Seitenwechsel zwischen den Jahren
In der letzten Woche des Jahres scheint die Zeit still zu stehen. Die ideale Gelegenheit, auszuspannen und in andere Welten abzutauchen. Inspirieren lassen kannst du dich von den Buchtipps aus der Community, die wir als Reaktion auf das Buchclübli mit Vali erhalten haben.
Psychologischer Krimi voller Sehnsüchte
Philipps Buchtipp ist «Drei» von Dror Mishani. Das Buch steht seit Jahren ganz oben auf seiner Lieblingsbuch-Liste: «Ich lese eigentlich keine Krimis, aber dieser Roman ist eine Ausnahme. Er ist spannend, höchst raffiniert gebaut und ein interessantes Psychogramm der israelischen Gesellschaft», schreibt er. Es geht um drei Kriminalgeschichten, die miteinander verwoben sind. Die Spannung nimmt aufgrund unerwartbarer Wendungen kontinuierlich zu. Nicht die Verbrechen stehen im Mittelpunkt, sondern die Menschen und ihre Sehnsüchte inmitten des israelischen Grossstadtalltags.
Die «Odysee» neu interpretiert
Im Buchclübli mit Vali tauschen wir immer Buchtipps aus. Vera und Johanna haben das Buch «Penelope und die zwölf Mägde» von Margaret Atwood wärmstens empfohlen, auch als Hörbuch. Die spartanische Prinzessin Penelope gilt als Sinnbild der treu liebenden Ehefrau und Mutter, die jahrzehntelang geduldig die Heimkehr des heldenhaften Ehemanns erwartet. So zumindest erzählt es die «Odyssee», aber ist es auch die Geschichte, die Penelope selbst erzählen würde? Nein, findet Margaret Atwood. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, hält ihre Penelope in diesem Buch Rückschau auf ihr Leben, das sich so aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten lässt.
Neu findet das Buchclübli mit Vali in der Buchhandlung Cozy Place am Leonhardsgraben 52 statt. Zum ersten Mal im neuen Jahr treffen wir uns am Donnerstag, 8. Januar, um 19 Uhr. Bei feinem Gebäck und Getränken sprechen wir in gemütlichem Ambiente über das Buch «Die Passantin» von Nina George. Wenn du Lust hast, dabei zu sein, kannst du dich hier anmelden.
Der Protest der Frauen
Leserin Maja empfiehlt das Buch «Und alle so still» von Mareike Fallwickl: An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen reglos und in stillem Protest auf der Strasse. Es stellt sich die Frage: Was wäre, wenn alle Frauen sich verweigern und in einen Care-Streik treten würden? Die Autorin zeichnet den Beginn einer Revolte nach, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System dank dem Einsatz der Frauen fusst. Maja schreibt: «Als Frau und Mutter berühren mich diese Themen sehr. Wir müssen Männer mit einbeziehen, um etwas zu verändern.»
Eine Familiensaga zwischen Frankfurt und Douala
Buchclübli-Besucher Lukas hat das Buch «Issa» von Mirianne Mahr sehr gut gefallen, in dem die schwangere Issa eine Reise nach Kamerun antritt. Sie folgt dem Rat ihrer Mutter, im Land ihrer Kindheit den heilsamen Weg der Rituale zu gehen, unter der Obhut ihrer Grossmütter. Issa wandelt auf den Spuren ihrer Familiengeschichte, die von Kolonialismus und einem starken Lebenswillen geprägt ist. Der jungen Frau wird klar, dass die Traumata ihrer Vorkommen vererbbar sind. Es gelingt der Autorin auf eindrückliche Weise, die Schicksale von fünf starken Frauen ihrer Familie miteinander zu verbinden, obgleich ihre Leben mehr als ein Jahrhundert auseinanderliegen.
Alltag und Gentrifizierung in Brooklyn
Anette besucht regelmässig das Buchclübli mit Vali und schreibt: «Ich war kürzlich in New York, und unser Apartment war in Brooklyn. Ein sehr spannender, quirliger Stadtteil. Das war aber nur der äussere Anlass, mich für das Buch «Der Fall Brooklyn» von Jonathan Lethem zu entscheiden. «Es ist ein ganz besonderes Buch über das tägliche Leben in Brooklyn, über seine Bewohner*innen, die Entwicklung Brooklyns seit den 1950er-Jahren und seine Gentrifizierung. Nicht zuletzt ist das Buch «gut lesbar», wie Anette findet.
