Weniger Geld für Ausstellungen

Institutionen wie das Antikenmuseum finanzieren ihr Programm über Drittmittel. Doch einige Stiftungen oder Mäzen*innen unterstützen vermehrt Geflüchtete oder freie Künstler*innen.

Antikenmuseum Basel
Körperkunst: Die Abteilung «Griechische und römische Skulpturen» im Antikenmuseum Basel. (Bild: © Ruedi Habegger, Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig)

Andrea Bignasca muss in Varianten denken. Der Direktor des Antikenmuseums kann nicht mehr einfach grosszügig Ausstellungen planen, sondern muss mit verschiedenen Finanzierungsszenarien rechnen. Aktuellstes Beispiel: die kommende Ausstellung «Römer, Gallier und Germanen am Rhein», die im Herbst eröffnet wird. «Da ist alles vorbereitet, die auswärtigen Leihgaben sind genehmigt, Transporte eingefädelt. Allerdings fehlen uns noch immer 150'000 Franken um die absolute Topvariante zu produzieren.»

Es könne deshalb sein, «dass wir in den kommenden Wochen entscheiden, auf einen internationalen Transport oder auf eine Plakatierungsaktion zu verzichten». Heisst: weniger Werbung oder weniger Objekte. «Das Publikum merkt all diese Dinge in der Regel nicht», sagt Bignasca. «Jedoch hinter den Kulissen bedeutet dies wahnsinnig viel Varianten-Planung.»

Andrea Bignasca
Andrea Bignasca, Direktor des Antikenmuseums, kann die geplante Ausstellung auch mit 150'000 Fr. weniger durchführen. (Bild: zvg)

Dies hat mehrere Ursachen: Einerseits Veränderungen bei den Geldgeber*innen, andererseits politische und gesellschaftliche Entwicklungen, die Kulturförderung vermehrt an soziale Bedingungen knüpfen. Und nicht zuletzt: die Pandemie.  

Soziales in Konkurrenz zu Kultur und Bildung 

Aber der Reihe nach: Das Antikenmuseum ist eines von fünf staatlichen Museen in Basel. Es erhält also finanzielle Unterstützung durch den Kanton, die den Grundbetrieb sichert. «Aber unsere Ausstellungen sind vollständig von Drittmitteln abhängig», erklärt Bignasca. Das seien heute zu 80-90 Prozent private Stiftungen sowie Mäzen*innen. «Sie haben sich in den letzten zwei Jahren verständlicherweise vermehrt für soziale Anliegen statt eine Ausstellungsunterstützung entschieden – oder für die freie Kunstszene. Und ich gehe davon aus, dass auch die jetzige Situation mit der Ukraine eher eine Finanzierung im Bereich Geflüchtete und Nothilfe begünstigt.»

Museumsstadt Basel

In Basel gibt es fast 40 Museen auf 37 Quadratkilometern Fläche. Keine andere europäische Stadt toppt das. Eine aktuelle Übersicht zu den Ausstellungen findest Du hier.

«Das ist bis zu einem gewissen Grad sicher so», bestätigt Prof. Dr. Georg von Schnurbein, Direktor am Center for Philantrophy Studies (CEPS) der Universität Basel. «Aber eine Kulturförderstiftung kann jetzt nicht plötzlich Geflüchtete unterstützen. Bei Stiftungen mit einem breiteren Zweck besteht aber schon auch ein öffentlicher Druck, sich in aktuellen Debatten wie Klima oder jetzt der Flüchtlingskrise zu positionieren.» 

Während der Pandemie war jedoch laut von Schnurbein ein anderer Aspekt entscheidend: «Die soziale Komponente in der Kultur, das Prekariat, ist stärker festgestellt worden. Stiftungen haben deshalb eher Hilfsfonds für Künstler geschaffen – für Produktionen bleibt dann weniger übrig», erklärt er. Und das hat wiederum Auswirkungen für Kulturinstitutionen wie das Antikenmuseum. «Für staatliche Museen wird es so natürlich schwieriger. Zumal auch die Förderung von Unternehmen deutlich zurückgegangen ist.»

Ganz oder ganz wenig?

Das Antikenmuseum hat verschiedene Strategien entwickelt, um mit dieser Unsicherheit umzugehen: «Mögliche Szenarien sind deshalb tatsächlich weniger Ausstellungen oder dass man eine Variante B und C planen muss», so Bignasca. «Oder wir holen ein zweites Projekt aus der Schublade, das etwas weniger kostet, oder wir verzichten auf gewisse Ausgaben. Das ist nicht direkt ein Novum, wir machen das seit mehreren Jahren, aber die Pandemie hat das ganz klar verstärkt.»

Georg von Schnurbein
Prof. Dr. Georg von Schnurbein ist Direktor des Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel. Dieses wurde 2008 von SwissFoundations, dem Verband der Schweizer Förderstiftungen, initiiert. (Bild: zvg)

Spüren die anderen staatlichen Museen diese Unsicherheiten auch? Die Direktorin des Museums für Kulturen, Anna Schmid, verneint: «Nein, ich denke nicht in Varianten. Ich denke in Maximalen. Und dann schauen wir weiter.» Sie räumt aber ein, dass sie in den letzten zwei Jahren eine Unsicherheit bei der Finanzierung über Stiftungen gespürt habe. «Es ist also schon ein Thema. Aber ein riesiges Loch ist es nicht.»  

Und auch der Kommunikationsleiter des Historischen Museums Andreas Mante erklärt auf Nachfrage, der Markt sei grundsätzlich für alle gleich schwierig. Aber: «Wir haben aktuell keine Probleme im Bereich Sponsoring und Drittmittel.» 

Bill Gates: «I don’t give to opera houses» 

Die drei angefragten Museen spüren alle Veränderungen im Bereich der Drittmittelfinanzierung, wenn auch nicht im gleichen Masse. Einen Grund dafür  versinnbildlicht CEPS-Direktor von Schnurbein mit einem Ausspruch von Bill Gates: «Er sagt: ‹I don’t give to opera houses›, im Sinne von: Ich habe Wichtigeres zu tun.»

Die öffentliche Wahrnehmung dessen, «was in der Gesellschaft zu tun ist und getan werden muss, hat sich in den letzten Jahren sehr verändert», erklärt von Schnurbein. «Themen wie Entwicklungszusammenarbeit, Klimawandel oder Migration waren mehr im Fokus als Kultur.»

Anna Schmid mit Jacques Herzog
Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen, mit dem Architekten Jacques Herzog. (Bild: Keystone-SDA)

Von Schnurbein erkennt einen weiteren entscheidenden Faktor: Ein Generationenwandel bei den Stifter*innen: «Die ältere Generation, für die es selbstverständlich war, eine Oper oder ein Museum zu unterstützen, tritt ab», erläutert er.

«Und die jüngere Generation möchte eher Projekte unterstützen, bei denen sie stärker involviert sein kann.» Das sei auch eine Frage der Legitimation: «Wenn die soziale Ungerechtigkeit zunimmt und ich selber nur Kultur finanziere, die wiederum vornehmlich meinesgleichen zugute kommt, stehe ich schlecht da.»

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