Wie der FC Basel Deutschland zum Weltmeistertitel verhalf
1942 verbannte die FIFA Deutschland aus dem Weltverband. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann vor allem die Schweiz – und auch der FC Basel – , die sich für eine Rückkehr der Deutschen stark machten.
«Aus, aus, aus – aus! – Das Spiel ist aus! – Deutschland ist Weltmeister», schrie Herbert Zimmermann ins Radiomikrofon. Soeben hatte sich das Wunder von Bern ereignet. Deutschland sicherte sich am 4. Juli 1954 mit einem 3:2-Sieg gegen Ungarn den Weltmeistertitel.
Das kam unerwartet. Und hatte einen engen Bezug zur Schweiz. Das Land war nicht nur Austragungsort der WM 1954, der Schweizer Fussball spielte auch eine bedeutende Rolle auf dem Weg Deutschlands an die Fussballspitze. Ganz vorne mit dabei: der FC Basel. Wie kam das?
Die FIFA hatte Deutschland 1942 aus dem Weltverband ausgeschlossen. Dies blieb auch nach Kriegsende so, da die FIFA Rücksicht auf jene Länder nahm, die unter der deutschen Besatzung gelitten hatten. Die Schweiz aber bemühte sich um eine Normalisierung der sportlichen Beziehung zum nördlichen Nachbarn.
Schweizer liessen nicht locker
Im Februar 1948 stellte der Schweizerische Fussballverband (SFV) mit dem Basler Präsidenten Ernst Thommen deshalb bei der FIFA einen Antrag auf Wiederaufnahme von Deutschland. Vergeblich. Schweizer Funktionäre liessen aber nicht locker. Auf bilateralem Weg nahmen sie Kontakt nach Deutschland auf und forderten damit die FIFA heraus.
Dabei machten sie gemeinsame Sache mit der Militärregierung der amerikanischen Besatzungszone. Diese befürwortete eine sportliche Integration von Deutschland und half bei der Organisation von drei Fussball-Städtespielen in Süddeutschland mit.
Am 10. Oktober 1948 spielten Städtemannschaften aus St. Gallen, Zürich und Basel in München, Stuttgart und Karlsruhe. Diese Spiele seien ein «Wendepunkt für den deutschen Fussball», hiess es in deutschen Medien. Das Zürcher Team mit Spielern des FCZ, von GC und den Young Fellows ging gegen Stuttgart mit 1:6 unter. Die St. Galler Auswahl verlor gegen München 1:5. Und jene aus Basel?
Die Mannschaft setzte sich ausschliesslich aus Spielern des FC Basel zusammen. Auf ihrer Fahrt nach Karlsruhe machten die Basler in Freiburg bei «dortigen Freunden» Halt. «Es war ein erschütterndes Wiedersehen nach der jahrelangen Trennung in der von Bomben teilweise zerstörten und von der Not gezeichneten, einst so heimeligen Zähringerstadt», schrieb FCB-Präsident Jules Düblin im Buch «75 Jahre Fussball-Club Basel» (aus diesem Buch stammen auch die weiteren Zitate von Düblin in diesem Text).
In Karlsruhe angekommen traf der FCB vor 25'000 Zuschauer*innen auf den Karlsruher FV und verlor 0:1. «Aber das war unwesentlich», erinnerte sich Seppe Hügi. Die FCB-Legende war mit 18 Jahren in der Saison 1948/49 frisch in die erste Mannschaft gestossen und hatte die Reise nach Karlsruhe mitgemacht.
Hügi war sich der grossen Dimension der Städtespiele bewusst. «Wir hatten damit dokumentiert, dass der Sport über der Politik stehen soll. Noch mehr. Dass gerade der Sport dazu berufen ist, nach unseliger Vergangenheit die völkerverbindenden Brücken in eine friedlichere Zukunft zu schlagen», schrieb Hügi in seiner 1961 erschienenen Biographie «Ein Fussballer erzählt …».
