Was braucht die Basler Musikförderung?
Am 24. November stimmt das Basler Stimmvolk über die Musikvielfaltsinitiative ab. Sie fordert, dass ein Drittel der kantonalen Musikförderung in Basel an freie Musiker*innen geht. Die Initiant*innen wollen damit eine «demokratischere Förderung» und bessere Bedingungen für freischaffende Musiker*innen (von Pop bis Klassik) erreichen. Gegner*innen argumentieren, die Initiative nehme «bewusst in Kauf», dass die geforderte Unterstützung «auf Kosten des institutionellen Kulturschaffen» gehe. Der Knackpunkt dieser Diskussion: Die Initiative gibt nicht vor, ob das Kulturförderbudget des Kantons erhöht werden soll – oder ob das aktuelle Budget so umverteilt wird, dass ein Drittel nicht mehr den bisher geförderten Institutionen, sondern freien Musikschaffenden zugutekommt.
Endlich könnte die Spaltung abgeschafft werden
Immer wieder lese und höre ich, dass die Initiative die Musik-Kulturszene spaltet. Aber hei, die aktuelle Situation ist, dass wir eine zweigeteilte Szene haben. Die einen, die von grosszügigen Subventionen profitieren. Und die anderen, die beinahe leer ausgehen. Wenn die Fördergelder in Zukunft gerechter auf die Musikschaffenden in Basel aufgeteilt werden, dann können diese endlich vereint und noch stärker zusammen an der positiven musikkulturellen Ausstrahlung unserer Stad wirken. In diesem Sinn: Basel für alle und alle gerecht gefördert für Basel! Darum ein JA zur Initiative.
Mehr Vielfalt für alle
Es geht um ein JA ZUR MUSIKVIELFALT. Das Kulturfördergesetz schreibt eine vielfältige Förderung vor. Ein gesetzlicher Auftrag zur Förderung heisst auch über Ressourcen verhandeln. Zwei Beispiele: Die Basler Orchesterlandschaft ist ohne Zweifel vielfältig und wichtig. Dafür erhält sie rund 19.5 Mio pro Jahr. Im ganzen musikalischen Spektrum gespiegelt bedienen die Orchester nur einen Ausschnitt. Das Musikbüro Basel hat den Auftrag, das gesamte Spektrum der Popmusik mit aktuell rund 1.5 Mio pro Jahr zu fördern. Damit muss nicht nur die Projektförderung und ihre Administration finanziert werden, sondern auch die gesamte Club- und weitere Strukturförderung wie Beratung, Newcomerförderung, Vermittlungsprojekte. Ist doch ganz normal, dass das Kulturangebot einer Stadt regelmässig überprüft wird, steht auch so im Kulturleitbild. Freischaffende tragen aktuell sehr viel zum bestehenden Angebot bei und finanzieren das durch unbezahlte Arbeit. Also braucht es dort mehr Geld, gerne zusätzlich.
Alles halb so schlimm
Bei einer unformulierten Initiative geht es darum, dass wir einem Grundsatz zustimmen. Wollen wir mehr Freischaffende unterstützen? Wollen wir mehr Vielfalt fördern? Für mich ist klar: jA! Erst nach einer allfälligen Annahme der Initiative wird die genaue Ausgestaltung des Anliegens geklärt. Das ist der normale politische Prozess. Dazu gehört auch, dass die Umsetzungsvorlage noch mindestens einmal durch den Grossen Rat geht. Aufgrund der Voten im Parlament zur Musikvielfaltsinitiative ist völlig klar, dass niemand im Rathaus Geld umverteilen will. Die bisherigen Institutionen wurden massiv und mit einer klaren Mehrheit verteidigt. Diese Lobby wird auch nach Annahme stark bleiben. Die Angstmacherei der Gegner:innenschaft ist deshalb völlig übertrieben und an den politischen Realitäten vorbei geredet. Fallen wir nicht darauf rein.
Gemeinsam für eine vielfältige Kulturszene
Ich bedauere, dass immer wieder der Vorwurf einer angeblichen Spaltung laut wird. Gleichzeitig äussern wir uns nun doch (fast) alle dafür, dass Freischaffende endlich besser gestellt werden sollten – was Fördermöglichkeiten, Beratungs- und Netzwerkangebote angeht. Als Person, die sowohl freischaffend wie auch in einer kleinen Institution mit Leistungsvereinbarung Projekte geleitet hat, weiss ich um die Herausforderungen beider Seiten. Anstatt zu beklagen, dass Arbeitsplätze gefährdet sein könnten, lasst uns darauf blicken, was mit zusätzlicher (!) Förderung möglich wird! Denn wer nun gegen die Musikvielfalt ist, ist schlicht gegen die Vielfalt in Basel – und wer bei einem JA eine Aufstockung ablehnt, ist gegen die klassische Musik.
