Die Klybeck-Zwischennutzer*innen müssen raus

Im November ist Schluss mit der Zwischennutzung auf dem Klybeck-Areal. Heisst: Dutzende Büros, Vereine und Organisationen müssen weiterziehen. Wie blicken sie auf das bevorstehende Ende der Zwischennutzung? Eine Reportage.

Titelbild Klybeck
Seit 2019 gibt's die Zwischennutzung auf dem Klybeck-Areal. Ende Jahr ist damit Schluss. (Bild: Michelle Isler)

Dieses Jahr kommt Bewegung ins Klybeck-Areal: Im Dezember hatte das Humbug bekanntgegeben, dass es den Club nur noch bis November 2025 am jetzigen Standort geben wird. Der Zwischennutzungsvertrag sei nicht verlängert worden. Von der Nicht-Verlängerung betroffen sind neben dem Humbug noch diverse andere Firmen und Organisationen, die via Zwischennutzungsverein «Unterdessen» auf dem Areal eine temporäre Bleibe gefunden hatten. Wer sind sie? Und: Hat sie die Nachricht, dass noch vor Ende 2025 mit ihrer Bleibe auf dem Areal Schluss ist, ebenfalls überrascht? 

Auf ins Klybeck. Bei einem Besuch an einem Januarnachmittag wirkt das Areal auf den ersten Blick ein bisschen verschlafen. In einer Ecke trotzt eine Handvoll Leute der Kälte, ein Basketball fliegt Richtung Korb – bewegte Mittagspause.

Übersicht Klybeckareal
Auf drei Gebäude verteilt haben sich hier mehr als 60 Einzelpersonen, Büros und Vereine eingerichtet. (Bild: Michelle Isler)

Drei Gebäude sind es, die der Verein «Unterdessen» mit befristeten Verträgen vermietet. Ein Blick auf die Übersichtstafel zeigt schon, wie viel Raum hier zur Verfügung steht: Über 60 Einzelpersonen, Büros und Vereine sind auf diesem Areal zu finden. Dazu gehören neben dem Humbug diverse Architektur-, Kommunikation- und Grafikbüros, eine Padelhalle und zahlreiche Ateliers von Kulturschaffenden. 

Durch eine rote Metalltür geht es ins Gebäude «F», wo sich gerade vier Leute für eine andere sportliche Betätigung treffen: Hier wird gepaddelt. Der Verein Padel Basel ist 2020 mit einem Padel-Court hier eingezogen, als sie aus ihrer vorherigen Zwischennutzung auf dem Lysbüchel-Areal rausmussten. Wer Lust auf eine Runde Padel hat, kann online einen Slot buchen. Es laufe gut, erzählt Florian Wicki von Padel Basel, der gerade sein Cargobike neben dem Spielfeld parkiert hat.

Florian Wicki Klybeck
Florian Wicki ist Host bei Padel Basel. Der Verein ist derzeit auf Suche nach Ersatz für den Klybeck-Standort. (Bild: Michelle Isler)

«Im Schnitt sind wir etwa neun bis zehn Stunden pro Tag ausgelastet», erzählt er. Er zeigt auf weitere Räume und Ecken in der Halle und zählt verschiedene Untermieter*innen auf, die sich in den vergangenen Jahren an der Belebung dieser Halle beteiligten: die Zirkusschule Basel, ein Yoga-Studio, der Verein «Boulder Basel», der eine Boulder-Ecke eingerichtet hat. «Wir vermieten die Räume auch für Geburtstagsfeste oder sonstige Anlässe», so Wicki. 

Auch den zweiten Court des Vereins auf dem Dreispitz-Areal kann man mieten. Insgesamt sei die Halle dort aber viel kleiner als im Klybeck, weshalb man dafür jetzt Ersatz suche. Mehr kann Wicki dazu noch nicht sagen. Überrascht habe sie die Ankündigung der Nicht-Verlängerung jedenfalls nicht. «Seitens Swiss Life wurde eine Verlängerung nach 2025 zwar als Option genannt, aber aus den Gesprächen mit ihnen war für uns heraushörbar, dass es tendenziell eher nicht zu einer weiteren Verlängerung kommt.» 

Der Verein «Unterdessen» habe sie Anfang November 2024 offiziell über das Ende informiert. Eine Verlängerung hätten sie sich zwar gewünscht, «gleichzeitig war es für die involvierten Menschen bei Padel Basel nicht die erste Zwischennutzung und es war allen klar, dass die Nutzung endlich ist und dies ‹part of the game› ist.» Man hege daher keinen Groll gegenüber Swiss Life. 

