Von Lesungen bis Hackfleisch braten

Das Literaturhaus Basel feiert 25-Jahr-Jubiläum: Grund genug, der Intendantin Katrin Eckert 25 Fragen zum erfolgreichsten Anlass, zum grössten Reinfall oder zum kuriosesten Moment auf der Bühne zu stellen.

Literaturhaus_Cafe_Kafka
Der neue Zugang zum Literaturhaus an der Fasnachtsgasse. (Bild: Kathrin Schulthess Fotografie)

Katrin Eckert, wenn die Geschichte des Literaturhaus ein Roman wäre – welchen Titel hätte er?

«Das Leben ist Begegnung».

Wie viele Lesungen fanden im Literaturhaus bisher statt? Ungefähr 2300.

Welches war der erfolgreichste Anlass? Wahrscheinlich der Abend mit T.C. Boyle im Kunstmuseum.

Was war die mutigste Veranstaltung, die das Literaturhaus gewagt hat? Wir sind immer wieder mutig, wenn wir Autor*innen einladen, die noch nicht bekannt sind, wie letztes Jahr zum Beispiel Tijan Sila, der dann prompt ein paar Wochen später den Bachmannpreis in Klagenfurt gewonnen hat.

Und was war der grösste Reinfall? Das zweite Theaterplatzfest, als wir ein wunderbares Programm hatten, der Weg vom Theater bis zu uns den meisten aber viel zu weit war.

Katrin Eckert
Zur Person

Katrin Eckert ist seit 2008 Intendantin des Literaturhaus Basel und seit 2012 die Geschäftsführerin des Vereins Literatur Basel. Von 2010 bis 2021 leitete sie ausserdem das Internationale Literaturfestival BuchBasel (seit 2020 als Co-Leiterin gemeinsam mit Marion Regenscheit). Sie war vorher unter anderem Programmleiterin und Geschäftsführerin beim Pendo Verlag und für literarische Agenturen in London sowie im Lektorat und im Bereich PR für verschiedene Verlage tätig.

Welches war der kurioseste Moment, der je bei einer Lesung passiert ist? Als ein*e jung*e Autor*in, ich glaube aus Finnland, auf der Bühne Hackfleisch gebraten hat. Den Mehrwert für die Literatur habe ich leider nicht verstanden.

Musste jemals ein*e Autorin wieder ausgeladen werden und wenn ja: warum? Ja, gerade kürzlich Urs Faes, weil ich den Rummel während des ESC rund ums Literaturhaus unterschätzt hatte. Das tat mir sehr leid.

Was war der absurdeste Autor*innen-Wunsch im Backstage-Bereich? Ganz schnell nach Ladenschluss einen Föhn aufzutreiben.

Was hat sich mehr verändert: die Literatur oder das Verhalten des Publikums? Ich würde sagen, beides ist in ständiger Entwicklung.

Hält Begeisterung für Lesungen an oder wird es schwerer, die Leute vom Sofa zu locken? Bekannte Namen ziehen immer. Bei den anderen kommt es sehr aufs Thema und – wie auch früher schon – darauf an, wie stark ein Buch im Gespräch ist.

Publikum Atelier Neue Schweiz 2019
Full House beim «Atelier Neue Schweiz» im Jahr 2019. (Bild: Literaturhaus Basel)

Was ist der Altersdurchschnitt des Publikums bei einer Lesung? Das Alter unsers Publikums variiert zwischen 5 und 95. Im Durchschnitt würde ich sagen 45-50, auch wenn das Publikum an vielen Abenden deutlich jünger ist.

Wie ist das Literaturhaus durch die Pandemie gekommen? Das Literaturhaus ist finanziell und strukturell gut durch die eigentlichen Covid-Jahre gekommen. Für das Team war es sehr belastend.

