Falschinformationen im Abstimmungsbüchlein
Das Abstimmungsbüchlein soll sachlich, ausgewogen und neutral sein. Das Referendumskomitee in der Muttenzer Windradabstimmung schreibt in seiner offiziellen Stellungnahme aber von Abstandsregeln für Windräder, die es gar nicht gibt. Dürfen die das?
Weder in der Schweiz noch im Kanton Baselland gibt es Abstandsregeln, die festlegen, wie weit Windkraftanlagen von Siedlungsgebieten entfernt sein müssen. Trotzdem steht im Abstimmungsbüchlein zum Windrad im Hardwald, über das am 18. Juni in Muttenz abgestimmt wird: «Der Mindestabstand von 700 Metern zum Siedlungsgebiet (...), wie dies der Regierungsrat des Kantons Baselland kommuniziert hatte, wird mit lediglich 500 Metern nicht eingehalten.»
So schreibt es zumindest das aus FDP- und SVP-Vertreter*innen bestehende Referendumskomitee in seiner Stellungnahme zur Zonenänderung, mit welcher der Bau des Windrads ermöglicht werden soll. Doch diese Information ist falsch – trotzdem steht sie im Abstimmungsbüchlein, das bekanntlich neutral, sachlich und ausgewogen sein soll. Dürfen dort Falschinformationen publiziert werden?
Wir fragen beim Muttenzer Rathaus nach, das für das Abstimmungsbüchlein verantwortlich ist. Dort meldet Gemeindeverwalter Aldo Grünblatt, dass genau diese Abklärung getroffen wurde. «Uns wurde von der Landeskanzleimitgeteilt, dass die textlichen Freiheiten des Referendumskomitees hoch angesiedelt sind und dass die Stellungnahme eigentlich unverändert übernommen werden muss», erklärt er.
Grünblatt verweist auf das Abstimmungsbüchlein des Bundes zum Klimaschutzgesetz: «Auch darin finden sich Falschaussagen der Gegner, wie z.B. dass bei einer Annahme des Gesetzes Flugreisen und Fleischkonsum verboten werden könnten.»
Bei offensichtlichen Falschinformationen, wie auch im Fall der Abstandsregeln, könne man entweder das Gespräch mit dem Referendumskomitee suchen und so probieren, eine Änderung des Texts zu erwirken. Oder aber der Gemeinderat geht in seinen Ausführungen im Abstimmungsbüchlein auf strittige Themen ein – so wurde es auch im vorliegenden Fall gelöst.
So schreibt der Gemeinderat in seiner Stellungnahme, die im Büchlein nach dem Argumentarium des Referendumskomitees aufgeführt wird:
«Weder im Kanton Baselland, noch in der Schweiz bestehen Abstandsvorschriften für Windenergieanlagen. Vielmehr werden die einzelnen Projekte wie vorliegend anhand konkreter, detaillierter Fragestellungen geprüft.»
Im Juni 2021 lehnte die Gemeindeversammlung in Muttenz mit 118 zu 96 Stimmen das Windrad ab. Einige Schüler*innen des örtlichen Gymnasiums konnten die Ablehnung nicht fassen und starteten deshalb eine Petition, die das Projekt wieder aufnehmen sollte. 188 Schüler*innen unterschrieben. Umut Gökbas kam dadurch in Kontakt mit glp-Politiker Marc Herb – und der warb Gökbas direkt für seine Partei an. Die glp reichte schliesslich mit Verweis auf die Schüler*innen-Petition gemeinsam mit Grünen, SP und EVP einen Antrag zur Wiederaufnahme des Projekts ein, was zur erneuten Abstimmung im Dezmber 2022 führte. Dort wurde mit 189 zu 97 Stimmen für eine Wiederaufnahme votiert.
Doch woher kommt die Angabe mit den 700 Metern überhaupt? Eine Google-Suche reicht, um den Ursprung zu finden. Denn im Rahmen einer Diskussion im Landrat rund um ein Postulat von SVP-Landrat Andi Trüssel wurde 2017 fälschlicherweise behauptet, dass es laut Kantonalem Richtplan einen Mindestabstand von 700 Metern im Baselbiet gebe. Nur: Im Richtplan steht davon nichts.
Das wurde damals nicht nur von Medien so übernommen, auch der Regierungsrat bezog sich in seiner Antwort im Landrat fälschlicherweise auf die von Trüssel erwähnte Angabe von 700 Metern. Die Gegner*innen des Muttenzer Windrads legen das nun so dar, als hätte der Regierungsrat in diesem Zusammenhang offizielle Abstandsregeln kommuniziert.
Die Abstimmung zum Muttenzer Windrad geht einer jahrelangen intensiven Diskussion voraus. Eigentlich war das Projekt nach einer Gemeindeversammlung bereits beerdigt. Nach einer Petition von Schüler*innen des örtlichen Gymnasiums kam es bei einer Gemeindeversammlung zur Wiederaufnahme des Projekts (Bajour berichtete). Die Gegner*innen sammelten innert kürzester Zeit genügend Unterschriften für eine Volksabstimmung.
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