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Nicht nur froh darüber, jetzt wieder arbeiten zu können: Barbara Burgunder, Co-Inhaberin von «brush YOUR HAIR».

Höorlilove

Barbara föhnt sich frei

Seit gestern dürfen die Friseur*innen wieder arbeiten. Wie ist es, nach sechs Wochen wieder Haare zu schneiden? Ein Morgenbesuch bei Barbara Burgunder an der Klybeckstrasse.

04/28/20, 02:39 AM

Aktualisiert 05/03/20, 01:05 PM

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Montag, 10 Uhr im Matthäusquartier. «Huhu!» ruft es aus dem kleinen Büroraum hinter dem Coiffeursalon an der Ecke Klybeck/Matthäus. Barbara Burgunder, schwarzes Oberteil, Leggings mit Leopardenmuster, rosa Birkenstocks, macht gerade Kaffee. Die letzte Kundin ist vor einer halben Stunde gegangen, die nächste kommt in 20 Minuten. «Erstmal Händewaschen, gell!» Zum Trocknen ein kleines Handtuch benutzen, danach das Handtuch in den Wascheimer werfen. Selber Jacke aufhängen. Zwei-Meter-Regel. «Du kennst es ja.»

Barbara, Siezen ist kein Thema, betreibt mit ihrer Kollegin den Salon brush YOUR HAIR, ein riesiger Raum an einer Ecke im Kleinbasel. Zum Interieur gehören Holzlaminat, grosse Zimmerpflanzen, Spiegel mit opulenten Silberrahmen, ein rosa Samtsofa. Rundherum gibt es viele Coiffeursalons, vor den meisten stehen am Montagmorgen lange Schlangen. Vor zwei Wochen hat der Bundesrat bekanntgegeben, dass sie wieder den Betrieb aufnehmen dürfen.

Barbara sass in dem Moment zuhause und war entrüstet. Jetzt hatte es gerade angefangen, in ihr zu rotieren – und dann das: «Versteh mich nicht falsch, finanziell ist das natürlich super. Aber mein Prozess war noch nicht zu Ende.»

Von Hundert auf Null

Durch Corona war sie zum ersten Mal seit langem gezwungen, ihr Leben einen Gang runter zu schalten. Sie nennt es «den totalen Zwang zur Entschleunigung». Damit übertreibt sie nicht. Vor Corona arbeitete Barbara zehn Stunden, ist danach noch in die Beiz und in den Ausgang. Sie kennt jede*n hier, alle paar Minuten bleibt jemand an der Tür stehen und ruft hinein, um Hallo zu sagen. Das Telefon klingelt alle fünf Minuten, Barbara geht ran und redet mit ihren Kund*innen wie mit alten Freund*innen: «Schön, von dir zu hören!» Sie ist für die nächsten zwei Wochen ausgebucht.

Jede*r hat seine Pandemie-Phasen. Für Barbara waren es drei. Mit dem Lockdown kam das permanente Am-Rad-drehen. Was soll das, wie würde sie es mit dem Geld machen, was passiert mit dem Salon? Dann nach und nach die auferlegte Entspannung. Jetz chill en aifach mol yyne. Sie pflanzte Tomaten, machte Pesto, hörte Hörbücher, fing endlich mit dem Klavier spielen an.

«Was wir alles arbeiten immer. Wir sind nicht ganz gebacken!»

Barbara Burgunder

Als klar wurde, dass niemand weiss, wie lange die Situation andauern würde, kamen die existenziellen Fragen. Wieso musste sie ständig so am Limit sein? Für Barbara eine Frage, die sich die Gesellschaft als Ganzes stellen muss. «Was wir alles arbeiten immer. Wir sind nicht ganz gebacken!»

Die zweite Kundin heute ist Vanessa, Pflegefachfrau. Erst wird die Gesichtsmaske montiert, dann weist sie fachmännisch auf die Vorschriften hin. «Hast du Einweghandtücher?» Barbara verneint. Zu viel Abfall. Lieber die benutzten Tücher sammeln und waschen.

Vanessa nickt. Sie sieht nicht wie jemand aus, der einen Haarschnitt braucht. Während des Lockdowns hat sie sich die Haare selbst gefärbt, die Mischung stellte ihr Barbara vor die Tür. Jetzt sollen sommerliche Highlights rein, ein Kupferton. Und der Schnitt? «Wir schauen gleich noch, was wir da machen», sagt Barbara, während sie Vanessa eine weisse Pampe in die Haare streicht. «Die Panikphase hast du jetzt jedenfalls überstanden.»

Der wichtigste Termin der Woche

Ihre eigene Panikphase ist auch vorbei. Doch Corona hinterlässt Spuren. «Vieles wird nicht mehr so sein wie zuvor», sagt Barbara und Vanessa nickt zustimmend. Nur weil sie jetzt wieder geöffnet hat, heisst das noch lange nicht, dass alles beim Alten ist.

Pause, um die Farbe einwirken zu lassen. Vanessa steht vor dem Salon und raucht. «Für Barbara sind wir nicht nur Kundinnen», sagt sie und wedelt bedeutungsvoll mit der Zigarette. «Sie ist nicht nur eine Friseurin, sie hat eine grosse Humanität.» Vanessa weiss von ihren Patient*innen, was für einen Stellenwert der Besuch beim Friseur hat: «Wichtigster Termin in der Woche!» Das komme nicht von ungefähr.

Zurück im Coiffeurstuhl. Barbara föhnt die gefärbten Haare, die beiden Frauen sind sich einig: Sieht super aus. Gleich wird Vanessa bezahlen und zur Tür raus sein, um Platz für die nächste Kundin zu machen. Und Barbara? «Ich will achtsam bleiben, mich wieder spüren», hatte sie zu Vanessa gesagt. «Diese Fähigkeit hatte ich verloren. Und jetzt hab ich sie wieder gefunden.» 

Brush YOUR HAIR, Klybeckstrasse 84, 4057 Basel. Reservationen unter 061 556 20 92.

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