Belebung auf Zeit

Aus Werkhof wird gemeinschaftlicher Garten, aus Industriegebäude wird Kultur- und Quartierzentrum. «unterdessen» hat es sich zur Aufgabe gemacht, leerstehende Räume, Gebäude oder ganze Areale zur Belebung des Quartiers zwischenzunutzen. Bajour war zu Besuch.

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Das Team von «unterdessen»: v.l.n.r Claire Flury, Pan Stoll, Francesca Blachnik, Pascal Biedermann, Daniela Vieli, Anja Piazza, Dominik Unternährer. (Bild: Nikkol Rot, Das Dazwischen)

Basel wäre nichts ohne seine Zwischennutzungen: Da waren die alte Stadtgärtnerei auf dem heutigen St. Johannspark, das nt/Areal auf dem heutigen Erlenmattquartier und das Hafenareal, das bis heute der vielleicht beliebteste Kultort Basels ist. Andere Zwischennutzungen sind die Zentrale Pratteln und das Klybeckareal: Beides Projekte von «unterdessen». 

«unterdessen» hat sich der Organisation von Zwischennutzungen verschrieben und organisiert, vermietet und verwaltet Zwischennutzungen von leeren Industriegebäuden, Lagerhallen, Werkstätten, Bürogebäuden und Aussenräumen.

Das jüngste Zwischennutzungsprojekt von «unterdessen» ist im Unterwerk Bottmingen. Hier prägten einst Transformatoren, Schaltkästen und Kabel das Bild. Heute sieht es ganz anders aus: Kunstinstallationen schmücken die Gänge, Musik erklingt aus geschlossenen Räumen, aus der Gemeinschaftsküche duftet es nach frisch gekochtem Essen, im Aussenraum hängen Lichterketten und farbige Fähnli. Neben einem Nähatelier, Räume für Bildhauer und Kunstschaffenden hat «unterdessen» ein Projektbüro im Unterwerk.

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    Ein trister Anblick: So sah das Unterwerk Bottmingen aus vor der Zwischennutzung. (Bild: Martin Zeller, Studio Zeller)

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    Die Eröffnungsfeier des Unterwerks war bunt. (Bild: Tobin Meyers)

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    Ein Ort für Gemeinsames und Kreatives. (Bild: Tobin Meyers)

Leerstände gibt es immer wieder. Die Gründe: Abbruchpläne, Renovationspläne oder Gebäude, die ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen. Die Eigentümer*innen seien dann oft überfordert, sagt «unterdessen»-Geschäftsführer Pan Stoll, weil die Ressourcen, das Netzwerk oder die finanziellen Mittel für eine Um- oder Zwischennutzung nicht gegeben sind. Da springt «unterdessen» ein. Die Organisation mietet sich mit einer Globalmiete ins Gebäude oder Areal ein und erstellt ein Zwischennutzungskonzept.

Ein Anspruch dabei: Die Nutzung soll so günstig wie möglich sein. «unterdessen» versucht, die Räume so zu nutzen, wie sie sind. Nach Möglichkeit werden die Gebäude so unterteilt, dass die Räumlichkeiten möglichst vielen Nutzer*innen zur Verfügung stehen können. So geschehen im Unterwerk Bottmingen. Dort haben seit September 24 Nutzungen in 6 «Nutzungseinheiten» Raum gefunden.

Die Padelhalle auf dem Klybeckareal.
Die Padelhalle auf dem Klybeckareal. (Bild: Martin Zeller, Studio Zeller)

Die Nutzer*innen stammen oft aus dem Kunst- und Kulturbereich, aber auch Start-Ups oder experimentellen Projekten bietet «unterdessen» Raum. So haben sich zum Beispiel das Lebensmittelnetzwerk Basel, der gemeinnützige Verein «Kreislauf Haus» sowie der Verein «Impact Hub» mit seinem Netzwerk aus Start-Ups auf dem Franck Areal im Kleinbasel eingenistet.

In den ehemaligen BASF-Gebäuden an der Klybeckstrasse bringen das Kulturlokal Humbug, die Padelhalle, diverse Künstler*innen-Ateliers, Architekturbüros, Fotostudios und eine Schmuckwerkstatt neues Leben in die Gebäude.