Frühsommertage, die alles verändern
Kaum fertig gelesen, hat Bajour-Leserin Franziska «Flusslinien» von Katharina Hagena empfohlen. Sie schreibt: «Ich habe das Buch als wunderbar empfunden – leicht, poetisch, humorvoll und tiefgründig.» Mit viel Wärme und sprachlicher Kraft erzählt die Autorin von drei Menschen, drei Schicksalen – und zwölf Frühsommertagen an der Elbe, die alles verändern. Es ist ein Generationenroman über das Leben mit den Wunden, die uns zeichnen, und der Frage, wie man lernt, loszulassen und wieder zu vertrauen.
Fantastisch hoffnungsvoll und bildstark
Lektorin Verena schreibt: «Mein Favorit dieses Jahr ist ein wunderbares Buch für die ganze Familie». Die Rede ist von «Der fantastische Bus» von Jakob Martin Strid. Das dänische (Bilder)-Buch hat 2024 den Nordischen Kinder- und Jugendliteraturpreis gewonnen und ist jetzt auf Deutsch erschienen. «Ein schon äusserlich mächtiges Buch, nüchtern und fantastisch hoffnungsvoll, unkitschig emotional, bildstark, reich an kleinen Einzelgeschichten und Details zugleich.» Ein wahrer Schatz, der immer neue Entdeckungen möglich macht, wie Verena findet.
Pionierinnen und starke Schweizer Frauen
Briefing-Leserin Nicole empfiehlt ein Buch, das sie selbst noch nicht gelesen hat, aber an Weihnachten ihrer 80-jährigen Freundin verschenkt hat. «Sie hat in ihrem Leben viel erlebt, ist viel gereist und hat sich stets für uns Frauen stark gemacht.» Daher passe das Buch «Starke Schweizer Frauen» von Daniele Muscionico gut zu ihr. Nicole schreibt. «Vielleicht lassen sich auch andere und vor allem Männer von den Geschichten dieser weiblichen Persönlichkeiten inspirieren!» In dem Buch beschreibt die Autorin die Leben von Emma Jung, Katharina von Zimmern, Ottilia Giacometti und vielen weiteren aussergewöhnlichen Frauen.
Historische Fiktion und weibliche Begierde
In der Vorschau des Buches «In ihrem Haus» heisst es: «Man kann sich nur so lange vor der Wahrheit verschliessen, bis sie an die Tür klopft.» Der Roman, den Buchfan Lara der Bajour-Redaktion geschickt hat, spielt in der Nachkriegs-Niederlande. Es geht um die obsessiv ordentliche Isabel, deren Leben aus den Fugen gerät, als die Freundin ihres Bruders bei ihr einzieht. Denn in der flirrenden Sommerhitze entwickelt sich eine unerwartete Anziehung zwischen den beiden Frauen, die Isabels festgefügtes Weltbild erschüttert. Autorin Yael van der Wouden erzählt in ihrem Buch von Begierde, verdrängten Geheimnissen und den Abgründen, die sich hinter den Fassaden scheinbar geordneter Leben verbergen.
Davos, der Zauberberg und wichtige Lebensfragen
Last but not least ein Tipp von Bajour-Leserin Rosemarie: Ihr hat «Der Zauberberg, die ganze Geschichte» von Norman Ohler besonders gut gefallen. Sie schreibt: «Es ist vergnüglich zu lesen, regt aber trotzdem zum Denken an und gibt Informationen, die mir neu waren.» Im Roman reist ein liebeskranker Erzähler mit seiner Tochter in das verschneite Davos. Aus dem Familienurlaub wird eine vergnügliche Reflexion über die Auswirkungen der Moderne, des Skifahrens und der Tuberkulosepandemie. Wie in Thomas Manns «Zauberberg» stellen sich auch ihm inmitten der Schneemassen die wirklich schwierigen Fragen: Wie müssen sich unsere Lebensweisen ändern? Welche Welt vererben wir unseren Kindern?