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Endstation für das Herzstück

Die Basler Regierungen geben das Herzstück auf, um den S-Bahn-Ausbau zu retten. Man darf bezweifeln, dass das gelingt – denn neue Verbindungen in die Agglo kriegen wir so trotzdem nicht. Ein Kommentar.

David Rutschmann Herzstück
Wer ein milliardenschweres Bahnprojekt stemmen will, muss auch den Nutzen gut begründen. (Bild: Ernst Field/Adobe Stock/Collage: Bajour)

Jetzt sehen die Basler Regierungen als doch noch ein, dass das Herzstück Geschichte ist. Das ETH-Gutachten, in dem der grossklotzige Ausbau des Bahnnetzes in Basel ins die zweite Hälfte des Jahrhunderts depriorisiert wurde, war der Sargnagel. SVP-Bundesrat Albert Rösti bezweckte mit dem Gutachten die Einsparung von zwei Drittel der geplanten Verkehrsprojekten. Dass die 14 Milliarden Franken für Basel einen schweren Stand haben werden, war schon länger klar. Schliesslich ist das mehr Geld, als der Gotthard-Basistunnel einst kostete. Da konnten zwar alle Bundespolitiker*innen der Region auf Linie gebracht werden, am Ende war die Notwendigkeit einer Haltestelle in der Basler Innenstadt in Bundesbern kein überzeugendes Argument. 

Um das Gesicht wahren zu können, haben die Regierungen beider Basel das Herzstück wieder auf seine Grundidee kondensiert: eine unterirdische Durchmesserlinie zwischen SBB und Badischem Bahnhof – ohne Station Mitte, aber auch ohne Verzweigungen an den Bahnhof St. Johann und potenziell ins vielversprechende Entwicklungsgebiet Klybeck. Die Konzentration aufs Wesentliche soll jetzt auch nur noch sieben Milliarden Franken kosten. Den Austeritäts-Gelüsten von Rösti dürfte das gefallen. Doch ob die Chancen jetzt besser stehen, damit der Bundesrat seinen Daumen für eine zeitnahe Realisierung hebt, ist dennoch fraglich – die Verbesserungen der Bahninfrastruktur im Vergleich zu heute wären in Anbetracht der Kosten gering.

Um das zu verstehen, muss man ausholen: Die einzige Verbindung zwischen SBB und Badischem Bahnhof ist heute über die Schwarzwaldbrücke. Wenn ein Zug aus Waldshut oder Lörrach kommt, muss er am Badischen Bahnhof erstmal die Richtung wechseln, damit er zum SBB weiterfahren kann – eine «Spitzkehre» nennt man das. Die unterirdische Durchmesserlinie könnte den Kreis schliessen, dann wäre das Kehren nicht mehr nötig. An dieser Idee wird schon seit den 80ern rumstudiert, aber statt konkreter wurde sie nur teurer.

Herzstück Angebot
Die Visualisierung von 2020 zeigt gut, wie der unterirdische Herzstück-Bogen ermöglichen soll, dass Züge nicht mehr an den beiden grossen Basler Bahnhöfen wenden müssen. (Bild: Trireno)

Nun hat sich seit den 80ern aber auch an der Bahninfrastruktur einiges getan – und auch in den kommenden Jahren stehen Verbesserungen an. Schon 2030 wird man von Olten nach Mulhouse und von Laufen nach St. Louis fahren können, weil die beiden neuen S-Bahn-Linien S2 und S4 in Betrieb genommen werden. Im gleichen Jahr soll die Haltestelle Neuallschwil beim Morgartenring eröffnet werden, die der Allschwiler Bevölkerung einen Bahnanschluss ermöglicht. Auch zur Optimierung des Güterzugangebots auf dieser Strecke wurden kürzlich die Weichen gestellt. 

Kurzum: Die Notwendigkeit eines ganz grossen Wurfs für den Bahnknoten Basel wird aus rein bahnbetrieblichen Gründen weniger dringlich, weil sich das Angebot auf dem bestehenden Netz ohnehin verbessert. Zumal eine Durchmesserlinie, wie sie die Basler Regierungen fordern, für den Bahnbetrieb nicht nur Vorteile mit sich bringen. Oft werden Züge zwischen den beiden Basler Bahnhöfen verkürzt oder verlängert – das ist in einem Durchgangsbahnhof schwieriger, da die Züge direkt weiterfahren können müssen. Wenn das nicht passiert, sind die Perrons an den folgenden Bahnhöfen möglicherweise zu kurz.

Aber auch darüber hinaus darf man sich durchaus die Frage stellen, wie viel Attraktivität eine reine Durchmesserlinie bietet. Natürlich optimiert man die Anknüpfungspunkte bestehender Linien. Doch statt dieser teuren sechs Kilometer Gleis könnte man auch Lücken schliessen, die noch gar nicht erschlossen sind. Der Bezirk Arlesheim – das sind immerhin zwei Drittel der Baselbieter Bevölkerung, fast so gross wie Basel-Stadt – bietet durchaus S-Bahn-Ausbaupotenzial. Warum denkt man nicht lieber über eine S-Bahn-Verbindung nach Oberwil nach? Oder darüber, den Bahnhof Dornach-Arlesheim endlich zu einem Schnellzughalt aufzuwerten?

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Und dann wäre da noch der Euro-Airport. Hier wird sogar schon länger (seit 70 Jahren!) über einen Bahnanschluss sinniert, den man selbstredend ans Herzstück anfügen wollte. Aber Frankreich kappte kürzlich seine Finanzierung für das Projekt. Dass die Regierung beim Herzstück jetzt die Anbindung an den Bahnhof St. Johann (also Richtung Frankreich) raustrennt, liest sich ebenfalls wie eine Kapitulation, dass man an die vielversprechende Zugverbindung an den Flughafen nicht mehr wirklich glaubt.

Dabei könnte der EAP-Anschluss ein zentrales Argument für den Bund sein, warum man doch noch an einen grösseren Bahnausbau in Basel glaubt. 18 Prozent der Schweizer Fluggäste in Basel sind aus dem Kanton Zürich – doch die bisherigen Ausbaupläne reichen gerade mal nach Liestal und Laufen. Niemand weibelt bisher für eine Anbindung des EuroAirports an den Fernverkehr (weil viele ÖV-Fans mit einer Infrastruktur für klimaschädliche Fliegen hadern). Basel will in Bundesbern begreifbar machen, dass der Bahnausbau in der Region im Interesse der gesamten Schweiz ist. Wenn man den Fernverkehr-Anschluss an den EAP als «Schweizer Lösung» präsentiert, könnten Bundesgelder in greifbarerer Nähe sein.

Das Herzstück wurde schon oft totgeschrieben. Es wurde ebenso oft wieder «komplett neugedacht». Der Bundesrat wird seine Eckpunkte für den Ausbauschritt des Schweizer Bahnnetzes im Januar präsentieren. Wenn Basel dann leer ausgeht, haben neue Ideen für ein besseres Bahnangebot für die Region vielleicht wieder Platz.

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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