Wo bleibt die Wärmewende?
Ukraine-Krieg, Gaskrise, hohe Heizkosten – aber die Fördergesuche für klimaneutrales Heizen in Basel steigen trotzdem nur moderat an. Woran liegt das?
Bis 2037 soll in Basel kein Erdgas mehr verheizt werden – der Gasversorgungsauftrag der IWB wurde entsprechend dem Klimaneutralitätsziel des Kantons jüngst angepasst. Ein Grossteil der Stadt soll bis dahin an das Fernwärmenetz angebunden werden.
Aber eben nicht der gesamte Kanton: Zum Beispiel auf dem Bruderholz, im Neubad, in Bettingen und Teilen von Riehen soll es gemäss der interaktiven Wärmekarte der IWB keine Fernwärme geben. Wer nicht an das Netz angeschlossen wird, ist also auf Alternativen angewiesen, denn der Gashahn wird ja zugedreht.
Eine Option ist der Einbau von Wärmepumpen zur Nutzung der Erdwärme. Liegenschaftsbesitzer*innen können für den Einbau dieser Pumpen ein Fördergesuch beim Kanton stellen. Auch für andere Massnahmen zum energetischen Sanieren, wie beispielsweise Wärmedämmung, kann man einen Zuschuss beim Kanton beantragen.
Diese Fördermöglichkeiten wurden 2022 auch genutzt: Vergangenes Jahr genehmigte der Kanton 1444 Förderbeiträge für klimaneutrales Heizen. Das ist ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (1306). Und während zwar Fördergesuche für Wärmepumpen laut Medienmitteilung um 217 Prozent gestiegen sind, bleibt zu bedenken: Das Niveau ist trotz Wachstum verhältnismässig niedrig.
Und das obwohl in 15 Jahren der Gashahn abgedreht wird und das Thema Gas 2022 in aller Munde war. Die Abhängigkeit von russischem Gas wurde seit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine europaweit hinterfragt. Entsprechend stiegen die Preise – bei den IWB haben sie sich seit Sommer 2021 verdoppelt.
Warum wird trotzdem noch verhältnismässig wenig in nachhaltige Alternativen investiert?
Die Frage geht an Semseddin Yilmaz, Heizungsinstallateur und für die SP Mitglied der Energiekommission (UVEK) im Grossen Rat. Er erklärt, dass die Entwicklungen auf dem Markt eben nicht die einzigen Faktoren seien, die für die Anschaffung einer Wärmepumpe relevant seien. Die örtlichen Anforderungen der Häuser zum Beispiel seien so unterschiedlich, man könne nicht einfach überall die gleiche Wärmepumpe einbauen. «Man kann ja auch nicht für jede Körpergrösse denselben Anzug schneidern.»
Eben weil das Einbauen einer Wärmepumpe in ein bestehendes Gebäude so komplex ist, müssen Liegenschaftsbesitzer*innen gut abklären, inwiefern das wirklich infrage kommt. Dafür gibt es den Gebäude-Energie-Ausweis der Kantone (GEAK), eine individuelle Prüfung durch Expert*innen, welche energetische Sanierung für das Gebäude infrage kommt.
Wer ein GEAK erstellen lässt, erhält vom Kanton 500 Franken. Ein Blick in die Grafik zeigt, dass die Förderanfragen für den GEAK vergangenes Jahr im Vergleich zu 2021 sogar leicht gesunken sind. Von Wärmewende also keine Spur?
Beim Amt für Umwelt und Energie (AUE) ist man ganz anderer Meinung. Die Anzahl installierter Wärmepumpen sei stark gestiegen, sagt Amtsleiter Matthias Nabholz – und die Nachfrage steige seit Jahren exponentiell. «Richtig ist, dass ein Heizungsersatz nicht mehr so schnell durchgeführt werden kann, wie vor dem revidierten Energiegesetz, das 2017 in Kraft trat», so Nabholz. Heute müsse ein Heizungsersatz geplant werden und es dauere meist mehrere Monate, bis die neue Heizung dann im Betrieb ist.»
Schon in zwei Jahren soll Teilen von Riehen der Gashahn zugedreht werden. Einige Liegenschaftbesitzer*innen sind verärgert, weil die Frist zum Wechseln erst so kurzfristig mitgeteilt wurde – sie kommen nun in die Bredouille, denn das Heizungsgewerbe ist stark ausgelastet.
Er verweist ausserdem darauf, dass es vergangenes Jahr wegen hoher Nachfrage auf dem Markt zu Lieferengpässen bei den Wärmepumpen kam. Das bestätigt auch der Heizungsinstallateur Murat Kaya. «Teilweise musste man ein halbes Jahr warten, bis geliefert wurde», so der ehemalige FDP-Grossrat. «Direkt nach Kriegsbeginn ist die Nachfrage europaweit gestiegen, dann kam es zu Lieferengpässen.»
Die erhöhte Nachfrage (sowie die Inflation) spiegelt sich auch im Preis: Die Kosten für Wärmepumpen sind stark angestiegen, in einer aktuellen Übersicht in der Sonntagszeitung ist von knapp 20 Prozent die Rede. Gleichermassen bleiben die staatlichen Förderbeiträge für energetisches Sanieren auf gleichem Niveau – für Hausbesitzer*innen ein «Nullsummenspiel», bilanziert die Sonntagszeitung.
Murat Kaya sieht auch diesen Faktor ausschlaggebend dafür, dass die Anfragen nach Wärmepumpen trotz hoher Gaspreise nicht explodieren. «Wenn die Subventionen das nicht ausgleichen, ist der Anreiz gleichwohl kleiner», sagt er.
Ist der Gasausstieg 2037 in diesem Tempo realistisch?
Doch genau diesen Anreiz muss es geben, wenn ab 2037 wirklich nicht mehr mit Erdgas geheizt werden soll. Heizungsinstallateur Semseddin Yilmaz von der SP hält das Ziel dennoch für realistisch, wenn auch «sportlich». «Man kann natürlich nicht bis 2036 warten, um sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Heizsystem wechseln kann», sagt er.
Yilmaz sieht den Ball jetzt im Feld der Liegenschaftsbesitzer*innen, sich rechtzeitig zu informieren – und auch bei den IWB, diese Information zur Verfügung zu stellen. Also kein Vorgehen wie in Riehen, wo die IWB erst jüngst informiert haben, dass sie bereits in zwei Jahren den Gashahn zudrehen wollen.
Murat Kaya ist weniger optimistisch, er sieht 2037 als unrealistisch an. «Es werden ja noch immer neue Gasheizungen installiert – und die sollten dann 15 bis 20 Jahre laufen», sagt er. Der Anreiz, trotzdem jetzt schon umzusteigen, müsste höher sein, findet der FDP-Heizungsinstallateur. Und auch eine Schonfrist von 5 Jahren sei angebracht, findet Kaya.
In einer früheren Version des Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass es tatsächlich eine gesetzliche Schonfrist für die Kund*innen ausserhalb des Fernwärmenetzes geben soll. Das stimmt nicht, eine Ausnahmeklausel zur Weiterversorgung mit Gas gilt nur für Gebiete, welche an das Fernwärmenetz angeschlossen werden sollen, in denen das aber nicht rechtzeitig bis 2037 möglich ist. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
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