Humbug Klybeck
Der Club Humbug. Im rosaroten Gebäude «K 106» links im Bild haben in den oberen drei Stockwerken Künstler*innen ihre Ateliers eingerichtet. (Bild: Michelle Isler)

Anders geht es dem Humbug. «Auch wenn uns bewusst war, dass das Humbug im Klybeck ein Ablaufdatum hat, kam dies unerwartet. Schliesslich gibt es noch einige Unklarheiten was das Aufwertungsprojekt Klybeck Plus betrifft», schrieb der Club in einem Statement auf den Sozialen Medien und wies auf fehlende Informationen zu Schadstoffbelastungen und «keine konkreten Baupläne» hin.

Wir gehen zurück in die Kälte. Die Basketballer*innen haben sich verzogen und wir gehen ein paar Türen weiter um die Ecke Richtung Humbug. Im Gebäude «K 106» gegenüber ist neben dem Zwischennutzungsverein «Unterdessen» auch das Büro des Vereins «Migranten helfen Migranten» eingerichtet. Chefin Alima Diouf ist gerade ausser Landes, sie lässt aber ausrichten, dass sie schon seit einem Jahr provisorisch gewusst habe, dass die Verträge «etwa bis im November 2025» auslaufen. Es sei «oft kommuniziert» worden, dass es sein kann, dass es keine Verlängerung gibt. Man sei daran, eine neue Lösung für den Standort des Vereins zu suchen.

In den drei oberen Stockwerken des Gebäudes ist das «Atelierhaus Klingental» einquartiert. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von Künstler*innen, die zum Teil seit den 60er-Jahren in der Klingentalkirche auf dem Kasernenareal ihre Ateliers hatten und sich aufgrund der Sanierung der Kirche eine neue Bleibe suchen mussten. Einer von ihnen ist Jan Hostettler, der uns durch die Atelierräume führt. 

Jan Hostettler Klybeck
Jan Hostettler vor einem Spiegel, der zwar Arbeitsinstrument ist, aber auch die Häuser aus dem Klybeck-Quartier in sein Atelier reflektiert. Das gefällt ihm. (Bild: Michelle Isler)

Aktuell würden etwa 30 bis 40 Leute zur Gemeinschaft im K 106 gehören, erzählt Hostettler, während wir durch den langen Gang im ersten Stock an braunen Holztüren vorbeigehen, hinter denen die Künstler*innen ihre Ateliers eingerichtet haben. Nach viel Leben sieht es hier heute Nachmittag nicht aus, vor einer Tür stehen Säcke mit Altpapier, vor einer anderen eine Werkbank, eine Leiter, ein paar Bretter.

Hostettler erzählt, dass er nicht immer gleich viel Zeit für seine Arbeit im Atelier hat – und das bei vielen der eingemieteten Künstler*innen so sei. Denn: Von der Kunst leben können die wenigsten. Hostettler arbeitet deshalb nebenbei als Freelancer, macht mal die Technik für einen Ausstellungsraum oder kümmert sich ums Arthandling in einem Museum. Wenn genügend Geld da ist, gibt ihm das Zeit für seine Arbeit im Atelier. Und: Je tiefer die Ateliermiete, desto mehr Zeit bleibt ihm für die künstlerische Arbeit. 

Atelier Jan Klybeck
Hostettlers Atelier gleicht einem Wimmelbild. (Bild: Michelle Isler)

Dieses besteht aus zwei Räumen und sieht in etwa so aus, wie man sich ein Atelier vorstellt: Gegenstände zum Entdecken so weit das Auge reicht. Bücherregale, grosse bemalte Leinwände, Gläser voller Pinsel, Eimer und Fläschchen, im Nebenraum stehen Werkzeugkästen und verschiedene Holzstücke lehnen an einer Wand neben aufgehängten Kunstwerken.

Hostettler ist enttäuscht, dass die Ateliergemeinschaft hier per November ausziehen muss. «Als Swiss Life letztes Jahr den Vorplatz vor unserem Haus aufgewertet hat, habe ich das als Signal für eine Öffnung des Quartiers verstanden. Ich, und so geht es auch anderen von uns, haben gehofft, dass wir noch länger bleiben können.» Weil die bereits veröffentlichten Abrissgesuche von Swiss Life nicht die Häuser der Zwischennutzung betreffen, könnte man ja eigentlich noch länger hier bleiben, denkt er.

