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Kommentar

Fertig Machomedia

Die Chefredaktor*innen von BaZ, Tagesanzeiger und Co. müssen jetzt Massnahmen gegen die Bevorteilung von Männern unternehmen. Und eine Frauenquote braucht es auch.

03/08/21, 04:17 PM

Aktualisiert 03/08/21, 04:35 PM

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Journalist*innen stellen ihre Forderungen am Medienfrauenstreik 2019 auf Instagram, auch Andrea.

Journalist*innen stellen ihre Forderungen am Medienfrauenstreik 2019 auf Instagram, auch Andrea.

78 Tamedia-Journalistinnen stehen mit ihrem Namen hin und kritisieren offen die von ihnen erlebte Machokultur auf den Redaktionen. 78 Journalistinnen bringen den Mut dazu auf. Und das in einer Zeit, in der auf den Redaktionen Kurzarbeit herrscht und in der mit weiterem Stellenabbau zu rechnen ist. 

Das zeigt, wie gross ihr Leidensdruck sein muss. Respekt.

Was die Journalistinnen gemäss ihren Aussagen auf den Redaktionen an sexistischen Sprüchen, Lohndiskriminierung und fehlenden Aufstiegschancen erleben müssen, sind nicht Peanuts.

Immer wieder haben die Journalistinnen bei ihren Chefs angeklopft und die Macho-Kultur kritisiert und zeitgemässere Bedingungen gefordert. Doch das Kader wiegelte ab oder liess Gleichstellungsprojekte anlaufen. Ohne Wirkung, offenbar.

«Du bist hübsch, du bringst es sicher noch zu was»

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Auch drei BaZ-Journalistinnen haben den offenen Brief unterschrieben. Was sagen Sie dazu? Wir haben Sie gefragt.

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Wer sehen wollte, sah die Missstände. Auch die Journalistin Nora Bader und ich konnten das im Rahmen einer Recherche für unser Buch «FrauMachtMedien» beobachten. Dafür interviewte ich vor eineinhalb Jahren Judith Wittwer, damals noch Chefredaktorin des Tagesanzeigers, zur kolportierten Machokultur in ihrem Betrieb.

Ich fragte: An den Redaktionssitzungen im Tagi werden junge Journalistinnen häufiger runtergeputzt als junge Kollegen, nicht?

Judith Wittwer antwortete: «Es kann durchaus sein, dass dieser Eindruck vereinzelt da ist. Ich erlebe das aber selbst nicht so. Unsere Journalistinnen verteidigen ihre Themen. Und das ist gut so.» Ziel sei doch, geschlechtsunabhängig eine hohe Qualität zu liefern und mir als Interviewerin und Berufskollegin gab sie mit: «Wenn ich Ihnen zuhöre, bekomme ich den Eindruck, es sei ein riesiger Geschlechterkampf am Laufen. Das sehe ich einfach nicht.»

«Wenn ich Ihnen zuhöre, bekomme ich den Eindruck, es sei ein riesiger Geschlechterkampf am Laufen. Das sehe ich einfach nicht.»

Judith Wittwer, damalige Chefredaktorin Tagesanzeiger, Sommer 2019.

Wittwer ist mittlerweile Co-Chefredaktorin der «Süddeutschen». Rückblickend muss man wohl sagen: Wittwer wollte den Geschlechterkampf nicht sehen, genauso wenig wie der Rest des Tamedia-Kaders. 

Es ist Zeit, den Journalistinnen endlich zuzuhören. Aus Gründen der Moral und des Verfassungsauftrags, klar. Aber auch aus ökonomischen. Die «Männerzeitungen» schreiben an den Frauen immer noch zu oft schlicht vorbei – und verspielen das entsprechende Marktpotenzial.

Lippenbekenntnisse und schöne Sätze über «Diversity» reichen jetzt nicht. Jetzt braucht es konkrete Schritte. Von Tamedia selbst, aber auch von der Politik:

  1. BaZ-Chefredaktor Marcel Rohr und Tamedia-Oberchef Arthur Ruthishauser sollten schleunigst Massnahmen für eine faire Betriebskultur und Lohngleichheit treffen, und diese regelmässig überprüfen. Und bei Nichterreichen der Ziele persönlich Konsequenzen ziehen. 

  2. Das Parlament diskutiert aktuell über eine ausgebaute Medienförderung für Print- und Onlinemedien. Diese sollte an eine Frauenquote in der Führungsetage von Redaktionen gebunden werden. Ich schlage vor: 30 Prozent Kaderfrauen als Anfang, wer das Ziel nicht erreicht, bekommt weniger Geld. Nach vier Jahren soll man den Anteil auf 40 Prozent erhöhen. 

Die Erfahrung der Tamedia-Journalistinnen der letzten Jahre zeigen leider: Ohne Druck geht nichts.

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