Was passiert jetzt mit Basels Nachtleben?
Darüber redeten wir am Donnerstagabend bei Gärngschee Kultur. Vier Gäste, vier Perspektiven, vier Kernaussagen.
Wir wissen jetzt: Ab dem 6. Juni dürfen Clubs bis zu 300 Personen reinlassen, Sperrstunde ist um Mitternacht. Zudem müssen sich Gäste mit Namen registrieren. Aber selbst mit diesen Lockerungen für Veranstaltungen ist die Zukunft der Nachtkultur wacklig.
Wie kommt's, wie sieht's aus, was wird dagegen unternommen?
Lauter Fragen, die wir vergangenen Donnerstagabend mit vier Vertreter*innen der Branche diskutierten. Dazu gab es einen Gastauftritt des Nachtsoziologen Michel Massmünster und musikalisches Rahmenprogramm von Was Ghetto?. Verglichen wurde der Abend im Vorfeld mit einer Tischbombe: Irgendwer zündet die Lunte an, lauter Dinge fliegen durch die Luft und am Ende nimmt jede*r mit, was ihr am besten passt.
Uns passen die verschiedenen Perspektiven der Teilnehmer*innen – die haben wir hiermit für euch auf den Punkt gebracht:
1. Marlon McNeill. Musiker, Labelbetreiber, Krisenversehrter
Beim Labelbetreiber lief alles drunter und drüber. Es sei grad sehr schwierig, was konkret auf die Reihe zu kriegen, Clubs seien im Sommer schliesslich auch nicht besonders Thema. Die grosse Erleichterung löste die Ansage mit den Lockerungen bei ihm nicht aus. Er glaubt, es wird schwierig sein, die neuen Massnahmen umzusetzen.
Marlon war auch persönlich betroffen: Sein Tagesansatz wurde von der Ausgleichskasse mit 7.20 CHF extrem knapp bemessen. Das macht etwas über 600 Franken pro Monat. In punkto Krisenmanagement hätte er sich einfachere Werkzeuge gewünscht oder ein Grundeinkommen für die Zeit der Krise. So hätte man auch nicht den ganzen Aufwand seitens der Behörden gehabt.
2. Katrin Grögel. Co-Leiterin der Abteilung Kultur BS, Konzertbesucherin
Die Abteilung Kultur wurde von Anträgen geflutet: Stand Mittwoch seien 399 Gesuche von Kulturschaffenden eingegangen. Aber die Basler*innen haben noch nichts von den gesprochenen 10 Millionen Franken gesehen.
Grund dafür seien in erster Linie die Änderungen der Ausgleichskasse gewesen: In den letzten Wochen wurde mehrfach geändert, wie die Ausgleichskasse den Erwerbsausfall bemisst. Für ihre Ausfallentschädigungen muss der Kanton jedoch über die Ausgleichskasse abrechnen. Ihr Team scannt im Moment zum dritten Mal alle Gesuche. Katrin ist aber hochzufrieden: Bei jeder Revision sind die Umstände für die Kulturschaffenden verbessert worden. Sie hofft jetzt, dass sich der Stau so schnell wie möglich löst.
Die Frage, die sie in naher Zukunft beschäftigen wird: Was gewinnen wir an neuem Reichtum im gemeinsamen Kulturleben und wie funktioniert das ökonomisch? Die Nachtkultur habe eine wichtige Funktion für viele Menschen im Leben: Das Sich-Gehen-Lassen, das Grenzen ausleben in der Nacht. Wir seien jetzt in einer Phase, in der der Bevölkerung eine sehr hohe Disziplinierung aufgezwungen werde. Die stehe konträr zur Funktion und Bedeutung der Nachtkultur. Das sei das grosse Dilemma dieser Branche.
3. Jo Vergeat. Grossrätin, Kulturlobbyistin mit Kulturstadt Jetzt, Livestream-Konsumentin
Jo hat den Eindruck, dass jetzt endlich ein grosses Bewusstsein für die Kulturszene entstanden sei – auch politisch. Als Mitglied der Taskforce Nachtkultur ist ihr wichtig, dass die Realitäten der verschiedenen Betreiber*innen und Musikschaffenden berücksichtig werden. Sie will Betriebe mit der Verwaltung an einen runden Tisch bringen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Über klare Kommunikation, und nicht als Durchsickern durch irgendwelche Zeitungsartikel, die unnötig Unsicherheit verbreiten.
Um die lokale Nachtkultur jetzt zum Aufblühen zu bringen, müsse die Politik handeln und Rahmenbedingungen schaffen, welche die Kreativität anspornen.
4. Luca Piazzalonga. Künstler, Mitinitiant des Soforthilfe-Projekts Kulturklinik, Booker im Hirscheneck
Luca ist Teil einer Whatsappgruppe mit anderen Branchenvertreter*innen, in der es darum geht, Informationen auszutauschen und über die Lockerungen zu reden. Die Reaktion auf die Ansage des Bundesrat im Whatsapp-Chat war nicht euphorisch, mehr ein unklares Nachfragen. Die Massnahmen seien nicht konkret, der Bund kommuniziere ausweichend, Verantwortung werde abgegeben.
Es mache jetzt wenig Sinn, auf Biegen und Brechen wieder Kulturprogramm zu machen. Schnell sein war elementar wichtig bei der Hilfe für Künstler*innen, bei der Durchführung von Events solle man aber lieber nichts überstürzen. Zu gross sei die Gefahr eines Rattenschwanzes. Beweis dafür sei nicht zuletzt die Situation in der Steinen gewesen. Er selbst organisiert möglicherweise im August ein Festival im Humbug.
Veranstaltung verpasst oder rausgefallen bei den technischen Problemen? Den Abend gibt es hier zum Nachhören als Podcast auf Radio X.