Das soziale Basel gerät unter Druck

Nach den Ankündigungen von Roche und Novartis, die Produktion in die USA auszulagern, sorgt man sich am Rheinknie um die hiesigen Arbeitsplätze. Dies dürfte die Diskussion um gute Standortbedingungen anheizen.

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«Wir werden verlieren, wenn wir jetzt nicht handeln», warnt die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter.  (Bild: Unsplash / zvg ; Collage: Bajour)

Nachdem US-Präsident Donald Trump den Druck auf die Pharmaindustrie erhöht und mit Importzöllen von bis zu 250 Prozent auf Medikamente gedroht hat, machen die jüngsten Ankündigungen der Pharmariesen Roche und Novartis besonders hellhörig: Sie wollen ihre Medikamentenproduktion in den USA deutlich ausbauen. Bereits bekannt ist, dass Roche Investitionen im Umfang von 50, die Novartis von 23 Milliarden Dollar tätigen möchten. Der US-Markt ist für die Firmen wegen der hohen Medikamentenpreise und der weniger strengen Regulierungen äusserst interessant, weshalb sie schon seit längerem versuchen, dort Fuss zu fassen. 

Doch die nun verkündeten Bestrebungen, die Produktion in den USA so rasch wie möglich hochzufahren, hat man so bisher noch nicht gelesen – und dürften als Reaktion auf den für die Pharmabranche angedrohten Zollhammer interpretiert werden. 

Die Ankündigungen wecken insbesondere in Basel Besorgnis. So beteuern die Pharma-Unternehmen zwar, für die Angestellten in der Schweiz habe die Verlagerung in die USA zum jetzigen Zeitpunkt keine Auswirkungen. Gegenüber Bajour konkretisiert Roche: «Wir rechnen damit, dass die Zahl der Mitarbeitenden im laufenden Jahr insgesamt stabil bleibt. Wir haben Milliarden von Schweizer Franken in unsere Aktivitäten in der Schweiz und Europa investiert und werden dies auch weiterhin tun.» Mit Betonung auf: Im laufenden Jahr. Was danach kommt, steht in den Sternen. Und ein Versprechen wird man den Unternehmen wohl auch nicht abringen können.

Kein Produktionsstandort

So dürften die derzeitigen Entwicklungen die Diskussion um den Basler Standort und seine Rahmenbedingungen einmal mehr anheizen. FDP-Grossrat Luca Urgese sagt dazu: «Weil Firmen sich einmal für einen Standort entschieden haben, heisst das nicht, dass diese Entscheidung endgültig ist.» Die Diskussionen um gute Rahmenbedingungen seien nie abgeschlossen, die Welt verändere sich, und auch andere Länder und Kantone machten vorwärts. Aus diesem Grund plädiert er dafür, die Ausgaben nicht weiter in Höhe zu treiben.

Luca Urgese, FDP
«Weil Firmen sich einmal für einen Standort entschieden haben, heisst das nicht, dass diese Entscheidung endgültig ist.»
Luca Urgese, FDP-Grossrat

Auch Oliver Bolliger, Basta-Grossrat und Mitglied der Gesundheitskommission des Grossen Rats sagt: «Kapital kennt keine Heimat.» Und meint damit: «Grosse Konzerne bewegen sich dorthin, wo weniger Hindernisse für Profitmaximierung anzutreffen sind.»

Weil in Basel vor allem geforscht und entwickelt wird*, betreffen die Ankündigungen von Roche und Novartis die Region vorerst nur bedingt. Doch Elisabeth Schneider-Schneiter, Baselbieter Mitte-Nationalrätin und HKBB-Präsidentin, geht davon aus, dass es nicht bei der Auslagerung der Produktion bleiben wird, sondern auch zu einer schleichenden Verlagerung der Forschung kommen werde. «Dies würde Basel mit seinem gesamten Life-Science-Cluster schmerzhaft treffen», meint Schneider-Schneiter.

