? Man könnte doch einfach mal Tampons verteilen. Und dazu ein paar Slogans servieren, die gängigen Tabusierungstricks in Sachen Mens aufräumen. Zum Beispiel:
- Ein*e echte Indianer*in kennt keinen Schmerz. Ausser er*sie hat grad die Mens.
- Oder: Blaues Blut ist was für Gräf*innen, das Proletariat menstruiert rot.
- Oder: Menstruierende Menschen sind Held*innen. Sie vergiessen monatlich Blut fürs Mutter*land.
Was Öffentliches gab es in der Schweiz durchaus auch schon. Im August 2019 hat die JUSO in Zürich ein riesen Tampon aufgestellt. Darunter das Transparent «Bluten ist kein Luxus – Tamponsteuer weg». 20 Minuten sprang sofort auf, natürlich. Und niemand kam an dem Tampon vorbei, ohne ihn zu bemerken.
Auch da ging es zwar ums Geld. Auf Tampons und anderen Hygieneprodukten liegt nämlich die gleiche Steuer wie auf Luxusprodukten. Nur dass sie kein Luxus sind. Ohne Parfum aus dem Haus ist kein Problem. Ohne Binde endet’s blutig.
Das haben mittlerweile auch männliche Politiker geschnallt: Eine nationalrätliche Motion (von einem SP-Mann) ist hängig, der Bundesrat empfiehlt sie zur Annahme.
Heisst: Das mit dem monetären Preis der Mens wäre dann vermutlich bald geregelt. Der Rest aber bleibt: Die Schmerzen, das Tabu. Anstatt im Grossen Rat einen Vorstoss einzureichen und die Enttabuisierung der Schule zu überlassen, empfehlen wir jeder menstruierende Mensch, seine Eigenverantwortung wahrzunehmen.
Auch du kannst im Kleinen anfangen, die Mens zu enttabuisieren. Das sind unsere Tipps:
- Sag einfach: «Ich habe meine Periode und würde gerne nachhause gehen» anstatt: «Ich habe Bauchschmerzen und Kopfweh, ich würde gerne nachhause gehen».
- Schmuggle nie mehr Tampons in der geschlossenen Faust durchs Büro. Steh zu deiner Mens! Ist dein Chef dafür zu schwach, bist du zu stark.*
- Kaufe keine parfümierten Binden oder Slipeinlagen – die trocknen deine Vulva aus und begünstigen das Narrativ der unhygienischen Menstruation.
- Rede offen über deine Mens und lerne deinen Zyklus kennen. Richte wenn du kannst deine Freizeitpläne nach deinem Zyklus, also Netflix & Chill kurz vor und während deiner Periode und Kreativität & grosse Sprünge nach deiner Periode.
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** In der Originalversion fehlten Untertitel und ein paar andere Finessen. Unser Content Management System spielte der Redaktion einen Streich und publizierte die unredigierte Version des Artikels, f*** hell. 👿👿👿
***1 Leser*in kritisierte, das Gendersternli sei falsch platziert und daher transfeindlich. Wir entschuldigen uns.