«Förderklassen haben mit Kleinklassen nichts zu tun»

Regierungsrat Mustafa Atici spricht im Interview über gelebte Offenheit und die grossen Aufgaben im Erziehungsdepartement, Stammtische und andere offene Wahlversprechen, die er zu halten versucht. Ausserdem erklärt Atici, weshalb man in Basel dehaim sein kann, auch wenn man Hochdeutsch spricht.

Mustafa Atici Gesamterneuerungswahlen 2024
Mustafa Atici würde gern Vorsteher des Erziehungsdepartements bleiben. (Bild: Ernst Field)

Mustafa Atici, es ist bereits der dritte Wahlkampf, den Sie innerhalb eines Jahres führen. Daneben müssen Sie sich ins Erziehungsdepartement einarbeiten. Ist das ein Vorteil für Sie, haben Sie immer noch Schonzeit?

Das sehe ich nicht so. Ob mit oder ohne Schonzeit: Ich wäre genau gleich gestartet. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich eine offenere Kultur ins Erziehungsdepartement bringen möchte. Meine Türen sind immer offen, ich gehe auf die Menschen in meinem Departement zu. Ich habe das Gefühl, dass ich gut gestartet bin.  

Sie haben seit Amtsbeginn bereits über ein Dutzend Schulen besucht.

Das mache ich fast wöchentlich. Ich möchte meine Funktion nicht aus der Leimenstrasse heraus ausüben, sondern auch andere Institutionen besuchen. Ursprünglich war geplant, deren Vertreter zu uns einzuladen, aber ich habe gesagt: Nein, wir gehen dort vorbei. 

Ihre Besuche an der Schule sind von einem professionellen Social-Media-Auftritt begleitet. Ist das auch Ihre Strategie, um zu zeigen, wie engagiert Sie sind, ohne dass Sie konkrete Ergebnisse präsentieren müssen? 

Ich gehe immer mit einem Ziel in die Schulhäuser und habe konkrete Fragen, zum Beispiel über die integrative Schule, über die Räumlichkeiten oder Hitzemassnahmen. Ich möchte spüren, wie die Menschen in den Schulhäusern unterwegs sind. Die Kommunikationsabteilung begleitet mich dabei. 

Die Frage war, ob Ihnen der Social-Media-Auftritt auch hilft, Eindruck bei den Wähler*innen hinterlassen?

Das ist meine Arbeitsweise, unabhängig davon, ob ich neu im Amt bin oder nicht. Ich habe auch meine Firma so geführt. Mit den Menschen zu reden, ist einfach meine Art. 

Verwechseln Sie da nicht ein wenig Ihre jetzige mit Ihrer früheren Rolle als Parlamentarier? Also, dass Sie sich als Regierungsrat immer noch so viel mit Menschen austauschen?  

Es ist natürlich ein grosser Unterschied. Wenn ich als Parlamentarier von jemandem etwas mitbekommen habe, was nicht funktionierte, dann habe ich einen politischen Vorstoss lanciert. Als Regierungsrat ist noch bedeutender, was ich mitbekomme. 

So informieren Sie sich?

Ja, ich möchte herausfinden, wie etwas ist, welche Anliegen es gibt und was wir realisieren können und was nicht. Das muss man mit den Leuten vor Ort besprechen. Dieser Austausch bewirkt etwas Konkretes und ist nicht nur eine Performance. Er wird in die nächste Legislaturplanung einfliessen. 

Sitzen Sie heute noch am Tellplatz und halten so Ihr händeschüttelndes Image aus dem Wahlkampf im Frühling aufrecht?

Sehr selten. An einem Samstagvormittag treffe ich vielleicht ein, zwei Leute für eine Stunde. Aber den Menschen, die mir an der Haltestelle oder im Tram etwas sagen wollen, gebe ich meine Visitenkarte oder meine E-Mail-Adresse. 

Was ist mit dem Stammtisch, den Sie versprochen haben: «Mustafa hört zu»?

Der kommt noch dieses Jahr.

In welcher Regelmässigkeit? 

Wir planen im Jahr etwa drei Anlässe.

Am Tellplatz?

Nein, in Schulen. Ich möchte neben Schulleitenden und Lehr- und Fachpersonen auch die Eltern und die Schülerinnen und Schüler miteinbeziehen.