Elisabeth Schneider-Schneiter,
«Wenn die Grossen husten, haben die kleinen eine schlimme Grippe.» 
Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-Nationalrätin

Bereits im Mai hat die Mitte-Nationalrätin einen Vorstoss eingereicht und einen Masterplan gefordert, um den Pharmastandort fit zu machen. Nach dem Zollhammer fordert sie eine Task-Force mit allen involvierten Akteur*innen, um kurzfristig handlungsfähig zu bleiben und den Schaden für die Exportwirtschaft zu begrenzen.

Basel müsse Forschungs- und Innovationsstandort bleiben, meint sie, die bereits die Abschaffung der OECD-Steuer gefordert hatte. Aus diesem Grund sei auch das Forschungsprogramm Horizon so wichtig; den Unternehmen müsse der Zugang zu Bildungsstätten gewährleistet bleiben. «Wir werden verlieren, wenn wir jetzt nicht handeln», warnt Schneider-Schneiter. 

Besonders grosse Sorgen macht sie sich um die KMU, «die am Tropf der Grossen hängen – als Zulieferer oder im Bereich von Startups». Die Grossen könnten sich zwar neu organisieren, doch Schneider-Schneiter sagt: «Wenn die Grossen husten, haben die kleinen eine schlimme Grippe.» 

Oliver Bolliger, Basta
«Der Druck wird grösser und die Umverteilung zu mehr Gerechtigkeit ausgesetzt.»
Oliver Bolliger, Basta-Grossrat

Auf linker Seite findet hingegen Basta-Grossrat Bolliger, die Pharmaunternehmen hätten mit dem kürzlich von der Stimmbevölkerung abgesegneten Standortpaket erstmal genug Zuschüsse erhalten. Ihm mache vielmehr Sorgen, dass nun von Bürgerlichen soziale und klimapolitische Errungenschaften infrage gestellt würden. So machte der Basler LDP-Präsident Gabriel Nigon erst kürzlich in einem Vorstoss Vorschläge, wo der Kanton sparen könnte. Es sind vor allem links-grüne Projekte, die hier das Nachsehen hätten. «Der Druck wird grösser», sagt Bolliger. Und: «Die Umverteilung zu mehr Gerechtigkeit ausgesetzt.»

Preise rauf- oder runter?

Auch bei der Frage, ob die Medikamentenpreise steigen oder sinken sollten, gehen die Meinungen zwischen links und rechts auseinander. So findet Schneider-Schneiter, die Pharmariesen Roche und Novartis müssten die Preise in den USA überprüfen. Dies ist schon seit längerem eine Forderung von US-Präsident Trump, bezahlt man in den USA aufgrund der starken Pharmalobby doch das Vierfache der europäischen Preise. Schneider-Schneiter, die über die Interessengemeinschaft «Biomedizinische Forschung und Innovation» der Pharma nahe steht, findet denn auch, eine Senkung hätte aber zur Folge, dass die Medikamentenpreise in der EU und auch in der Schweiz erhöht werden müssten, denn Forschung koste.

Bolliger hingegen sagt, in der Schweiz dürften die Preise auf keinen Fall steigen, das würde die Bevölkerung, die ohnehin unter den hohen Gesundheitskosten leide, zusätzlich belasten. Vielmehr kritisiert er die zu grossen Gewinn-Margen bei der Pharma und spricht sich für deren Reduktion aus. Doch das dürfte noch länger dauern als eine Anpassung der Medikamentenpreise – egal in welche Richtung. 

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels hiess es, Basel sei kein Produktionsstandort. Das ist so nicht korrekt. Roche hat auch in Basel selbst eine grosse Biotech-Produktion (in KAU auch noch Antibiotika-Produktion), und jüngst eine halbe Milliarde in die Produktion in Basel/Kaiseraugst investiert.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Kommentare

Werner Pachinger
12. August 2025 um 08:31

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