Zehn Tage Babyterror

Wie es ist, mit zwei Babys in Isolation zu sitzen. Eine Aufzeichnung.

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So gesehen eigentlich ganz herzig (zVg).

Linda* (Name geändert) meldete sich per Mail auf unser Q&A zu Kindern und Corona: Sie habe eine Isolation erlebt, positiv getestet mit zwei Babys. Wir wollten wissen: Wie zur Hölle schafft jemand dreizehn Tage Isolation mit zwei zehnmonatigen Kindern? Linda* gab Auskunft, unter der Bedingung, dass wir sie anonymisieren.

Anfang Oktober hatte mein Freund plötzlich Symptome, so ähnlich wie bei einer Erkältung. Seine Mutter macht gerade eine Chemotherapie, er wollte also umgehend Gewissheit und liess sich testen. Nach dem Test kam lange keine SMS, ich wusste, was das bedeutet: Sie schicken eine SMS, wenn du negativ bist. Bei einem positiven Befund rufen sie an.

Kurze Zeit später kam der Anruf. Man fragte meinen Freund, wie er die Isolation bewerkstelligen wollte. Wir haben Zwillinge, zehn Monate alt, und leben in zwei Wohnungen. Eine Möglichkeit, sagte man ihm, sei, sich in einer Wohnung zu isolieren. Aber alleine mit zwei Babys zurück bleiben, während mein Freund mit einem unberechenbaren Virus in der anderen Wohnung hockt? Das wollte ich nicht. Also zogen wir vorübergehend in eine Wohnung. Nach zwei Tagen bekam auch ich Symptome und liess mich testen. Das Resultat erstaunte mich nicht, schliesslich sind wir eine Familie: positiv.

Babys lässt man grundsätzlich nicht testen, die Kinderärztin blieb ebenfalls entspannt. Eines hatte kurz einen Tag lang Fieber, das ging aber wieder vorbei. War vielleicht auch das Zahnen, wer weiss. Ich machte mir schon Sorgen um die Kleinen, aber man sagte uns, Kinder seien in der Regel symptomlos.

«Ich war schockiert, aber was will man machen? Sind schliesslich Anweisungen.»
Linda* über das Verbot für die Babys hinaus zu gehen.

Ich fragte damals noch, ob die Babys trotzdem rausdürften. Zum Spazieren etwa, mit meinem gesunden Bruder. Nein, sagte man uns, das gehe nicht. Ich war schon etwas schockiert, aber was will man machen? Sind schliesslich Anweisungen. Der Angestellte beim Gesundheitsdepartement, mit dem ich damals redete, gab auch zu, dass man dringend an einer Lösung arbeiten müsse. Ob sie das jetzt wirklich tun, weiss ich aber nicht. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall.

Die erste Woche verlief den Umständen entsprechend supergut. Ich nahm's pragmatisch, badete die Kinder halt, statt mit ihnen spazieren zu gehen. Wir haben zum Glück einen Balkon und Sitzplatz, das hat auch geholfen. Und als hätten die Kinder gespürt, dass wir nicht fit sind, waren sie super drauf und schliefen so gut wie noch nie.

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Fragen und Antworten zu Kindern und Corona

Muss ich mein Kind testen lassen? Wer bezahlt das? Darf ich trotz Quarantäne spazieren gehen? Eltern beschäftigen wegen Corona viele Fragen. Wir haben die Antworten. Der Artikel wird laufend aktualisiert.

In der ersten Woche war das unser Glück. Obwohl Corona bei mir eigentlich verhältnismässig sanft ablief. Es fühlte sich an wie eine Grippe. Starke Gliederschmerzen, so, dass ich Schmerzmittel nehmen musste. In der Nacht Schüttelfrost, aber ohne Fieber. Nach drei bis vier Tagen waren die stärksten Symptome vorbei.

Meinen Freund traf es schlimmer. Er hatte Magenprobleme, konnte weder essen noch trinken. Bekam jedes Mal einen Würgereflex, wenn er etwas zu sich nehmen wollte. Einmal ging er deswegen auf den Notfall, aber dort konnten sie nichts Aussergewöhnliches feststellen. Er hat eine rheumatologische Autoimmunerkrankung und verträgt viele Medikamente schlecht. Seine Ärztin sagte später, da sei wohl alles einfach zusammengekommen. Das machte mir schon Angst.