Mustafa Atici Gesamterneuerungswahlen 2024
Zur Person

Mustafa Atici, Jg. 1969, sass 14 Jahre im Grossen Rat, bevor er 2019 den Sprung in den Nationalrat schaffte. Vier Jahre später wurde er abgewählt, auch weil Basel-Stadt neu einen Sitz weniger hat. Atici kam 1992 für eine Weiterbildung in die Schweiz und absolvierte ein Studium an der Uni Basel. Anschliessend arbeitete er als Unternehmer. Nach einer erfolglosen Bewerbung für den Bundesrat wurde Atici dieses Frühjahr in die Basler Regierung gewählt. Seitdem steht er dem Erziehungsdepartement vor.

Haben Sie eigentlich als Regierungsrat auch smartphonefreie Zeit?

Bis Anfang August war ich sowohl samstags als auch sonntags im ED und habe mich auf die Geschäfte für die Regierungsratssitzung am Dienstag vorbereitet. Seit Mitte August gehe ich nur noch einen Samstag oder Sonntag für etwa fünf Stunden ins ED, und versuche, vor allem den Sonntagnachmittag mit meiner Frau zu verbringen, ohne Handy. 

Was halten Sie von smartphonefreien Schulen?

Die wissenschaftlichen Meinungen sind geteilt. Ich bin grundsätzlich gegen Verbote, aber es braucht Regeln. Wir spüren die Entwicklung der Digitalisierung auf allen Ebenen der Gesellschaft. Vom Arbeitsplatz bis hin zum Schlafzimmer. Es ist also ganz normal, dass sie auch in den Schulen Auswirkungen hat. Wichtig ist, dass Kinder lernen, damit umzugehen, ohne darunter zu leiden. 

Was heisst Regeln ohne Verbot? Würden Sie das Handy in der Regel verbieten oder nicht?

Gegen ein generelles Verbot spricht der Auftrag der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu einem selbstbestimmten, sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Ressourcen zu befähigen. Bei einem Handyverbot würde die Schule als wichtiger Lern- und Erfahrungsraum wegfallen. Problematisches Nutzungsverhalten würde sich dann einfach ausserhalb der Schule akzentuieren. Ich könnte mir gut vorstellen, noch mehr Massnahmen zu entwickeln, die den Kindern und Jugendlichen helfen, den Weg zu einer vernünftigen Nutzung von Handys zu finden. 

Was glauben Sie ist das grösste Problem der Basler Schulen aktuell?

Der Platzbedarf. Es gibt immer mehr Kinder, weshalb wir die Tagesstrukturen* stetig ausbauen, um sie flächendeckend betreuen zu können. Aber wir brauchen mehr Raum, auch für Kinder, die speziell unterstützt werden müssen. 

Das Problem ist, dass die Fläche begrenzt ist …

Wir leben in Basel auf engem Raum, wir können nicht von heute auf morgen auf einer grünen Wiese ein Schulhaus bauen. Vor 15 Jahren hat der Kanton ein grosses Paket geschnürt und rund 800 Millionen Franken in Schulhäuser investiert. Das hat bezüglich Sanierung einiges gebracht, aber mehr Raum haben wir dadurch nicht hinzu gewonnen. 

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Das grösste Problem der Basler Schulen? Der Platzbedarf, sagt Atici. (Bild: Ernst Field)

Wir haben erwartet, Sie würden die integrative Schule als grösstes Problem nennen. Wie kann man mit Förderklassen, also mit Separation, Chancengleichheit erreichen – was ja Ihr grosses Ziel ist? 

Bei der integrativen Schule haben wir gerade ein gutes Paket geschnürt. Wir arbeiten derzeit an den Leitplanken für die Schulen. Dabei möchte ich betonen, dass ich den Kompromiss der Bildungs- und Kulturkommission mit den temporären Förderklassen nicht als eine reine Separationsmöglichkeit sehe.

Der Kern des Kompromisses sind aber die Förderklassen.

Neben den Förderklassen haben wir aber unter anderem auch noch Lerninseln, Fördergruppen und Doppelbesetzungen vorgesehen. Ich sehe die Sache positiv. Die Massnahmen sollen die integrative Schule verbessern. 

Das ist ein ziemliches Potpourri an Massnahmen. Überfordert das die Schulen zu Beginn nicht erstmal? 

