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Virus in der Beziehung

Hilfe, mein Mann ist Impfskeptiker

Der Impf-Konflikt zieht sich durch Familien, Freundschaften und Liebesbeziehungen. Wie damit umgehen? Wir haben mit Menschen gesprochen, die sich beim Impfen uneins sind – und damit leben müssen.

09/27/21, 03:11 PM

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Es klafft momentan ein Graben in vielen Beziehungen – schuld ist Corona.

Es klafft momentan ein Graben in vielen Beziehungen – schuld ist Corona. (Foto: Mahra Bashir / Unsplash)

von Ina Bullwinkel

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Die Gesellschaft ist in zwei Lager gespalten: Die Geimpften und die Ungeimpften. Und viele sind überzeugt, dass nur ihr Weg der richtige ist. Diese Spaltung bringt uns an unsere Grenzen. Aber wie sieht es aus, wenn der Impfgraben mitten durch die Beziehung läuft? Wir wollten von Leser*innen hören, deren Partner*in oder enge Kontaktperson komplett anderer Meinung ist – und wie sie es miteinander aushalten.

Christina*, geimpft

Ich bin seit Juli vollständig geimpft, mein Mann will sich auf keinen Fall impfen oder sogar testen lassen. Er wird bei zunehmendem Druck immer sturer. Am Anfang konnte ich noch nachvollziehen, dass man sich nicht grad zuvorderst in die Reihe zum Impfen stellen will. In der Zwischenzeit sind die Argumente so absurd, weil er wohl einfach nicht zugeben will, dass seine Ängste wohl unbegründet sind. Er befasst sich aber ständig mit dem Thema.

Schwierig ist es für unsere Kinder. Wir haben zwei Töchter, 12 und 13 Jahre alt, also im impffähigen Alter. Ich versuche ihnen die Entscheidung zu überlassen. Sie wissen jedoch, dass ihr Vater es eine Katastrophe finden würde, würden sie sich für eine Impfung entscheiden. Die Diskussionen wären endlos. Sie wären wohl froh, würde ich für sie entscheiden. Ich finde es jedoch falsch, sie dazu zu drängen. Meiner Meinung nach ist dies eine Epidemie der Erwachsenen und die sollten die Immunisierung auf den eigenen Schultern tragen und nicht auf Kinder abwälzen. 

Wenn ich mit meinem Mann alleine etwas unternehme, bitte ich ihn, nicht über Corona zu sprechen. Das funktioniert meistens. Sind die Kinder anwesend und er legt wieder mal los, beschränke ich mich in der Regel auf Bemerkungen wie «das ist wissenschaftlich übrigens widerlegt» oder ähnliches. Ich versuche, ihnen alle Informationen zugänglich zu machen.

«Wenn ich mit meinem Mann alleine etwas unternehme, bitte ich ihn, nicht über Corona zu sprechen. Das funktioniert meistens.»

Christina* über ihren Mann, den Impf-Gegner

Mutter Laura*, 53 geimpft, Tochter Nadine*, 20, ungeimpft

Tochter: Ich habe nächste Woche einen Impftermin, aber ich kann es nicht mit mir vereinbaren. Ich habe es nur gemacht, weil ich keine Lust habe, jedes Mal einen Corona-Test zu machen. Ich will in die Ferien fahren und bin im Oktober auf drei Hochzeiten eingeladen. Man braucht jetzt ja für alles ein Zertifikat. Ich finde es unlogisch, weil ich trotzdem Corona haben könnte und dann eben mit Zertifikat das Virus verteile. Viele in meinem Umfeld und ich selbst hatten Corona – mit keinen oder kaum Symptomen. Keiner von uns war im Spital oder hat Schäden davongetragen. Das sind eher die Älteren oder die, die eh schon krank sind, für die das gefährlich ist, glaube ich. Ich kenne Leute, die doppelt geimpft waren, sich aber trotzdem angesteckt haben und krank waren. Ich lasse mich jetzt impfen und leiste meinen Beitrag, aber ich glaube nicht, dass ich es brauche. Ich hatte damals ja nur einen Tag Fieber.

Mutter: Du warst in der WG und hast mir geschrieben, du glaubst, du stirbst. Du warst 24 Stunden recht krank.