Schlimm war auch das Schuldgefühl. Als ich eine Freundin von mir, die ich kurz davor getroffen hatte, über das Testergebnis informierte, bekam sie Panik. Ihr Schwiegervater war kürzlich verstorben und sie hätte als positiv Getestete nicht an die Beerdigung gehen dürfen. Zum Glück blieb sie aber ungefährdet und gesund. Ich hätte mir das nie verziehen.

«Ich wollte einfach mal zwei Stunden in Ruhe liegen und mich erholen!»
Linda* war in Isolation mit zwei Babys

In der zweiten Woche schienen die Babys allerdings genug zu haben. Es machten sich die Horrorszenarien bemerkbar, von denen man überall hört: stundenlanges Schreien in der Nacht, Ungeduld am Tag. Dabei wollte ich doch einfach mal zwei Stunden in Ruhe liegen und mich erholen! Mein Freund hatte zeitweise schlimme Schmerzen und konnte mir nicht immer helfen. Und ich musste als Selbständige weiter arbeiten. Das war schon hart. Teilweise rastete ich aus, weil ich nicht mehr konnte. Die vom Gesundheitsdepartement meldeten sich jeden Tag, um sich zu erkundigen, wie es uns geht. Das ist zwar nett, aber wir hatten nie unsere Ruhe.

Einmal war ich kurz davor, um drei Uhr morgens mit den schreienden Babys spazieren zu gehen. Ich meine: Was soll das alles? Wie man zum Test geht, interessiert ja auch keinen.

Ich liess es dann doch sein. Klar, es war übel, niemand ist gerne eingesperrt. Erst recht nicht, wenn man krank ist und vielleicht gerne mal mit seinem Partner in Ruhe kuscheln möchte, statt schreiende Babys zu beruhigen.

«Ich hätte mir gewünscht, dass man verständnisvoller mit uns umgeht.»
Linda*, Corona-Patientin in der Heim-Isolation

Nach zehn Tagen konnte mein Freund wieder raus, ich musste noch drei Tage länger isoliert bleiben. Ich bin nicht eine, die sagt: Juhu, ich bin jetzt für eine Zeit immun. Ich pass genau so auf wie vor unserer Erkrankung, aber ich will dem Virus auch nicht die Macht über mich geben. Sich bewusst sein, was passieren kann, dabei aber am Boden bleiben. Das ist meine Devise.

Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, dass man verständnisvoller mit uns umgeht. Dass man sagt, hören Sie, wenn die Babys um drei Uhr morgens schreien und Sie verzweifelt sind, dann drehen Sie um Himmels Willen draussen eine Runde mit den Kleinen. So viel Menschlichkeit müsste sein, finde ich. Trotz Massnahmen.

* Name geändert

**Wir haben Anne Tschudin vom kantonalen Gesundheitsdepartement gefragt, wie sie die BAG-Anweisung («Je nach Alter des Kindes müssen die Massnahmen zur Isolation in einem Raum und das Tragen einer Maske individuell angepasst werden.») auslegen und sie antwortete wie folgt:

«Bei positiv Getesteten jeden Alters sind keine Frischluftgänge in der Öffentlichkeit vorgesehen. Einen Aufenthalt im eigenen Garten oder auf dem Balkon erlaubt unser Contact-Tracing-Team.»

Ihre Kolleg*innen vom Contact-Tracing-Team seien jedoch der Ansicht, dass eine Anpassung dieser Haltung zu überlegen ist. Bisher habe das Contact-Tracing-Team Basel diese Empfehlung mitgetragen, damit zwischen den Kantonen nicht zu grosse Differenzen entstehen. Sie melde sich, wenn sie mehr wisse, in der Zwischenzeit bitte sie um Geduld.

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Bei Bajour als: Ideenschleuder, Gaspedal, Podcasterin

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Davor: Kulturredakteurin bei Tageswoche, bz, SRF Kultur

Kann: Zuhören

Kann nicht: Witwen schütteln

Liebt an Basel: Die Gipfeli im Damatti, der Schnaps im goldenen Fass, die Seerosen im Beyeler.

Vermisst in Basel: Einen anständigen Glacéladen. Nein, auch das Acero reicht meinem verwöhnten Berner Gaumen nicht. (Gelateria, zu Hilf!)

Interessensbindungen: Reporterforum (Vereinsmitglied), Medienfrauen Schweiz, Podcastlab Schweiz (Gründermitglied)

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