Die Schulen und die Kinder sind unterschiedlich und sie brauchen unterschiedliche Massnahmen. Manche Kinder reagieren positiv auf integrative, manche auf separative Settings. Eine ideologische Sichtweise – ein «entweder oder» – ist wenig hilfreich. Wir brauchen eher ein «sowohl als auch». Das habe ich in Gesprächen mit den Mitarbeitenden an den Schulen erfahren. Was wir den Kindern jetzt bieten, ist eine Verstärkung.

Dennoch ist der Kompromiss eine Abkehr von der integrativen Schule, wie wir sie in den letzten Jahren gekannt haben. Und die Kleinklassen, wie sie damals hiessen, kommen jetzt zurück, einfach mit dem Namen Förderklassen. 

Nein, das kann man überhaupt nicht vergleichen, die Förderklassen haben mit Kleinklassen nichts zu tun. Früher kamen Kinder, die sprachlich Schwierigkeiten hatten oder kognitiv schwach waren, in Kleinklassen. Und da sind sie meistens für immer geblieben. Die Förderklassen sollen gemäss Initiativkomitee aber maximal zwei Jahre besucht werden. Unser Ziel ist es, dass die Kinder möglichst schnell wieder in eine Regelklasse zurückkommen können. 

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«Bei den Förderklassen wird es nicht so sein, dass wir sagen: Man hat es probiert und es hat nicht funktioniert.»
Mustafa Atici, Erziehungsdirektor Basel-Stadt, über die Förderung von Schüler*innen mit Lernschwäche

Die Rückkehr könnte sich schwieriger gestalten als gedacht – nach so langer Separation. 

Die Kinder, die in gewissen Fächern schwach sind, werden gefördert und wieder zurück in eine Regelklasse gebracht. Diesen Prozess werden wir mit den Schulen intensiv diskutieren. Es wird nicht so sein, dass wir sagen: Man hat es probiert und es hat nicht funktioniert.

Und wenn die Schüler*innen aus der Förderklasse nicht aufholen können?

Es gibt klare Kriterien und ein transparentes Verfahren sowohl für einen Förderklassen-Eintritt wie für einen Austritt. Ziel ist und bleibt die Reintegration in die Regelklasse. Wo das nicht möglich ist, haben die Schulen von Basel-Stadt bereits heute alternative Angebote wie die Spezialangebote.

Die Förderklassen sind nur für die Kinder, die eine Lernschwäche haben, aber nicht für die, die Verhaltensauffälligkeiten haben.

Genau, für verhaltensauffällige Kinder gibt es Lerninseln und spezielle Angebote. Und diese speziellen Angebote werden verstärkt dank mehr finanzieller Mittel. 

Eine BKK-Minderheit bezweifelte, dass Förderklassen wirklich im Sinne der Kinder sind oder ob es nicht in erster Linie um eine Entlastung der Lehrer*innen geht. Was denken Sie?

Die Lehr- und Fachpersonen leiden nicht unter den Kindern, die mit dem Lernmaterial Schwierigkeiten haben. Aber es gibt immer mehr Kinder mit auffälligem Verhalten, nicht nur in unserem Kanton.

Also sind es die verhaltensauffälligen Kinder, die den Lehrkräften Mühe machen. Das würde doch aus Lehrer*innensicht dafür sprechen, die verhaltensauffälligen Kinder ebenfalls in Förderklassen zu stecken?

Für verhaltensauffällige Kinder gibt es die Lerninseln und die Spezialangebote. Und diese bauen wir mit dem neuen Spezialangebot Plus ebenfalls aus.

Da verhaltensauffällige Kinder nicht in Förderklassen kommen: Gibt es dann nicht die Tendenz, störende Kinder häufiger zu den Lerninseln zu schicken?

Dazu gibt es keine Zahlen. Aber ich bin überzeugt: Wenn die Kinder bereits in den Kindergärten und der Primarschule durch eine Doppelbesetzung unterstützt werden und wenn man mit den Eltern zusammenarbeitet, dann wird es künftig weniger Kinder mit auffälligem Verhalten geben. 

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Bei der Schulabschlussquote gibt es Verbesserungspotenzial. (Bild: Ernst Field)

Im kantonalen Vergleich schlossen Basler Schüler*innen zuletzt schlecht ab, obwohl der Kanton so viel pro Kopf ins Schulsystem investiert wie kein anderer. Wie möchten Sie das angehen, damit die Qualität und die Kosten verhältnismässig sind?