Ein Auftrag an die Politik
Die Musikvielfalt-Initiative ist ein Auftrag an die Politik, sich darum zu kümmern, dass der Vielfalt des musikalischen Schaffens in unserem Kanton Rechnung getragen und die Lebensrealitäten der freischaffenden Musiker:innen verbessert werden! Dass dringender Handlungsbedarf besteht, sehe ich tagtäglich bei Freund:innen und Bekannten. Wenn es für die Umsetzung der (unformulierten) Initiative mehr Geld braucht, dann ist es Aufgabe von Regierung und Parlament, dieses zu sprechen. Der Kanton Basel-Stadt kann sich eine gerechte und vielfältige Kulturlandschaft leisten - deshalb JA am 24. November!
Dringend nötig
Dringend nötige Initiative in die richtige, wichtige Richtung für viele MusikerInnen deren Arbeit für ein Nichts auf Spotify und anderen Streamingplattformen täglich konsumiert wird. Wo, wie und was hörst du?
Von und Für Alle!
Der Status quo ist seit jeher eine Spaltung der Gesellschaft, historisch gewachsen aus einer bürgerlichen Souveränität in der Leitkulturdebatte. Dass 90% des Musikbudgets an 10% der Musikkonsumenten geht, ist allen klar. Es ist wie vor 10 Jahren mit dem Buch Kulturinfarkt von Pius Knüsel u.a.: Wollen wir, dass es immer so weiter geht und die Verteidigung der Privilegierten oberstes Gebot ist? Was ist mit Kultur von und für alle? Die Chance, jetzt vieles neu zu denken, was durch einen kanonisierten Kulturbegriff diese Ungerechtigkeit weiter aufrechterhält. Diese Veränderung wird auf jeden Fall kommen, so wie unsere Gesellschaft schon lange von der Migration profitiert, so wird sich auch die Kultur davon weiter entwickeln können und wer weiß für uns jetzt noch ungeahnte Früchte tragen. Also Ja und zwar klar und deutlich
Unsorgfältige Initiative
Diese Initiative fordert einen starren Verteilschlüssel der Förderung von Kulturinstitutionen und freiem Musikschaffen. Sie lässt bewusst offen, ob es zu einer Aufstockung oder zu einer Umverteilung der Mittel kommen soll. Das führt in ein kulturpolitisches Dilemma: Es gibt Stimmberechtigte, die stimmen Ja und wollen eine Aufstockung. Andere stimmen Ja mit dem Ziel einer Umverteilung. Ein Volks-Ja zur Initiative muss sowohl als Auftrag für eine Aufstockung, als auch als Auftrag für eine Umverteilung verstanden werden. Das Resultat: ein Kompromis, was Kürzungen bei Kulturinstitutionen zur Folge hat. Davon betroffen sein können alle. Von Theater & Orchester über Kaserne Basel bis zum Musikbüro und der Clubförderung. Kürzungen bei hart erkämpften und stets gemeinsam verteidigten Budgets unserer Institutionen, um exklusiv das freie Musikschaffen zusätzlich zu fördern – während das freie Theater/Tanz-, Literatur- und Kunstschaffen leer ausgeht. Eine durch und durch unsorgfältige Initiative.
Eine grosse Chance für die Kulturstadt Basel
Von mir ein klares JA! Der fadenscheinige Vorwurf, die Initiative würde die Kulturszene spalten und ein Grundeinkommen für Musikschaffende fordern, ist absurd, da die Initiative bewusst nicht ausformuliert wurde. Bei einer Annahme der Initiative bekommt die Politik den Auftrag, vernünftige Fördermodelle und Selektionsgremien zu installieren. Im Kanton Basel-Stadt gibt es mehrere Bildungsinstitutionen, die professionelle Musiker*innen, Komponist*innen und Produzent*innen aller Sparten ausbilden. Leider werden die Förderstrukturen diesem Output an gutausgebildeten Musikschaffenden nicht im Geringsten gerecht. In keiner anderen Sparte der Künste wird die zeitgenössische Produktion so stiefmütterlich behandelt und das Förderbudget so einseitig in die Reproduktion und Interpretation investiert, wie in der Musik. Dies entspricht nicht dem Kulturleitbild des Kantons. Eine Annahme der Initiative ist nicht nur eine Chance für Basels Musikkultur, sie ist auch eine Chance für diese Stadt.
Die bestehenden Fördertöpfe sollen ausgeschöpft und gegebenenfalls erweitert werden
Sich mit einem NEIN gegen eine Initiative zu positionieren, deren Grundanliegen eindeutig untestützenswert ist, scheint hart. Wenn aber der Weg über eine Umverteilung der Subventionen führt, wird nicht zuletzt auch die freie Szene in letzter Konsequenz darunter leiden. Diverse Klangkörper wie zum Beispiel die Sinfonietta oder das Barockorchester La Cetra, die wichtige Arbeitsmöglichkeiten für Freischaffende bieten, wären in ihrer Existenz bedroht. Und beim Sinfonieorchester gäbe es einschneidende Stellenkürzungen, feste Arbeitsplätze gingen verloren und der Leistungsauftrag könnte nicht mehr erfüllt werden.