Tochter: Aber das ist weniger schlimm als eine Grippe, da liegt man eine Woche im Bett. Meine Gründe für die Impfung sind Geld und Freiheit und das ist eigentlich nicht gut.

Mutter: Mir hast du gesagt, du fühlst dich total manipuliert und hast gesagt, du lässt dich deshalb nicht impfen.

Tochter: Ja. Es geht mir auch darum, dass ich nach Spanien oder so will. Und dafür brauche ich die Impfung. Manche Länder wollen zwei Impfungen auf dem Zertifikat sehen, auch wenn du genesen bist. Sonst lassen sie dich nicht rein. Ich habe keine Lust auf so einen Stress jedes Mal für egal, was ich mache.

Mutter: Ich war erstaunt, dass du wirklich einen Impftermin gemacht hast. Bisher hatten wir zwei komplett unterschiedliche Meinungen. Du warst von Anfang an gegen das Impfen und ich von Anfang an dafür. Sie beobachtet bei sich und anderen, dass Corona nicht so schlimm ist, wenn man es bekommt. Zwei in meiner Familie haben Corona nach der Impfung bekommen und waren froh, dass sie einen sehr leichten Verlauf hatten.

Tochter: Ich kenne aber auch Ungeimpfte mit leichten Symptomen.

Mutter: Ja. Ich kann die junge Generation verstehen, die ihre Freiheit will. Aber wir haben jetzt zwei Gruppen. Ganz am Anfang sind wir ein bisschen lauter geworden, ein bisschen wie im Kampfring. Wir haben Gespräche geführt und ich habe ihr Presseartikel geschickt und sie mir ihre News, die sie digital mitbekommt. Und so haben wir einander Sachen zugeschoben. Aber es wurde klar: Ich bin in der Gruppe «Impft euch alle, es ist das kleinere Übel» und sie ist in der Gruppe «Ich will nicht». Was ich verrückt finde: Wenn es nicht geheissen hätte, man muss ab Oktober zahlen, hätte sie immer noch keinen Impftermin. Aber ich freue mich, wenn sie geimpft ist, weil das Risiko kleiner wird für alle. Wir haben eine Patchwork-Situation mit den Kindern meines Partners, das macht es komplizierter. Wenn wir alle durchgeimpft sind, müssen wir nicht mehr diskutieren.

Tochter: Ich kann aber trotzdem Corona bekommen.

Mutter: Ja, aber das Risiko ist viel kleiner.

Tochter: Ich mache es eben für andere und nicht für mich. 

Mutter: Das finde ich super.

Tochter: Ich wäre aber ehrlich gesagt lieber egoistisch, weil ich es ja eigentlich nicht will. Da sind zu viele Fragezeichen in meinem Kopf.

Mutter: Wir sind eine Gemeinschaft und da muss man einen Weg finden, dass man weiterhin zusammenleben kann und neue Regeln aufstellt. 

Tochter: Wir hatten nur deshalb keinen grossen Krach, weil sie nicht so streng ist und mich selbst entscheiden lässt, was ich mache.

Mutter: Ich verlange aber von meinen Kindern, dass sie im Gespräch bleiben. Einfach sagen, dass man es anders sieht und weggehen, das geht nicht. Wenn du eine andere Meinung hast, dann musst du verhandeln und sie begründen. Kommunikation ist wichtig. Wir müssen als Gesellschaft lernen, über Dinge zu reden, anstatt zu schweigen und warten bis es eskaliert. Das finde ich gerade fast noch schlimmer als die Pandemie: die Stimmung, die herrscht.

«Ich wäre aber lieber egoistisch, weil ich es ja eigentlich nicht will. Da sind zu viele Fragezeichen in meinem Kopf.»