Vorplatz Klybeck
Dass Swiss Life diesen Vorplatz aufgewertet hat, wertete Hostettler als ein Zeichen der Öffnung des Areals. (Bild: Michelle Isler)

Was sagt Swiss Life dazu? Auf Anfrage schreibt eine Mediensprecherin, der Verein «Unterdessen» sei im Oktober informiert worden, dass das Mietverhältnis Ende 2025 nicht verlängert werden könne. Swiss Life erklärt, das hänge «in erster Linie» mit der Wärmeversorgung auf dem Areal zusammen: «Ab 2026 ist in den von ‹Unterdessen› genutzten Flächen auf dem Arealteil 1 Nord keine Grundversorgung mit Wärme mehr gegeben. Daher sind auch keine Zwischennutzungen mehr möglich.»

Swiss Life sei im Austausch mit «Unterdessen», «ob eine künftige Zwischennutzung in anderen Flächen möglich ist». Zur Aufwertung des Vorplatzes beim Gebäude K-106 schreibt Swiss Life, diese sei im Rahmen der generellen Arealöffnungsstrategie erfolgt. «Der aufgewertete Vorplatz steht der Bevölkerung weiterhin zur Verfügung.» 

Atelierhaus Klybeckareal
Eine grüne Ecke mit Ausblick in der Ateliergemeinschaft. (Bild: Michelle Isler)

Hostettler erzählt, dass sich die Mitglieder der Ateliergemeinschaft kürzlich über ihre Zukunft ausgetauscht haben. «Unsere Grundstimmung ist aktuell ein bisschen ratlos», sagt er, aber grundsätzlich wolle man versuchen, zusammen einen neuen Ort zu finden. «Für Leute, die so arbeiten wie wir, ist es schwierig, etwas Bezahlbares zu finden.» Aktuell bezahlen sie 120 Franken pro Quadratmeter pro Jahr. Besonders schwierig sei es, einen Ort mit vergleichbarem Platz für alle verschiedenen Künstler*innen zu finden. Genau das findet Hostettler aber wichtig: «Meine Arbeit lebt davon, dass es hier einen Austausch gibt. Mit der Gemeinschaft bin ich angebunden an ein Netz, das ist wertvoll», erklärt er.

David Atelierhaus
David in seinem Atelier – es ist etwa sein zehntes. (Bild: Michelle Isler)

Das sagen auch andere, denen wir an diesem Nachmittag im Gebäude begegnen. Da wäre zum Beispiel David, Künstler und Fotograf, der gerade versucht, ein IT-Problem zu lösen. «Alle meine Websites sind down», seufzt er, während er der Journalistin auf einem Sofa eine Ecke freiräumt. «Es macht mir ein bisschen Angst, dass mit dem Ende dieser Zwischennutzung auf einen Schlag so viele Leute günstige Arbeitsräume suchen werden.» Andererseits sei er es sich gewohnt, wie es in Zwischennutzungen läuft. «Ich hatte leider noch nie ein Atelier, das für immer war», sagt er. Das hier sei etwa sein zehntes.

Patrice Klybeck
Patrice arbeitet im Baugewerbe und mietet einen Büroplatz in einem Archivraum. (Bild: Michelle Isler)

Ein paar Türen weiter klingelt grad das Telefon von Patrice. Zwei Minuten habe sie, sagt sie auf Englisch und erklärt im Schnelldurchlauf, dass sie für eine Firma im Thurgau im Baugewerbe arbeite. Ihr Mann ist ein Künstler aus der Ateliergemeinschaft und sie hat sich deshalb in einem Archivraum hier einen Büroplatz gemietet. «Es wird schwierig, etwas an einer vergleichbaren Lage zu finden», sagt sie. «Das ist auch eine Kostenfrage. Und ich schätze die Community hier.» Sie lächelt fürs Foto und setzt sich wieder vor den Bildschirm, Kopfhörer auf. Der Call wartet.

Dieser Blick in die Zwischennutzungen zeigt: So vielfältig wie die Nutzer*innen sind auch ihre Ausgangslagen. Es zeichnet sich aber auch schon länger ab, dass die Entwicklung dieses Areals noch zu reden geben wird. Als Nächstes ist am 1. Februar von Seiten der kritischen Anwohner*innen eine «Altlastenkonferenz» angekündigt, bei der diskutiert werden soll, wie man eine «umfassende» Untersuchung der Altlasten erreichen kann. An den auslaufenden Verträgen der Zwischennutzer*innen wird das jedoch nichts ändern. Zumindest bis Ende Jahr werden sie hier noch für etwas Leben auf dem Areal sorgen. 

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Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und zieht für Reportagen durch die Gassen. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen.


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