Tempo 80 auf Autobahnen, jo gärn
Ginge es nach der Bajour-Community, hätte das Astra mit dem Vorhaben von Tempo 80 zu Hauptverkehrszeiten auf den Autobahnen im Mittelland gute Chancen. Ein Drittel der Abstimmenden bei der Frage des Tages wäre sogar für ein generelles Tempo 80.
Fahren wir künftig nur noch Tempo 80 auf der Autobahn? Wenn es nach dem Bundesamt für Strassen (Astra) geht, könnte das ab 2026 zu den Hauptverkehrszeiten der Fall sein. «Um Dauerstaus zu vermeiden», so Astra-Direktor Jürg Röthlisberger gegenüber Tamedia.
Auf den Schweizer Autobahnen ist viel Verkehr. Das Astra will nun auf den stark befahrenen Autobahnen im Mittelland zu Stosszeiten flächendeckend Tempo 80 ermöglichen. So könne die Kapazität maximal ausgenutzt und Dauerstaus verhindert werden. Das Astra betont, es gehe darum, «das bestehende Strassennetz besser zu nutzen» und bei Bedarf bei den Höchstgeschwindigkeiten flexibel zu sein.
Der Astra-Vorschlag und unsere zugehörige Frage des Tages erinnern Bajour-Leser Jörg Gluth an eine Aussage des ehemaligen Baselbieter Autorennfahrers und Formel-1-Kommentators Marc Surer. Vor 20 Jahren habe er schon gesagt, dass wir in Zukunft nur noch 80 km/h fahren würden – wegen des zunehmenden Verkehrs.
Gluth arbeitet als LKW-Chauffeur. Ein Stauprofi wie er umgeht den Feierabendverkehr: Er habe regelmässig um fünf Feierabend. «Nach Hause fahre ich mit dem Fahrrad», schreibt er in einem Kommentar und weiss auch, dass er somit zu den Glücklicheren gehört. «Sonst müsste ich, wie meine Elsässer Kollegen, im Ausweichverkehr auf der Hauptstrasse in Muttenz stehen.»
Genau auf diesen Strassen würde Userin Keom Basilea aber vermehrt fahren, wie sie in ihrem Kommentar schreibt: «Eine Vignette kaufen für eine Autobahn, auf der man nur 80 fahren darf, nein sicher nicht!!! Da kann ich das Geld sparen und gleich die Hauptstrasse nehmen.»
Dürfte die Bajour-Community entscheiden, wäre das tiefere Tempo allerdings mehrheitsfähig: 49 Prozent der Abstimmenden bei der Frage des Tages stimmten für Tempo 80 zu Stosszeiten. 35 Prozent würden sogar noch weiter gehen und sprechen sich für ein generelles Tempolimit 80 aus. Dass der Astra-Vorschlag nicht für eine Empörungswelle sorgt, wird auch ausserhalb der Bajour-Community antizipiert: «Vor zehn Jahren wäre das unmöglich gewesen, die Leute hätten uns gefressen», so Astra-Direktor Röthlisberger. Heute sei das anders, eine Empörungswelle deswegen erwartet er nicht: «Die Leute haben erkannt, dass die Kapazität damit maximal ausgenutzt werden kann.»
Bajour-Leser Phil Bösiger schreibt uns dazu: «Generell Tempo 80 ist ein guter Ansatz, reicht aber nicht». Das steigende MIV-Verkehrsaufkommen – MIV steht für «motorisierter Individualverkehr» – müsse generell hinterfragt werden. Dazu brauche es ein «Anreiz-/Malus-System». Phil stellt sich das so vor: «Anreize sind Steuervorteile für Unternehmen mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten für ihre Mitarbeitenden und für die Firmenflotte, separate Spuren für Carpooling, flexiblere Arbeitszeiten, Förderung von Homeoffice.» Die letzten beiden Punkte würden auch Arbeitgeber*innen attraktiver machen. «Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zu unterschätzen.»
Als «Malus-Massnahmen» nennt er zum Beispiel Roadpricing, Wegfall des Pendlerabzugs oder Steuern und dynamische Geschwindigkeitslimiten. «Generell lieber den Stau auf der Autobahn als in den Ortschaften», schliesst Phil sein Plädoyer.
Eva Biland, Vizepräsidentin der FDP Basel-Stadt und Vorstandsmitglied der ACS Sektion beider Basel lehnt den Astra-Vorschlag ab: Der Individualverkehr werde mit dem technischen Fortschritt «umweltfreundlicher und durch intelligentere Betriebssysteme (autonomes Fahren) flüssiger», da brauche es in diesem Bereich keine Einschränkung.
Anders sieht das Birgit Kron, Leiterin Politik beim TCS beider Basel. Sie würde Tempo 80 als flexibles Tempolimit in Stausituationen begrüssen. Aber das reiche «gerade in unserer Region» nicht, sagt sie gegenüber Bajour: «Wir brauchen strategische Ausbauten wie den Rheintunnel, um Transit- und Regionalverkehr zu trennen.»
Und damit trifft sie auch die Stossrichtung des Astra, das diesen Tunnel bauen will – gegen den allerdings diese Woche auch das Referendum angelaufen ist. Eine Allianz bestehend aus VCS, linken Parteien sowie Klima- und Umweltbewegungen hat am Dienstag offiziell mit dem Sammeln von Unterschriften begonnen.
Vor vier Monaten sagten 63 Prozent der Abstimmenden bei dieser Frage des Tages: Nein, nicht mehr zeitgemäss.