Nicht nachvollziehbar ist auch, warum diese Initiative zu einem Zeitpunkt lanciert wurde, als die Trinkgeldinitiative noch gar nicht umgesetzt war. Es gibt ja bereits Fördertöpfe, die der Musikvielfalt in dieser Stadt zugute kommen - diese sollen ausgeschöpft und gegebenenfalls erweitert werden.
Letztes Jahrtausend
Hauptsache diese Förderung des letzten Jahrtausends wird endlich angepasst.
Spaltpilz Musikvielfaltsinitiative
Der Wunsch nach grösserer finanzieller Unterstützung für die freie Szene, auch in der Musik, ist nachvollziehbar. Das Kammerorchester Basel unterstützt dies, jedoch nicht auf Kosten bestehender Strukturen. Die Musikvielfaltsinitiative spaltet die Musikstadt Basel, indem sie eine Umverteilung bestehender Mittel fordert, anstatt das kantonale Musikbudget zu erhöhen. Das gefährdet bewährte Strukturen und die Existenz freischaffender Musiker:innen.
Das Kammerorchester Basel trägt mit etwa 100 Konzerten jährlich in Basel und weltweit wesentlich zum Ansehen Basels bei und beschäftigt dafür 48 Musiker:innen auf projektbezogener Basis, dazu etwa 140 weitere Freischaffende p.a. Mit der Musikvielfaltsinitiative ist seine minimale öffentliche Basisfinanzierung bedroht. Daher sagen wir entschieden Nein zur Musikvielfaltsinitiative.
Leider falscher Ansatz
Die sehr engagierten Personen, die die Initiative lanciert haben, und damit ein durchaus wichtiges und relevantes Thema auf's Tapet gebracht haben, haben aus meiner Sicht zwei grosse Fehler gemacht: Sie haben das Geld, dass die freie Musikszene erhalten soll, in Relation gesetzt zu den Subventionen, die etablierte Institutionen bekommen. Damit haben sie einen Streit innerhalb der Kulturszene entfacht, was an sich schon kontraproduktiv ist. Zudem übersehen sie offenbar die Tatsache, wie prekär die Finanzlage auch für die stärker subventionierten ist. Und sie haben es ausserdem verpasst konkreter aufzuzeigen, wo konkret mehr Geld eingesetzt werden sollte. Schade, aber für mich sind das die ausschlaggebenden Gründe "nein" zu stimmen.
Die Initiative kann nicht halten, was sie verspricht
Wer sich für eine vielfältige Musikförderung und für freischaffende MusikerInnen in Basel einsetzen möchte und die Texte des Initiativkomitees tatsächlich bis zum letzten Satz durchliest, kann nur mit "NEIN" auf diese Initiative reagieren.
Statt zusätzliche Gelder für die Freischaffenden einzufordern, wird mit dem Statement "Vielfältige und faire Förderung muss möglich sein mit dem Geld, das heute da ist." eine Umverteilung des bestehenden Subventionsbetrags zugrundegelegt.
Dies hätte ganz besonders für Freischaffende, die zB in Orchestern wie der Sinfonietta, Kammerorchester Basel, Phoenix-Ensemble, La Cetra oder dem Sinfonieorchester Basel tätig sind verheerende Folgen, da diese Ensembles mit um ein Drittel gekürzten Subventionen nicht mehr existieren können, bzw aufgrund massiver Stellenkürzungen im Sinfonieorchester Basel MusikerInnenarbeitsplätze vernichten.
Die Initiative kommt bunt daher, kann aber nicht halten, was sie verspricht, weil sie unausgegoren, widersprüchlich und in ihren Konsequenzen nicht zuende gedacht ist. Das ist nicht nur schade für das eigentliche, unterstützenswerte Anliegen der Musikvielfalt, sondern brandgefährlich für die Freischaffenden und die Kulturstadt Basel.
Für eine Ökonomie der Fülle
Das Muster ist oft ein ähnliches. Es wird eine Initiative eingereicht, um ein Anliegen in die Diskussion zu bringen: schön und gut. Aber oft nur die halbe Miete: weil in der Regel wesentliche Aspekte fehlen. Wird eine Initiative angenommen, macht die Politik bzw. die Verwaltung dazu oft einen Gegenvorschlag: recht aber schlecht. Denn wenn wesentliche Aspekte nicht oder ungeklärt berücksichtigt sind, kann eine „Entweder-Ja-oder-Nein-Abstimmungs-Kampagne“ in eine endlos Sackgasse führen: wo gar nichts besser als nichts ist. Für eine Demokratie mit einer Ökonomie der Fülle braucht es ein fundamental andere Politik.