Ein Büro auf dem alten Franck-Areal.
Ein Büro auf dem alten Franck-Areal. (Bild: Daniela Vieli)

Francesca Blachnik ist Projektleiterin bei «unterdessen» und erzählt, dass viele Projekte der Nutzenden noch ganz am Anfang stehen und sie um die günstigen Räume sehr froh sind. «Nach Möglichkeit sollen die Nutzenden an der Gestaltung des Gebäudes und der Räumlichkeiten teilhaben können», erzählt sie.

Geschäftsführer Pan Stoll ergänzt und bezeichnet die Projekte als «ergebnisoffen». Trotzdem ist die inhaltliche Mitwirkung der Nutzenden eingeschränkt: Der Krux an Zwischennutzungen sei nämlich, dass sie zeitlich begrenzt sind und alles schnell gehen muss. «Aber das ist eben auch das Spannende an Zwischennutzungen», sagt Stoll und lächelt.

Die Bäumleingasse 9 beherbergt eine Praxis, Weinbar, Kunstateliers und Büros.
Die Bäumleingasse 9 beherbergt eine Praxis, Weinbar, Kunstateliers und Büros. (Bild: Martin Zeller, Studio Zeller)

Gegründet wurde «unterdessen» von Barbara Buser und Eric Honegger, beide Architekt*innen und Mitgründer*innen des Baubüros in situ, und Pascal Biedermann, der heute noch als Geschäftsführer bei «unterdessen» tätig ist. Bei einem Projekt des Baubüros entstand 2011 die Idee für Zwischennutzungen. Die Gründer*innen stellten fest, wie viele Gebäude eigentlich leer stehen, nicht unterhalten werden und im Grunde genommen verfallen.

Sie beschlossen, eine Organisation zu gründen, die sich um Leerstände kümmert. Daraufhin konnte gemeinsam mit Immobilien Basel-Stadt das erste Pilotprojekt gestartet werden: die Bäumleingasse 9. Diese noble Adresse im Grossbasel ist ein bis heute bestehendes Zwischennutzungsprojekt, in der die invino Weinbar, Kunstschaffende, Bauingenieure und eine Praxis zuhause sind. 

Mittlerweile betreut «unterdessen» neunzehn laufende Zwischennutzungsprojekte in vier Kantonen. Acht Mitarbeiter*innen kümmern sich um die einzelnen Projekte. «Wir arbeiten sehr nah zusammen und versuchen, uns gegenseitig zu unterstützen und zu spiegeln», erzählt Blachnik.

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«Die Unabhängigkeit macht es uns möglich, jene Projekte auszusuchen, die mit unseren Werten übereinstimmen.»
Francesca Blachnik, Projektleiterin bei «unterdessen»

Es sei nicht das Ziel von «unterdessen», Gewinn zu machen, sagt Geschäftsführer Stoll. Die Projekte seien grundsätzlich kostendeckend und selbsttragend ausgelegt. Die Finanzierung erfolge über Aufträge. Externe Finanzierungen von Stiftungen oder dem Kanton nimmt «unterdessen» nicht in Anspruch. Blachnik sagt: «Die Unabhängigkeit macht es uns möglich, jene Projekte auszusuchen, die mit unseren Werten übereinstimmen.»

Die Projekte entstehen meist, indem Eigentümer*innen auf die Organisation zukommen, erklärt Blachnik. Oftmals hätten diese bereits in der Vergangenheit mit «unterdessen» zusammengearbeitet. Teilweise kämen auch Anfragen online rein, nur vereinzelt gehe «unterdessen» direkt auf Eigentümer*innen zu.

«Diese Anfragen sind nicht immer erfolgreich», sagt Stoll. Gerade Privateigentümer*innen hätten Zwischennutzungen gegenüber oft Hemmungen, weil sie sich vor dem zeitlichen Aufwand scheuen oder befürchten, dass die Nutzenden nicht mehr raus möchten. «Wieso das so ist, ist mir auch nicht ganz klar», sagt Stoll, zumal «unterdessen» die Organisation übernehme und von vornherein für alle Beteiligten klar sei, dass die Nutzung zeitlich begrenzt ist.

Beim Unterwerk in Bottmingen hat das alles geklappt. Beim Rundgang trifft man auf die neuen Zwischennutzer*innen, die in ihren Ateliers und Werkstätten bereits fleissig ihren Projekten nachgehen. Statt leerstehendem Industrieareal ist das ehemalige Unterwerk ein Ort für Kreativität – genau das, was «unterdessen» bewirken will.

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