Was macht mein Villiger-Velo auf Tutti.ch?

Am Freitag wurde mein Velo gestohlen. Einen Tag später auf Tutti verkauft. Seither bin ich meinem Renner auf den Fersen und eine Community in Aufruhr. Eine Verfolgungsjagd mit Happy End.

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Zugegeben, seit diesem Foto sind einige Kratzer dazugekommen (Bild: Valerie Zeiser)

Ich stehe mit meinen Velolichtern in der Hand vor einem Veloständer. Dort, wo eigentlich mein Velo, angeschlossen an den Veloständer, stehen sollte, ist nichts mehr zu sehen. Ich laufe einmal auf und ab. Mein Villiger-Renner ist nirgends zu finden, nur die Räder meiner Kolleg*innen, stehen noch da.

Auf dem Heimweg bin ich ziemlich frustriert. Das ist das zweite mal innerhalb einenhalb Jahren, das mir das Velo geklaut wird. Und dazu war es mir ziemlich wichtig. Ich mein, das Rad hat schlicht Klasse. Villiger Bundesratsvelo, federleichter 50er-Aluminium-Rahmen, Shimano-Schaltung, 2 x 8 Gänge vom feinsten. Kein Weg zu weit, kein Basler Hügel zu hoch. Das Velo hab ich fast jeden Tag benutzt. Bin lachend durch den strömenden Regen geradelt und habe geschwitzt im Basler Hochsommer. Klar, es war ab und zu etwas kaputt. Aber alles reparierbar. Qualität eben. Und: es war MEIN Vintage-Qualitäts-Rad mit Schweizer Historie und nicht das irgendeiner Diebin oder eines Diebs.

Zuhause angekommen suche ich Foto und Kaufquittung raus und setze die erste Meldung auf Instagram. Viele frustrierte und mitfühlende Reaktionen erreichen mich, aber gesehen hat leider niemand etwas. 

Am nächsten Morgen melde ich das Gefährt als gestohlen und dokumentiere den Fall der Versicherung. Derweil gehe ich schonmal auf Ricardo schauen, ob ich Ersatz finde. Das alte taucht eh nicht mehr auf, denke ich. Auch auf Tutti.ch gehe ich, und staune.

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Nicht einmal 9 Stunden nachdem er*sie es gestohlen hat, hat der*die Dieb*in auch schon inseriert. (Bild: Valerie Zeiser)

Um 6 Uhr morgens am Samstag wurde ein Rennvelo inseriert, zum «top Preis», steht da. Gleiche Marke, gleiche Farbe, gleiche Kratzer. Kein Zweifel, das ist mein Velo. Sogar die Halterung für meine Lichter war noch angebracht. Aber der eigentliche Skandal war der Preis: 230 Franken. Hallo? MEIN Velo ist mindestens 700 Franken wert . 

Ab zur Polizei. Die Beamten konnten allerdings nicht viel machen trotz offensichtlicher Hehlerei. Das Problem: Der Inserent war nur mit einer E-mail Adresse registriert (Ja, auf Tutti geht das!) und die war - wenig überraschend - gefälscht. Der Polizist erklärt mir, worauf ich auch selber sofort hätte kommen müssen. Ich solle mich als Interessentin melden. Gesagt getan. Leider zu spät.

Das Velo wurde bereits verkauft, wie ich weniger später erfahre. Der Frust ist dadurch noch grösser als am Abend, als es gestohlen wurde. Ich fühle mich doppelt beschissen. Mein Velo ist mir durch die Finger gerutscht. Meine letzte Hoffnung ist, dass sich der*die gutgläubige Käufer*in bei mir meldet. Dafür setze ich wieder auf Social Media und teile den Beitrag in verschiedensten Facebook-Gruppen, unter anderem in Gärn gschee - Basel hilft.

Facebook hilft auch Velos finden

Und tatsächlich. Kurz nach dem ich den Post in «Wanted - gestohlene Velos wiederfinden» veröffentlicht habe, bekomme ich  die Nachricht: Ich habe dein Velo gekauft 😦. Ich sprang im Quadrat vor Freude - wirklich! Ich konnte es noch am gleichen Abend bei der Person abholen.

Ich schnapp mir einen Schokohasen für die ehrliche Seele und mache mich auf ins Bachletten um den Villiger wieder abzuholen. Es spricht wirklich alles für den ehrlichen Käufer, dass er sich bei mir gemeldet hat. Statt den angegebenen 230.- hat er für das Velo aber auch nur 110 Franken bezahlt (Skandal!). Als er den Post gesehen hat, hat er sich sofort bei mir gemeldet, mit einem gestohlenen Velo wolle er nicht rumfahren.

Besser als Sherlock Holmes.

Tutti erklärt auf Anfrage, dass sie da nicht viel machen könnten. Begründung: Aus Datenschutzgründen können sie keine Auskunft geben, ausser die Anfrage kommt von den Behörden. 

Mich ärgert die Antwort des Portals. Der gewerbsmässigen Hehlerei ist so Tür und Tor geöffnet. Kein Wunder verschwinden die Velos teilweise schneller als sie fahren. Ob mein*e Velodieb*in jemals gefunden wird, ist also höchst fraglich. Alle Angaben sind jedenfalls bei der Staatsanwaltschaft. Ob die Polizei der Sache nachgeht ist unklar. Ich werde jedenfalls regelmässig nachhaken. 

Nach dieser Episode habe ich mir ein neues Schloss gekauft, das man nicht so einfach knacken kann. Und mein Velo kommt – wenn immer möglich mit rein – denn jetzt bleibt es bei mir!

Valeries Villiger Velo
Ende gut, alles gut.

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