Wenn die Baustelle das Geschäft kaputt macht
Ein Veloladen an der Burgfelderstrasse sammelt für Gerichtskosten, weil der Kanton ihn für die Umsatzeinbussen während der Grossbaustelle nicht entschädigen will. Derweil findet die Idee eines Unterstützungsfonds im Parlament Zuspruch.
Ein grosser Hilferuf hängt am Veloladen gegenüber des Felix Platter Spitals. «HILFE!» und «Es geht um unsere Existenz!», steht da. Drinnen legt Geschäftsführer Thomas Ammann ein fünfseitiges Schreiben auf die Ladentheke. Es ist die Ablehnung seiner Entschädigungsforderung. Seit Sommer 2024 wird die Burgfelderstrasse in verschiedenen Etappen umgewälzt – Tramgleisersatz, Fernwärmeverlegung, Sanierung von Kanalisation und Leitungen, Haltestellenumbau. Ammanns Geschäft ist von den Bauarbeiten direkt betroffen. Und weil er überzeugt ist, dass ihm eine Entschädigung zusteht, will er den Fall jetzt weiterziehen. Auf der Ladentheke steht deshalb ein Spendenkässeli für die damit verbundenen Gerichtskosten.
Ammann ist nicht der Einzige, der eine Entschädigung in so einem Fall fordert. Aber er dürfte der Erste sein, der in Basel deshalb vor Gericht ziehen will: Wie Tamara Hunziker, Leiterin Politik beim Gewerbeverband, gegenüber Bajour erklärt, würden sie regelmässig Anfragen zu Entschädigungsbegehren erhalten, «da die hohe Dichte und Dauer für viele KMU eine existenzbedrohende Herausforderung darstellen». Bislang seien ihnen aber noch keine anderen konkreten Fälle gemeldet worden, in denen ein gerichtliches Vorgehen in Betracht gezogen wurde.
Ammann macht insbesondere die erschwerte Zufahrt zu seinem Laden Mühe: Zum Teil waren umliegende Strassen gesperrt und zu Fuss musste man sich durch die Baustelle schlängeln. Die Signalisation wechselt immer wieder, was zusätzlich für Verwirrung sorge. Auch am Vormittag des Besuchs dieser Redaktion ist eine Kundin im Laden, die sich sogleich ins Gespräch einschaltet und Ammanns Eindruck bestätigt. «Wenn ich mit dem Auto gekommen wäre, wüsste ich nicht, wo ich durchfahren darf», sagt sie.
Über 25 Prozent Umsatzeinbussen hat Ammann gegenüber dem Kanton geltend gemacht. Im Schreiben des Kantons – unterzeichnet von Vertretern des Tiefbauamts, der BVB und den IWB – wird detailliert beschrieben, über welche Strassen in welchen Bauphasen das Geschäft von Ammann über zumutbare Umleitungen erreichbar gewesen sei. Auch hält das Schreiben, das Bajour vorliegt, fest, dass Ammann nicht belege, dass die Baustelle seinen Umsatzrückgang verursacht habe.
Dass Baustellen für ansässige Betriebe zu Umsatzeinbussen führen, ist nichts Neues. Auch an der Burgfelderstrasse haben bereits verschiedene Betriebe öffentlich ihrem Ärger Luft gemacht. Doch wie das BVD auf Anfrage bestätigt, hat bis anhin weder an der Burgfelderstrasse noch sonstwo ein Geschäft eine Entschädigung erhalten. In wie vielen Fällen dies konkret angefragt wurde, sagt das BVD nicht: Eine Statistik zur Zahl der Gesuche werde nicht geführt.
Amman geht jedenfalls mit seinem Plan, vor Gericht zu ziehen, einen Schritt weiter. «Ich habe mit vielen Betroffenen geredet und gemerkt: Keiner traut sich, etwas zu machen», sagt er und verschränkt die Arme. Alleine das Merkblatt sei kompliziert und schrecke viele ab. Vom Rechtsweg ganz zu schweigen.
Derweil kommt auch auf politischer Ebene Bewegung in die Sache: LDP-Grossrat Alex Ebi findet, die Hürden für Entschädigungen seien zu hoch. Bereits 2022 hat er via Vorstoss den Regierungsrat gefragt, ob die gesetzliche Grundlage so verändert werden könnte, damit von Baustellen betroffene Kleinunternehmen mehr Unterstützung von der öffentlichen Hand bekommen. Vergeblich.
Jetzt versucht er es mit einem neuen Vorstoss, der einen Unterstützungsfonds für wegen Baustellen in Not geratene Betriebe fordert. Im Grossen Rat fand dieses Anliegen Zuspruch – über 40 Grossrät*innen aus allen Fraktionen hatten die Motion unterzeichnet, die am Mittwoch mit einer Gegenstimme überwiesen wurde. Der Regierungsrat wird sich nun zum Anliegen äussern müssen, bevor das Parlament ihm einen verbindlichen Auftrag geben kann. Falls es dies tut, wird es allerdings noch Jahre dauern, bis Betroffene von einem solchen Unterstützungsfonds profitieren können.
Ammann versucht es nun auf anderem Weg. Er rechnet mit etwa 10’000 Franken Gerichtskosten. Zusätzlich muss er eine*n Anwält*in zahlen. Wie viel ihn das kosten würde, klärt er gerade ab. Aus dem Quartier und seiner Kundschaft kommt jedenfalls bereits Unterstützung, die ihn ermutigt: In knapp drei Wochen seien im Kässeli etwa 600 Franken an Spenden zusammengekommen. Ein Kunde hat zudem einen Spendenaufruf designt, den er in den Briefkästen im Quartier einwerfen will. «Ich bin gespannt, ob ich es schaffe», sagt Ammann.
Die Situation sei für ihn existenzbedrohend. Und er ist überzeugt, dass die Baustelle der Auslöser dafür ist: Seit gut zwei Wochen seien gewisse Baustellenabschrankungen weg und er stelle jetzt schon fest, dass wieder mehr Kundschaft komme. Über Wasser halten wird ihn das aber nicht: «Es ist noch nicht einmal Winter und meine Reserven sind fast ganz aufgebraucht», hält er fest.
Normalerweise könne er mit dem Geschäft im Sommer den Winter finanzieren. Bereits im Sommer sagte er gegenüber Telebasel, dass er damit rechne, seinen Mechaniker entlassen zu müssen. Die Kündigung sei schon geschrieben, der Mitarbeiter vorgewarnt. «Wenn nicht ein guter Freund mir ein Darlehen gegeben hätte, hätte ich das jetzt auf Ende Dezember durchziehen müssen», sagt Ammann. Zumindest den Winter würde er jetzt überstehen, inklusive Beschäftigung seines Mechanikers. «Aber so geht es einfach nicht weiter», sagt er.