Diese Frage bekomme ich oft gestellt. In einem Stadtkanton kosten Schulbauten oder andere Objekte, die wir zum Schulzweck mieten, mehr als im ländlichen Gebiet. Zudem erhalten unsere Lehr- und Fachpersonen einen anständigen Lohn. Es gibt sicher verschiedene Gründe. Ich denke, wir sollten Lehr- und Fachpersonen sowie Schulleitungen noch weiter stärken, damit auch die Kinder gut unterwegs sind.

Aber wie kann man das Wissensniveau verbessern?

Sie hören nicht zum ersten Mal von mir, dass wir die Frühförderung stärken müssen. Es braucht Sprachunterstützung, verstärkte Tagesbetreuung mit Hausaufgabenhilfe für die Kinder. Da müssen wir den Schwerpunkt legen.

Es gibt ja bereits sehr viele Angebote in der Frühförderung. Was braucht es da denn noch zusätzlich?

Wir haben mit dem Paket für die integrative Schule bereits zusätzliche Massnahmen beschlossen. Diese müssen wir nun konsequent umsetzen und die guten Beispiele aus der Praxis mitnehmen. 

Schlecht steht Basel-Stadt leider auch bei der Schulabschlussquote da. Es gibt eine Quote von 85 Prozent, Ziel des Bundes sind 95 Prozent. Finden Sie, es braucht ein Obligatorium, wie zum Beispiel im Tessin, das hatten Sie bereits als Nationalrat einmal gefordert. Wollen Sie das nun umsetzen in Basel-Stadt?

Die Idee finde ich sehr gut. Wir werden daran arbeiten und ich werde sehen, ob ich von meinen Regierungskollegen Unterstützung bekomme. Es ist jetzt auch ein politischer Vorstoss im Raum, der allerdings eine Umsetzung innerhalb eines Jahres fordert. Das ist leider unmöglich.

Welchen Zeitraum halten Sie für realistisch? 

Eine Arbeitsgruppe ist an dem Thema dran, über die Ergebnisse sollten wir im Frühling berichten können.

Kommen wir zur Berufslehre, Ihrem Steckenpferd. Da zeigt der erhoffte Einsatz offenbar bereits Wirkung: 23,9 Prozent machen nach der Sekundarstufe mittlerweile eine Lehre. Die höchste Quote seit 2017/18. Conradin Cramer war offenbar auf einem guten Weg.

Mein Vorgänger hat bereits viel gemacht. Aber ich habe immer gesagt, dass ich mich nicht damit zufrieden gebe, dass mein Kanton auf dem 26. Platz liegt. Ich will dort unbedingt gute Zahlen erzielen.

Sie wollen auf ein Drittel steigern. Glauben Sie, Ihre Strategie mit dem Gewerbe an den Schulen könnte aufgehen, oder braucht es noch zusätzliche Massnahmen?

Es braucht zusätzliche Massnahmen. Man muss die Berufsbildung grundsätzlich sichtbarer machen. Nicht nur für Eltern, auch für Lehr- und Fachpersonen. Auch die Wirtschaft soll sich bemühen, die Kinder müssen einen Praxisbezug bekommen. Dann denke ich, kann es funktionieren. 

Das Image der Berufslehre ist mancherorts immer noch schlecht.

Es wird immer gesagt: Mach dir keine Sorgen, wenn du eine Berufslehre machst, kannst du später Berufsmatur machen und an die Uni gehen. Als ob die Berufslehre etwas Schlechtes wäre. Damit muss man aufhören. 

Sie selber haben aber auch keine Lehre gemacht.

Richtig. Ich habe aber in meiner Geschäftstätigkeit immer Lehrlinge gehabt und war auch Lehrlingsausbildner.

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Der Univertrag zwischen den beiden Basel ist eine Nuss, die Atici knacken muss. (Bild: Ernst Field)

Von der Lehre zur Uni: Sie führen derzeit intensive Verhandlungen mit dem Kanton Baselland bezüglich Univertrag. Wo sehen Sie eine langfristige Lösung, um nicht immer wieder von Neuem Verhandlungen führen zu müssen?

Wir haben in den letzten 20 Jahren die Universität in vielen Belangen unterstützt und wir sind ja auch unter den 100 Top-Universitäten, das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben es bei den Verhandlungen nicht immer einfach gehabt. Jetzt finden intensive, aber offene und ehrliche Gespräche statt. Ich bin zuversichtlich, dass wir wieder eine gute Lösung für unsere Universität finden werden.

Sie spüren keinen Streit beim Univertrag, als Zeugnis eines schlechter werdenden Verhältnisses zwischen Basel-Land und -Stadt?

