Dieser Basler reiste in alle Länder der Welt

Wer bis zu seinem 40. Geburtstag alle Länder der Welt gesehen haben will, braucht viel Planung und viel Disziplin. Dem Basler Nicolai Petek ist es gelungen – obwohl er stets Vollzeit in der Finanzbranche gearbeitet hat.

Nicolai Petek in Südsudan
Nicolai Petek im Südsudan. (Bild: zvg)

Reisen erweitert den Horizont, heisst es immer. Wie weit muss der Horizont dann erst sein, wenn man auf der ganzen Welt unterwegs war? Nach 197 Ländern auf seiner Bucket List und zehn Jahren intensiven Reisens sagt Nicolai Petek: «Ich glaube nicht, dass mich das zu einem anderen Menschen gemacht hat.» 

Es seien vielmehr einzelne Charaktereigenschaften, präzisiert er bei Cappuccino und Parisienne in einem Café im Gundeli, die sich verändert hätten. Die erwähnt er auch in einem LinkedIn-Post, weil man dort ja mit Selbsterkenntnis überzeugen muss: Bescheidener sei er zum Beispiel: «In vielen Ländern sieht man Armut und Elend – das lässt viele der eigenen Probleme wie First-World-Problems erscheinen.» 

Und auch als geduldiger würde er sich einschätzen – auch wenn einige Bekannte ihm wohl widersprechen, wie er schnell hinzufügt. «Aber wenn sich eine 3-Stunden-Route in Westafrika auf Google Maps vor Ort als 19-Stunden-Reise rausstellt, dann bringt es einen eben nicht schneller voran, wenn man sich ärgert.» Geduldiger ist er heute sicher als mit 30, als er den Plan fasste, bis zu seinem 40. Geburtstag alle Länder der Welt gesehen zu haben.

Peteks Reisesucht hat bereits ein paar Jahre vorher angefangen, als er seinen Job kündigte und Südostasien besuchte. Mit 30 hatte er dann rund 30 Länder bereist – kein schlechter «Country count». «Also habe ich einfach mal gesagt, ich mach alle Länder – niemand hat mir geglaubt, dass das möglich ist. Das war natürlich ein riesiger Ansporn. Ich dachte: ‹Euch zeig ich’s!›»

Er stellte sich einige Regeln für das Projekt auf: Schliesslich wollte er nicht einfach nur die Flughafen der Welt abklappern – «ich setzte mir als Ziel, dass ich in jedem Land mindestens etwas gemacht oder gesehen haben muss, also etwas Kulturelles oder eine typische Landschaft». Die eiserne Regel dabei: nur Handgepäck, «das erwarte ich auch von allen, die mich begleiten. Ich verschwende keine Zeit an der Gepäckausgabe».  

Eine Mindestdauer pro Lang lehnte er aber ab: «Wenn man sagt, man muss mindestens einen Tag an einem Ort bleiben, damit es zählt, wird es beispielsweise im Vatikan schwierig – da kann man gar keinen ganzen Tag verbringen und es hat keine Hotels.» Dennoch hat Petek im Schnitt sechs Tage in jedem Land verbracht, wie er sagt.

Nicolai Petek Nordkorea
Nordkorea gilt als eines der Länder, in denen es besonders schwierig ist, als Tourist*in reinzukommen. (Bild: zvg)

Am Anfang motivierte ihn auch die Vorstellung, dass er etwas macht, das noch nie jemand sonst gemacht hat. Damals wusste er nicht, dass es für solche «Nationenjäger*innen» eine richtige Community gibt. Auf der Website Nomadmania vernetzen und messen sie sich – und so merkte Petek, dass er nicht der einzige mit diesem Ziel ist. Die Website verifiziert, ob ein*e User*in wirklich all die behaupteten Länder besucht hat – mit Nachweisen von 40 randomisierten Ländern, dass man wirklich dort war (beispielsweise mit Passstempeln oder Quittungen von Bankomaten).

Rund 450 Menschen gibt es laut Nomadmania, die in allen Ländern (193 UN-Länder, Petek hat für seine Challenge noch Vatikan, Palästina, Kosovo und Taiwan dazugenommen) waren – basierend auf den verifizierten User*innen auf der Plattform plus Schätzungen von Reisenden, die das Ganze nicht online dokumentieren. «Ich bin nicht der erste Schweizer, dem die Reise in alle Länder gelang – aber der jüngste», sagt er. 

Im Gespräch mit Petek merkt man schnell, dass seine Welt auch eine von Statistiken und Zahlen ist. Zentral für seine Reise war beispielsweise eine grosse Excel-Datei, in der er die offenen Länder zum Beispiel nach Priorität und Notwendigkeit eines Visums anordnete. Auf dieser Basis konnte er dann «Clustern», also mehrere Länder aufgrund geografischer Nähe und guter Flugverbindungen so gruppieren, dass sie sich jeweils in einem Trip abhaken liessen.