Leidet es unter «Long Covid»? Nicht mehr, aber bis mindestens 2023 schon. Die Besucher*innenzahlen haben sich im Literaturhaus sehr viel langsamer erholt als am Festival Buch Basel.

Welches war der Moment, in dem Sie dachten: Jetzt verlasse ich das Haus, ändere meinen Namen und arbeite wieder als Lektorin? Den gab es nicht. Es war eher so, dass ich 2012 bei der grossen Finanzkrise fürchtete, dass der Messeteil der Buch Basel das Literaturhaus mit in den Abgrund zieht. Er musste aufgegeben werden, das Internationale Literaturfestival wird aber erfolgreich weitergeführt.

Welche berühmte literarische Figur hätten Sie sich manchmal an Ihrer Seite gewünscht? Ich brauche immer Menschen an meiner Seite. Die literarischen Figuren lasse ich gerne in den Büchern.

Literaturhaus Basel
25 Jahre Literaturhaus Basel

Im April 2000 wurde das Literaturhaus Basel als erstes Literaturhaus der Schweiz gegründet. Die Initiative ging von Basler Autor*innen und der Christoph Merian Stiftung aus, als erste Intendantin fungierte Margrit Manz. Seit 2008 wird das Literaturhaus vom Verein Literatur Basel getragen. Deren Geschäftsführerin und Intendantin des Literaturhauses ist Katrin Eckert. Anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums stellt das Literaturhaus Basel ein vielseitiges Programm auf die Beine, das heute mit einer Geburtstagsfeier (ausverkauft) als Auftakt beginnt. Infos zu allen weiteren Veranstaltungen gibt es hier.

Gab es mal so richtig Streit auf der Bühne? Nicht in meiner Zeit.

Wie lang war die längste Frage aus dem Publikum? Lange Fragen gibt es wenig. Wenn, dann sind es eher Co-Referate, die schon mal fünf Minuten dauern können.

Welche Autor*in ist Stammgast bzw. war am öftesten eingeladen? Ich kann es nicht beschwören, aber ich vermute Martin R. Dean. Er ist seit den Anfängen eigentlich jedes Jahr zu Gast.

Welche Autor*in war noch nie da, obwohl es Ihr Wunsch wäre? Bernadine Evaristo, Percivall Everett, David Grossman und noch einige andere.

Gab es mal eine Veranstaltung, bei der niemand erschienen ist – ausser dem*der Autor*in und Ihnen? Die gab es bei meiner Vorgängerin. Bei mir kam einmal nur eine Person, das war schlimm. Die Besucherin war verständnisvoll und ist wieder gegangen. Ich habe ihr, glaube ich, einen Gutschein für einen Eintritt gegeben und bin mit der Autorin und der Moderatorin essen gegangen.

Literaturhaus Basel Peter Stamm
Peter Stamm las im Mai 2025 aus seinem Kinderbuch. (Bild: Valerie Wendenburg)

Wie oft mussten Sie improvisieren, weil jemand das Manuskript vergessen oder die Bahn gestreikt hat? Einige Male, aber eigentlich haben immer meine Kolleginnen improvisiert und alles immer glänzend gelöst.

Was wünschen Sie sich künftig vom Publikum? Neugierde, Offenheit und Treue.

Was wünschen Sie sich von der Politik? Dass eine Lösung gefunden wird, um auch weiterhin seriöse, fundierte Literaturberichterstattung zu ermöglichen.

Welchen Traum möchten Sie noch realisieren? Alle ukrainischen Autor*innen, die in den letzten Jahren hier waren oder zugeschaltet, zu einem grossen Fest einladen zu können, weil Frieden ist und sie sich gegen die russische Aggression behauptet haben. Bei vielen anderen Konflikten wird das in meiner Amtszeit wohl nicht mehr möglich sein.

Ist die Geschichte des Literaturhauses bald zu Ende geschrieben oder wird es ein Fortsetzungsroman? Es ist ein vielbändiger Fortsetzungsroman.

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Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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