Nadine* über die Impfung

Markus*, geimpft

Mit meinem Freund habe ich zwischendurch ein paar Tage nicht gesprochen. Er ist nicht geimpft, denn er reagiert oft empfindlich auf Stoffe. Deshalb trinkt er zum Beispiel keinen Kaffee, keinen Alkohol und er hat noch nie eine Zigarette geraucht. Aber das ist nicht der Grund, warum er sich noch nicht hat impfen lassen. Zwischendurch hat er es gewollt, dann hat er aber von vielen gehört, die Moderna bekommen hatten und danach ein paar Tage krank waren. Und für die Walk-in-Tage in Basel hat er dann immer gerade keine Zeit. Er findet immer einen Grund, warum es gerade nicht geht. Ich suche ihm aufwendig raus, wo er sich impfen lassen könnte und er findet eine Ausrede. Das regt mich extrem auf und deswegen haben wir Stress miteinander bekommen. Er gibt mir fast die Schuld daran, dass die Situation gerade so ist, wie sie ist. Neuerdings misstraut er dem mRNA-Impfstoff und sagt, er wolle auf Johnson & Johnson warten.

Wir gehen bald in die Ferien mit den Kindern und dann muss er alle drei Tage einen Test machen. Wir planen das nun eben ein, dass wir an einem Tag in die Museen gehen und danach nur in der Stadt herumlaufen und draussen auf der Terrasse sitzen. Anders geht es nicht, ich bin da recht tolerant. Wir haben uns jetzt auch wieder gefunden. Ich habe keine Angst, dass er mich anstecken könnte, ich fühle mich gut geschützt durch die Impfung. Aber es regt mich mehr auf, dass er es nicht schafft, sich einen Termin zu holen und dann doch wieder anfängt zu jammern, von wegen der böse Staat ist schuld, dann finde ich es sehr mühsam.

Auch meine Schwester möchte sich nicht impfen lassen. Sie hat Freundinnen, die im Gesundheitswesen arbeiten und gegens Impfen sind. Sie jammert, weil sie schwieriger irgendwo hereinkommt. Darauf habe ich keine Lust und dann sage ich ihr Sachen wie: Aber bei anderen Situationen bist du auch nicht so solidarisch mit der ganzen Gesellschaft. Wieso forderst du sie denn jetzt ein? Und dann hatten wir Streit. Ich habe mit meiner Schwester abgemacht, dass wir nicht mehr über das Thema reden, weil ich mich sonst zu sehr aufrege. 

Ich finde eben, wir stecken zusammen in der Pandemie. Wir kommen da nicht allein raus. Ich habe Mühe mit dem Beharren auf eine Freiheit, die daraus besteht, dass ich einfach nicht will. Und wer sich beschwert, dass die Tests zu viel kosten, der kann sich ja gratis eine Impfung holen. Trotzdem finde ich es krass, dass durch die staatlichen Massnahmen auf der einen Seite die Geimpften stehen und auf der anderen Seite die, die sich dauernd testen lassen müssen. Auch wenn ich deren Gejammere nicht hören will, löst das bei mir widersprüchliche Gefühle aus.

«Ich habe Mühe mit dem Beharren auf eine Freiheit, die daraus besteht, dass ich einfach nicht will.»

Markus* über den Impf-Widerstand

Amir*, ungeimpft und Andrea*, geimpft

Amir: In meinem Umfeld gibt es einige, die schon geimpft sind. Und ich spüre von ihnen Unverständnis und einen Druck, dass ich mich impfen lassen soll. Auch, weil es dann doch viel einfacher für mich sei. Manchmal denke ich, es wäre besser, ich würde bei solchen Fragen darauf hinweisen, dass ich mich nicht dazu äussern will. Durch den Druck habe ich noch weniger Lust, mich impfen zu lassen. Ich finde es ungerecht, dass die Geimpften alle Freiheiten haben und die anderen nicht. Ich habe keine Angst, mich anzustecken. Ich treffe nur Menschen, die ich kenne und das im kleinen Kreis. Ich schütze mich mit der Maske und halte Abstand. Grosse Massen meide ich.

Ich traue der mRNA-Impfung nicht und möchte abwarten, bis es eine Alternative gibt. Grundsätzlich abgeneigt von der Impfung bin ich also nicht, aber ich bin momentan noch skeptisch. Falls die Tests bald etwas kosten, stört mich das nicht. Dann bleibe ich öfter daheim und koche selbst. Bei schönem Wetter kann ich ja draussen sitzen. 

