Unsere Community lebt
Wegen Corona fehlt es vielen Leuten an allem, sie müssen jeden Rappen zusammenkratzen. Das merkt man auch in der Gärngschee-Community. Das Schöne: Die Hilfe ist überwältigend. So viel Solidarität wollen wir gerne mit euch teilen.
Es ist Samstag, als Sandie die Nachricht einer verzweifelten Mutter erhält: Sie habe nur noch Essiggurken im Kühlschrank und brauche Nahrungsmittel. Ihr Einkommen ist durch Corona gering, die Lebenssituation prekär. Der Vater ist kürzlich als Familiennachzug in die Schweiz zu ihr und der kleinen Tochter gekommen.
Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist nicht so leicht, denn wer Sozialhilfe beantragt, kann leichter ausgeschafft werden – so steht es im Gesetz. Darum hat sich die Familie dazu entschieden, keine Hilfe vom Staat zu beantragen. Sie hat Angst vor allfälligen Konsequenzen. Auch wenn es nicht Praxis ist, eine Person auszuschaffen, nachdem sie einige Monate Sozialhilfe beantragt hat – bei einem sogenannten Missbrauch derselben ist das möglich.
Sandie, die Superfrau von Gärngschee, Moderatorin und allzeit bereite Helferin, postet die Geschichte der Familie in der Gärngschee-Gruppe, inklusive Einkaufszettel. Viele Menschen bieten Hilfe, Lebensmittel und Geld an, Sandie macht ein Treffen mit ihnen aus. Es kommt der ganze Einkaufszettel zusammen und noch mehr.
Die Lösung ist nicht langfristig – aber sie schafft eine kurze Erleichterung. Es kommt Geld zusammen, das Sandie der Familie direkt überweist. Sandie erzählt mir, dass die Familie fast überfordert ist angesichts der Menge an Hilfe, die sie erhalte hat. Sie spürt Dankbarkeit und Rührung, aber auch Scham.
Die Familie meldete sich, nachdem Sandie auf einen ganz anderen Post auf Facebook reagierte. In der Diskussion, ging es darum, dass Leute, die Hilfe brauchen, oft rhetorisch stark und ohne Scheu über ihr persönliches Schicksal berichten müssen, und dass die Hilfe nicht nachhaltig sei.
Sandie hat daraufhin einen Post veröffentlicht, indem sie darauf hinweist, dass man sich auch sehr gerne bei den Moderator*innen privat melden kann, wenn es einem unangenehm ist, nach Hilfe in der Gruppe zu fragen.
Sandie schaffte auch sonst fleissig hinter den Kulissen: Einer Frau, die in der Gastro arbeitet und jetzt auf Kurzarbeit ist, fehlt das Trinkgeld. Sie benötigt Hilfe. Da sie aber durch ihre Arbeit viele Menschen kennt, will sie sich mit einem Hilferuf nicht öffentlich exponieren. Sandie hat dafür mit Gärngschee die passende Gruppe von Menschen, die helfen können. Schnell wird etwas organisiert.
Auch eine Pflegefachfrau mit chronischer Krankheit, ohne IV und mit hohem Selbstbehalt bekommt Hilfe. Für sie geht jemand einkaufen.
In der Facebookgruppe wird aber nicht nur geholfen, sondern auch diskutiert. Zum Beispiel darüber, wie Gärngschee und Bajour zusammenhängen Um es hier noch einmal zu erklären: Bajour hat die Facebook-Gruppe im ersten Lockdown gegründet (bald ist Jubiläum! 🥳), um Hilfesuchende und Hilfebietende zusammenzuführen.
Die Community ist mittlerweile 17’000 Mitglieder gross, es gibt zusätzlich eine Telefonnummer, auf die vor allem Ältere und Menschen ohne digitale Affinität anrufen können.Sie können sich melden, wenn sie einsam sind und jemanden brauchen, um ab und zu spazieren zu gehen, um Einkäufe zu machen oder um im Garten zu helfen.
Auf dem Telefon war es diese Woche so ruhig wie nie, erzählt mir Hannah, die Sozialarbeiterin, die die Nummer bedient. Sie freut sich darüber, das schöne Wetter habe einen guten Einfluss auf das Gemüt der Menschen.
Die Community lebt, Basel ist solidarisch.