Was hältst du von einer Schule ohne Noten?
Das Gotthelf-Schulhaus geht innovative Wege: Zwei Primarlehrerinnen verzichten seit zwei Jahren auf Prüfungsnoten und setzen auf autonomes Lernen. Statt der Benotung von 1 bis 6 verwenden sie ein dreifarbiges Bewertungssystem für die Schüler*innen. Eine Gesamtnote gibt es nach wie vor zur Mitte und zum Ende des Schuljahres. Zudem kann jedes Kind in seinem eigenen Tempo entscheiden, wann es einen Test schreiben und wie es dafür lernen möchte. Die Lehrerinnen sind überzeugt, dass die Kinder auch so die vorgegebenen Kompetenzen laut Lehrplan erreichen können, wie sie der BaZ sagen. Die neue Bewertungsmethode könnte Schule machen: In Basel wird bereits die landesweite Umstellung bei der Beurteilungspraxis diskutiert, in der Stadt Luzern soll sie im kommenden Jahr an allen Primarschulen eingeführt werden. Die Basler SVP-Grossrätin Jenny Schweizer, die auch in der Bildungs- und Kulturkommission ist, hat Bedenken, wie sie in einer Interpellation zum neuen Schulmodell ohne Noten deutlich macht. Im Regi sagt sie, die Leistungen der Schüler*innen würden «verwässert».
Die wohlwollende Bewertung
Ich glaube nicht, dass es um Noten geht, sondern eher darum, wie sie verwendet werden. Noten ermöglichen eine Bewertung. Sie können auf wohlwollende und positive Weise verwendet werden.
- Sie können dazu dienen, das Erreichen von Kompetenzen zu überprüfen und den Schülerinnen und Schülern bei Bedarf zu helfen.
- um ihn zu seinen Fortschritten zu ermutigen.
In diesem Fall sind Noten nicht mit einem Wettbewerbssystem verbunden. Außerdem ist die Verwendung von Farben auch ein Bewertungssystem.
Andere Wege gehen
Erfahrungsgemäss braucht es viel Enthusiasmus, Kraft und Mut, um in einem bestehenden System andere als die gewohnten Wege zu gehen. Wie das die beiden Lehrerinnen im Gotthelf tun. - Die Diskussion um Noten bleibt aber an der Oberfläche einer Schule, die grundsätzlich ein Teil einer Welt ist, bei der es vor allem um Konkurrenz und um Wettbewerb geht. Dies im Interesse von immer noch mehr sogenanntem Fortschritt und für ein vor allem materielles Wachstum: wenn es so weiter geht halt bis zum Gehtnichtmehr. - Mögen wir von Herzen und aus Liebe im Frieden mit uns und der Welt leben wie sie ist, und uns am Gold in unseren Seelen freuen.
Es geht weniger um "Noten versus keine Noten"
Mein Sohn war zwei Jahre in der Klasse am Gotthelf, wo das neue System eingeführt worden ist und wir haben es sehr gut gefunden. Der grösste Vorteil ist, dass die Kinder selbständig in ihrem Tempo arbeiten können. Und wenn sie in einem Fach Schwierigkeiten haben, können sie in dem System länger die Grundlagen einüben. In normalem Klassenbetrieb wäre bei einem Thema z.B. eine Woche Grundlagen, eine Woche weiterführender Stoff und eine Woche schwieriger, auf den Grundlagen aufbauender Stoff. Kinder, welche die Grundlagen schon nicht verstanden haben, verlieren den Anschluss und die Motivation, weil sie ab Woche 2 nicht mehr mitkommen und ungenügende Tests schreiben. Im neuen System bleiben sie 3 Wochen bei den Grundlagen und haben anschliessend ein Erfolgserlebnis, weil sie den Grundlagentest erfolgreich bestehen. Und diejenigen, die in dem Thema sehr gut sind, erledigen alles vielleicht schon in der ersten Woche und dürfen anschliessend ein eigenes Projekt machen.
Ich fände es im Gymnasium besser auf ein System umzustellen, bei dem die Lehrer wie später an der Uni nur noch die Noten ‚bestanden‘ oder ‚nicht bestanden‘ verteilen. Das würde bis auf ganz wenige Schüler alle vom Stress befreien, und jeder könnte gerade nach seinem eigenen Tempo und Interesse lernen. In der Schweiz sind Noten im Maturzeugnis völlig unnötig, weil eine Matur sowieso die Studien-Zugangsberechtigung bedeutet (ich bin Gym-Lehrerin)
Noten bilden die Leistung nur sehr begrenzt ab
Die klassischen Noten dienen dazu, mit einer klar definierten Lernkontrollform ein schulisches Thema "abzuschliessen". Sie bilden den zurückgelegten Weg des Kindes nicht ab (woher komme ich, wie weit bin ich) und urteilen auf sehr definitive Art, wenn der verlangte Lernstoff zu diesem gewissen Zeitpunkt nicht begriffen wurde. Es entsteht keine Selbstreflexion, ausser "ich bin gut" oder "ich hab nochmals Glück gehabt" oder "ich bin schlecht". Toll, gibt es Lehrpersonen, die einen neuen Weg wagen!
Traurig
Seit Jahrzehnten machen es verschiedenste Schulen vor (Montessori, Waldorf, Ecole d’Humanité, staatliche Schulen in skandinavischen Ländern), dass es ohne Noten sehr viel besser geht. Es ist eines der traurigsten Vorurteile unserer Zeit, dass es zum Lernen Druck und Zwang braucht. Wie sagte doch Pestalozzi: Vergleiche nie ein Kind mit einem anderen, sondern nur mit sich selbst.
Den Menschen ins Zentrum stellen
Gerade in unserer heterogenen Welt ist es wichtig, die Kinder erst einmal ankommen zu lassen, bevor sie gleich in ein Bewertungsschema geraten. Was diese Lehrerinnen leisten, ist wertvolle Pionierarbeit, sie ermöglichen den Kindern einen vertrauensvollen Schulstart. Die Leistungskomponente kann sukzessive eingebaut werden. Diese Notenangst schon als Kinder, darunter litten wir doch selber genügend. Später kann man mit Bewertungen umgehen, dann sollen sie auch sein.
Mal Schmunzeln ;-)
Ich finde Musikuntericht in der Musikschule ohne "Noten" nach Gefühl spielend, sehr schwierig. (Kleiner Mittwoch-Scherz. Die Welt ist ernst genug.)
Sog statt Druck
Dazu fällt mir das schöne Zitat von Werner Götz ein: "Im Leben braucht man keinen Druck, sondern Sog. Flugzeuge fliegen, weil Sog aufgebaut wird. Ich selbst bin Vater von sieben Kindern - sie alle reagierten nur auf Sog. Philosophisch gesehen ist die Sache mit dem Druck ein Irrtum, den der Teufel erfand."
Druck wenehmen
Ich finde diese Idee sehr gut, das würde auch den Druck von den Schüler wegnehmen und sie würden auch alle von einem ein miteinander lernen profitieren. Das sollte man in der ganze Schweiz einführen, und es würden weniger Kinder an Burnouts leiden.