Ich war zuerst skeptisch, als meine Partnerin sagte, dass sie sich impfen lassen möchte. Aber wenn das ihre Entscheidung ist, habe ich kein Problem damit. Wenn Paare sich wegen der Impfung streiten, rate ich ihnen, ein bisschen toleranter zu sein und den Horizont zu öffnen. Es gibt nicht nur eine Meinung, die richtig ist, sondern ganz viele. Da kann man sich bestimmt irgendwo finden.  

Andrea: Wir haben die ganze Zeit über das Thema diskutiert. Aber wir haben in unserer achtjährigen Beziehung schon vor Corona öfter Themen gehabt, bei denen wir nicht einer Meinung waren und sind es gewöhnt, zu diskutieren. Wir können gut miteinander leben, ohne dass wir immer alles gleich sehen oder gleich machen. Aber ich wäre wahrscheinlich ruhiger, wenn ich wüsste, du bist geimpft. Er ist ja nicht mehr der Jüngste mit Mitte 50 und eine Ansteckung mit Corona könnte gefährlich sein. Aber ich habe auch nichts davon, wenn er sich impfen lässt, obwohl er sich unwohl fühlt und es für ihn die falsche Entscheidung ist.

Aus meinem Umfeld kam jetzt häufiger die Frage, warum er denn nicht geimpft sei. Das ist für mich etwas Neues, dass man in etwas eindringt, was sehr persönlich ist. Mir sagen auch Leute, dass ich ihn zur Impfung überreden soll, aber das ist nicht mein Ziel. Ich finde es besorgniserregend, wenn die Gegenseite pauschal verurteilt wird.

«Ich wäre wahrscheinlich ruhiger, wenn ich wüsste, du bist geimpft.»

Andrea* zu ihrem ungeimpften Partner

Beat, 60, geimpft

Wir waren anfangs beide skeptisch, was die Impfung betrifft, weil sie ja ganz neu war. Ich habe mich dann informiert und habe gesehen, wie das funktioniert und dass es mRNA schon lange gibt. Und auch als die Impfungen losgingen, war es nicht so, dass die Menschen reihenweise gestorben sind oder es schlimme Nebenwirkungen gab. Dann habe ich gesagt, dass ich mich auch impfen lasse, aber meine Frau wollte weiterhin zuwarten. Eine ganze Weile. Ich habe ihr irgendwann erklärt: «Du bist immer unterwegs, du kommst mit Leuten zusammen. Entweder du impfst dich oder du wirst auf die andere Art immun.» Sie ist 64 und Rentnerin und will diese Zeit geniessen – das hat ihr den nötigen Schub gegeben, sich doch für die Impfung zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass ich mit meiner Frau einen grossen Streit vom Zaun gebrochen hätte, wenn sie weiter gewartet hätte. Wir wären nicht schon über 30 Jahre verheiratet, wenn wir nicht immer einen Konsens finden würden. 

Ich habe trotzdem genug von den Leuten, die sich einfach nicht impfen lassen wollen, wegen irgendwelcher Gründe. Ich merke, ich bin nicht mehr so tolerant und das finde ich selbst nicht gut. Aus meinem familiären Umfeld höre ich nun auch von immer mehr Leuten, die sich haben impfen lassen, obwohl sie anfangs strikt dagegen waren. Ausser einer, der hatte Corona und leidet immer noch unter den Folgen – aber er ändert aus Prinzip nicht seine Meinung zur Impfung. 

Wirklich kritisch waren solche Diskussionen bisher nur im Freundeskreis. Wir haben uns mit einem befreundeten Paar zum Nachtessen im Restaurant getroffen, und dann ging die Diskussion über die Impfung los. Der Mann stellte infrage, ob es das Virus überhaupt gibt und seine Frau eröffnete sie sei Impfgegnerin, die sich generell nicht impfen lässt. 

Ich habe das Gefühl, die Leute sehen nur schwarz oder weiss, die Fronten haben sich seit Corona verhärtet. Auch mir fällt es schwer, einen Kompromiss zu finden. Mir fehlt ein Vermittler, der diese zwei Gruppen wieder versöhnt. Man findet nur noch das Pro und Contra.

«Ich merke, ich bin nicht mehr so tolerant und das finde ich selbst nicht gut.»

Beat über seine schwindende Geduld gegenüber Impf-Gegner*innen

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