Wer sich so gut mit Statistiken und Zahlen auskennt, ist in der Finanzbranche gut aufgehoben. Und dort hat Petek Karriere gemacht – aktuell hat er eine Führungsposition bei einer Bank. Während seiner Reisen war er stets vollzeitbeschäftigt, nichts mit Sabbaticals oder Workation. Und er hat nie woanders als in Basel gelebt. Er optimierte einfach seine Urlaubsplanung, plante jeweils um Feiertage herum.

Die Finanzkarriere erlaubt es Petek, sein teures Hobby zu finanzieren (er rechnet damit, dass ihn das Reisen grob 250’000 bis 300‘000 Franken kostete – «davon hätte ich mir auch eine Eigentumswohnung finanzieren können, aber so finde ich das Geld für mich besser investiert.»). Hier im Café im Gundeli sitzt eben auch kein Backpacker mit Birkenstocks und Man-Bun, der wildcampen oder ein soziales Projekt im südamerikanischen Dschungel aufbauen will – sondern ein akkurat rasierter und frisierter Mann mit schickem Sherlock-Mantel und Hugo-Boss-Schal.

Was nicht heisst, dass er sich nicht mit den nachhaltigen Aspekten des Reisens befasst. Ab 2019 war sein ökologischer Fussabdruck in Gesprächen über Reisen verstärkt ein Thema. «Das hat mir schon auch mehr bewusst gemacht, dass ich auf dem Landweg reisen kann, wenn es eine Alternative mit akzeptabler Reisezeit gibt.» Natürlich sei Fliegen schlecht für die Umwelt – «aber mir haben in der Diskussion um die Flugscham trotzdem die positiven Aspekte gefehlt, die durch das Reisen möglich sind». So hätten dank Tourismus viele Länder und damit auch Teile der Bevölkerung die Armut überwinden können.

Nicolai Petek Ukraine
Die Sophienkathedrale in Kyjiv, der Hauptstadt der Ukraine. (Bild: zvg)

Und wer beispielsweise abgelegene pazifische Inselstaaten wie Nauru besuchen will, der kommt eben auch nur mit den Flugzeug dort hin (was übrigens auch gar nicht so günstig ist). Für solche Reiseabschnitte lassen sich nicht viele Menschen begeistern. Bei rund 30 bis 40 Prozent der Reisen war Petek allein unterwegs. Oftmals hat Petek im Vorfeld eine*n Guide gebucht, um sich einige Sehenswürdigkeiten zeigen zu lassen, oder in den frühen Jahren im Hostel an der Bar Leute kennengelernt, wenn ihm nach sozialen Kontakten war.

Gerade die schwer erreichbaren und kleinen Länder sind es dann, die Weltenbummel-Projekte langatmig werden lassen. Während Petek beispielsweise von riesigen Ländern wie den USA nur drei Staaten, von Russland nur Moskau oder von Kanada nur Toronto und die Niagarafälle gesehen hat – «die Highlights einer kanadischen Landschaft habe ich allerdings auch, wenn ich in die Innerschweiz fahre» –, war er auf zahlreichen Safaris in afrikanischen Kleinstaaten.

«Am schwierigsten wird das Projekt, wenn man schon mehr als die Hälfte der Länder hinter sich hat – und man nicht erwartet, dass man jetzt noch so viel Neues sehen kann», erklärt Petek. «Es gab schon eine Phase, wo ich ein bisschen durchpushen musste. Ich war wirklich auf das Ziel fokussiert.» Seine «Road to 197» war insofern gut geplant, weil er sich bewusst für den Schluss noch Highlights aufbewahrt hat: Island war zum Beispiel diesen Sommer das allerletzte Land auf seiner Liste.

Und jetzt? Was macht man, wenn man mit 40 schon das Lebensziel erreicht hat und die ganze Welt gesehen hat?

Nun, man reist weiter. «Endlich» kann Petek auch wieder in Länder reisen, die er gerne etwas länger besucht hätte. Er hat eine neue Liste von rund 40 Ländern, von denen der erste Eindruck so gut war, dass er gerne nochmal dorthin gehen würde. Im Januar geht es erstmal dahin, wo seine Reisesucht angefangen hat, nach Südostasien. 

Und wer weiss, auch an autonome Territorien hat er schon gedacht: Grönland, die Färöer-Insel, Westsahara. Eins jedenfalls ist für Nicolai Petek klar: Wenn Neukaledonien im Februar 2026 für die Unabhängigkeit von Frankreich stimmt, ein kurdischer Staat international anerkannt wird oder sich die Region Tigray von Äthiopien abspalten will – dann wird er alles daran setzen, um seinen 198. Staat auch noch besuchen zu können.

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Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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