Frauen an den Ball!
Basel sieht sich als Hauptaustragungsort der Frauenfussball-EM – und will mit Rahmenprogramm und Public Value erneut unter Beweis stellen, dass man Host-City-tauglich ist. Das erwartet uns zur Women’s Euro.
Die Bilder vom ESC – von der Eröffnungszeremonie, den Public Viewings und dem Feuerwerk über dem Joggeli – sind noch sehr präsent. Während die Stadt sich von diesem Trubel erholt, steht die Planung für den nächsten Grossevent nicht still. Mittlerweile ist es nur noch ein Monat, bis die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz und damit auch in Basel stattfindet.
Der Trubel ist auch hier programmiert: Die Grössenordnung für die Women’s Euro ist vergleichbar mit dem ESC. Insgesamt rechnet der Kanton Basel-Stadt mit einer halben Million Besucher*innen – allerdings nicht volle Wucht während einer einzigen Woche wie beim ESC, sondern nur an den jeweiligen Spieltagen. Die EM findet in acht Städten statt, die sich die Aufmerksamkeit teilen. «Aber mit dem Eröffnungs- und dem Finalspiel sind wir der Hauptaustragungsort», sagt Sabine Horvath. Die langjährige Chefin des Basler Standortmarketings hat für den Kanton die Projektleitung in Sachen Women’s Euro übernommen. Denn wie auch beim ESC – der ja von Superlativen wie dem «grössten ESC-Public-Viewing» und der «grössten Ü60-Party» geprägt war – will Basel auch bei der Women’s Euro overachieven. Immer wieder ist bei der Pressekonferenz im Stadtcasino von einem «Sommerfest» die Rede.
«Wir gehen von einem friedlichen Event aus.»Stephanie Eymann, Sicherheitsdirektorin
Die Fussball-EM soll nämlich nicht nur im Raum St. Jakob stattfinden, sondern in der ganzen Stadt erlebbar sein. Dafür werden wieder Hotspots wie beim ESC geschaffen: Zusätzlich zum Event-Ort Joggeli wird es bei der Messe sowie beim Barfi jeweils eine Fan-Zone geben. Das Angebot dort reicht von einem fast ausschliesslich weiblichen Konzert-Line-up über thematische Filme im Open-Air-Kino hin zu einem «polysportiven Programm» – Spielplätze mit verschiedenen Ballsportarten, Parcours, Trainings sowie Wasserpark und Riesenrutsche.
Diese Fan-Zonen werden mit den gleichen «Terrorsperren» (Fachwort: Fahrzeugrückhaltesysteme) gesichert, die auch beim ESC zum Einsatz kamen. Basels Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann erklärt, dass von Veranstaltungen dieser Grössenordnung immer eine erhöhte Gefährdung ausgeht. «Aber wir gehen von einem friedlichen Event aus.»
Gewalttätigen Ausschreitungen von Hooligans erwarte man bei der Frauen-EM keine (die Lageeinschätzung werde aber laufend angepasst). Im Frauenfussball wird das Publikum eher als ein familiäres beschrieben: Zum Beispiel fänden die Fanmärsche zum Teil sogar mit gemeinsam feiernden Fans beider Mannschaften statt, so Eymann.
«Wir wollen, dass mehr Frauen kicken, trainieren und pfeifen.»Mustafa Atici, Sportdirektor
Jene teils von Bussen, DJ-Wägen oder Jean Tinguelys rollender Skulptur «Klamauk» begleiteten Fanmärsche vom Zentrum ins Stadion wird es (samt Verkehrseinschränkungen) vor jedem Spiel geben. Vor allem die «orange Invasion» der holländischen Fans von 2008 hat die Stadt noch in bester Erinnerung. Niederländische Fans werden auch bei der Frauen-EM wieder vertreten sein – die Verantwortlichen haben jetzt schon mit den Fanorganisationen Kontakt und rechnen mit 4000 Holländer*innen.
«Die beste und grösste Women’s Euro jemals» ist das erklärte Ziel von Turnierleiterin Doris Keller. Schon einen Monat im Vorfeld wurden mehr Tickets für die Spiele verkauft als zum letzten EM-Turnierstart vor drei Jahren in England. Erstmals erhoffe man sich ausverkaufte Stadien.
Auch sonst kommt man in Basel derzeit nicht um Weltrekord-Versuche herum: Am 21. Juni soll auf dem Rankhof das «grösste Frauen-Fussball-Match der Welt» stattfinden. Das Ziel sind 130 Spielerinnen pro Team, zehn Bälle und zehn Goals auf einem acht Fussballfelder grossen Platz.
Bis 2027 soll die Anzahl lizenzierter Spielerinnen verdoppelt werden. Dazu werden verschiedene Massnahmen in Basel ergriffen: Fussball wird im Schulsport in Form von Parcours neu ausgelegt, Frauensport-Projekte werden finanziell gefördert, die Infrastruktur soll verbessert werden – und jetzt während der EM finden unterschiedliche Events statt. Reicht das?
Der sogenannte «RekordKick» ist eines jener Vorhaben, die man in ESC-Zeiten noch «Public Value» genannt hätte: Projekte, die im Rahmen eines Grossanlasses entstehen, aber einen grösseren gesellschaftlichen Nutzen haben sollen. Dazu gehört auch die am 21. und 22. Juni stattfindende Frauen-Strassenfussball-EM, bei der der Verein Surprise Menschen mit Armutserfahrung sportlich einbindet.
«Wir wollen, dass mehr Frauen kicken, trainieren und pfeifen», sagt Basels Sportdirektor Mustafa Atici. Die Zahl lizenzierter Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen soll verdoppelt werden. Mit dem mobilen Soccer Court, der seit einem Jahr auf dem Messeplatz steht, soll zum Beispiel der Zugang zu Fussball niederschwelliger werden.
Dafür wird auch Geld in die Hand genommen: Die genannten Projekte werden vom Basler Sportamt finanziert. Beim Swisslos-Sportfonds können Projekte zur Förderung von Frauensport finanzielle Unterstützung beantragen. Die erhoffte Steigerung der Nachfrage bedeutet auch, dass der drängenden Frage nach genügend Sportplätzen begegnet werden muss – und dort ist ja bekanntlich heute schon Dichtestress. Laut bz hat vergangenes Jahr ein «Infrastruktur-Workshop» stattgefunden. Massnahmen wie neue Trainingspläne, Prioritätensetzung und die Abklärungen zum Bau neuer Kunstrasenplätze sind in Arbeit.
Wie nachhaltig der Kick-it-like-Maddli-Effekt – das Bernhardiner-Maskottchen Maddli ist nach der Schweizer Fussball-Ikone Madeleine Boll benannt, der ersten lizenzierten Fussballerin der Welt – sein wird, sehen wir 2027, wenn deren Effekt evaluiert wird.