Applaus und 500 Franken Busse
Die Freundschaft war wichtiger als der Sieg. Dies betonte FCB-Präsident Düblin an einem gemeinsamen Bankett, das im Anschluss an das Spiel stattfand. Ganz Staatsmann referierte Düblin in Anwesenheit von Vertretern der amerikanischen Militärregierung: «Glauben Sie ja nicht, dass wir Schweizer in selbstgefälliger geistiger Abgeschlossenheit dahinleben und die Not und Qual so vieler europäischer Menschen nicht sehen und nicht mitfühlen könnten und uns die heutige Situation, besonders der deutschen Jugend, unberührt liesse».
Der FC Basel wollte mit seiner Teilnahme am Städtespiel «der deutschen Jugend wieder den Glauben an eine bessere Zukunft» vermitteln und vor allem die Zuversicht geben, «dass in einer übergeordneten europäischen Völkerfamilie für alle das Leben wieder zukunftsfreudig, hoffnungsfroh und lebenswert sein kann».
Die Schweizer Organisatoren der Städtespiele erhielten für ihre Aktion viel Applaus. Und eine Busse von 500 Franken. Ausgesprochen hatte sie der SFV, der die Aktion inhaltlich wohl durchaus begrüsste, aber keine Sanktionen durch die FIFA in Kauf nehmen wollte. Die Zeitung «Sport» lancierte daraufhin einen Aufruf und sammelte innerhalb einer Woche den gesamten Betrag.
Die Städtespiele hatten den deutschen Fussball aus der Isolation befreit. Es dauerte aber nochmals zwei Jahre, bis die FIFA an einer Versammlung in Brüssel am 22. September 1950 den Deutschen Fussball-Bund wieder in die eigenen Reihen aufnahm. Erneut hatte sich Ernst Thommen sehr stark engagiert.
Kein Wunder war es deshalb, dass Deutschland das erste Länderspiel nach dem Krieg gegen die Schweiz austrug. 70 Jahre ist das nun her. Das Spiel vom 22. November 1950 in Stuttgart war ein gigantisches Ereignis und stiess auf unglaubliches Interesse. Offiziell füllten 96'400 Zuschauer*innen das eigentlich für maximal 80'000 Personen gebaute Neckarstadion. Die Stehrampen waren dermassen überfüllt, dass die Menschen bis zum Spielfeldrand standen. Die Presse berichtete deshalb von bis zu 120'000 Zuschauer*innen, die den historischen Moment vor Ort miterlebten.
Ein Stück Normalität
Vor dem Spiel wurde nur die Schweizer Nationalhymne gespielt. Statt einer deutschen Hymne gab es eine Schweigeminute für die Kriegsopfer. Das Sportliche spielte auch danach nur eine Nebenrolle. Ein verwandelter Handspenalty in der 42. Minute entschied das Spiel für Deutschland.
Aus Sicherheitsgründen wäre das Spiel beinahe abgebrochen worden. Starker Regen hatte dazu geführt, dass immer wieder Menschenmassen auf den Stehrampen ins Rutschen gerieten und stürzten. 300 Personen wurden verletzt. Bei einer Panik hätte es auch schlimmer enden können.
Nach dem Spiel schossen begeisterte Fans Knallraketen in den Himmel. Wohl weniger aus Freude über den (unbedeutenden) Sieg. Vielmehr kehrte mit diesem Spiel ein Stück Normalität zurück.
Das Wunder vom FCB
Der Fussball wurde im Nachkriegsdeutschland zum «Opium fürs Volk», schrieb das Magazin «11Freunde» am 23. November 2010. Die Begegnung gegen die Schweiz gilt gemeinhin als Basis für die «Auferstehung des deutschen Fussballs».
Ohne die Städtespiele von 1948 wäre der DFB 1950 nicht wieder in den Kreis der FIFA aufgenommen worden. Und ohne Länderspiel vom 20. November 1950 wäre das Wunder von Bern vier Jahre später nicht möglich geworden. Der FC Basel darf sich deshalb auf die Fahne schreiben, Deutschland zum Weltmeistertitel von 1954 verholfen zu haben.