Wir müssen für die Region denken, man sollte mit einem positiven Engagement starten. Das sehe ich auch in diesem Dossier so. Wir sind ein Uni- und Forschungskanton und es ist für uns enorm wichtig, auch weiterhin dabei zu bleiben. 

Also kein Streit?

Nein, kein Streit.

Wäre für Sie aus Bildungssicht eigentlich eine Kantonsfusion spannend? 

Ja, ich wäre bei einer Kantonsfusion sofort dabei (lacht). Die Zusammenarbeit beider Kantone in vielen Bereichen ist unweigerlich. Wir können davon nur profitieren.

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«Ich habe nie aufgehört zu kämpfen. Auch wenn man mir gesagt hat, ich würde gebrochenes Deutsch sprechen.» 
Mustafa Atici über Kommentare zu seinem Migrationshintergrund

Bei Ihrer Pressekonferenz nach 100 Tagen im Amt, stellten Sie auch einen Antidiskriminierungs-Leitfaden für Schulen vor. Stammt der bereits aus Ihrer Feder oder war das schon aufgegleist? 

Das war schon aufgegleist. Diskriminierung in unterschiedlichen Belangen ist auch in den Schulhäusern ein Thema. Das muss man sehr ernst nehmen. Wir dulden in unseren Schulen keine Diskriminierung. Die Schule ist für Kinder ein wichtiger Ort, um ein Verständnis für Toleranz entwickeln zu können. 

Es ist kein Geheimnis, dass auch Sie in Ihrem Leben und den vergangenen Monaten Diskriminierung erfahren haben, passiert Ihnen das im neuen Amt auch noch?

Nicht so sehr, wie ich es im letzten Wahlkampf erlebt habe, Gott sei Dank. Man sieht mich in dieser Rolle anders. 

An einem Wahlpodium im Januar, an dem auch Sie anwesend waren, wurde gefragt, ob es für alle in Ordnung ist, wenn Mundart gesprochen wird. Als keine Widerrede kam, sagte jemand im Publikum erleichtert «Mir sinn dehaim». Können Sie sich daran erinnern?

Ich kann mich gut daran erinnern, nicht unbedingt wegen mir, sondern wegen der Menschen im Publikum. Für mich ist Basel schon lange meine Heimat, ich möchte dabei sein, etwas verändern, das ist meine Motivation. Aber 58 Prozent der Kinder haben eine Migrationsgeschichte, das ist eine Realität. Deshalb ist eine offene Kommunikation miteinander wichtig. 

Treffen Sie solche Bemerkungen oder können Sie das ausblenden?

Bis zum letzten Wahlkampf konnte ich vieles als dummes Geschwätz abtun. Doch dann hat mich überrascht, wie aus Teilen der Politik, von denen ich es nicht erwartet hätte, rückständige Kommentare kamen. Seit ich in dem Amt bin, bin ich sehr motiviert. Das hat mit meiner Einstellung zu tun, ich habe nie aufgehört zu kämpfen. Auch wenn man mir gesagt hat, ich würde gebrochenes Deutsch sprechen. 

Mustafa Atici Wahlen 2024
«Nein, ich vermisse es nicht, im Joggeli am Grill zu stehen.»
Mustafa Atici über sein Leben als Unternehmer

Vermissen Sie es manchmal, im Joggeli am Grill zu stehen? 

Nein, das vermisse ich nicht. Ich war 29 Jahre lang Unternehmer, das ist eine lange Zeit. Am Anfang kam ich nicht dazu, aber in der letzten Zeit war ich oft im Stadion, habe mir ein Ticket gekauft und das Spiel angeschaut.

Worauf freuen Sie sich am meisten in Ihrer Amtszeit, … wenn wir davon ausgehen, sie geht nach dem Oktober weiter?

Es ist ein Privileg, mit dem Thema Bildung unterwegs zu sein. Das war für mich immer enorm wichtig. Ich möchte zur Chancengerechtigkeit beitragen, das ist mein grosses Thema. Ich sehe es als meine Aufgabe, auch Kinder aus schwächer gestellten Familien zu unterstützen. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank für das Gespräch.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Interviews hiess es, das Erziehungsdepartement plane ein neues Tagesbetreuungsgesetz. Das ist ein Fehler, den Mustafa Atici im Nachhinein korrigieren wollte. Richtig ist, dass die Tagesstrukturen stetig ausgebaut werden.

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