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Vontobels Wachstumsschübe

So gehen Gesundheit und Lebensfreude der Rentnerinnen vor die Hunde

Die Frauen ärgern sich zu recht: Die Erhöhung ihres Rentenalters verschärft die ohnehin eklatante Benachteiligung gegenüber den Männern.

02/17/21, 03:11 AM

Aktualisiert 02/17/21, 07:21 AM

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Würde im Alter: Die AHV ist für Frauen sehr wichtig.

Würde im Alter: Die AHV ist für Frauen sehr wichtig. (Foto: Symbolbild via Pixabay )

Noch ist es nicht definitiv, aber die vorbereitende Kommission hat sich schon mal entschieden: Das AHV-Rentenalter der Frauen soll von 64 auf 65 angehoben werden. Dadurch spart die AHV jährlich 1,4 Milliarden Franken. Davon sollen während sechs Jahren 440 Millionen Franken dafür verwendet werden, die Rentenkürzungen (für Frauen die weiterhin mit 64 in Rente gehen, oder den Job verlieren) teilweise abzufedern.

Gegen dieses Ansinnen laufen die Frauen (und auch viele Männer) jetzt Sturm. Bereits sind über 300'000 Unterschriften gesammelt worden, um die Parlamentarier*innen, bzw. erst einmal den Nationalrat, umzustimmen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass dieses Anliegen sehr berechtigt ist – sowohl aus sozialer als auch aus volkwirtschaftlicher Sicht.

«Da sind die Unterschiede schlicht skandalös.»

Zugegeben: Die grösste Ungleichheit kommt nicht von der AHV sondern von den Renten der Pensionskassen. Da sind die Unterschiede schlicht skandalös. Es fängt damit an, dass Frauen eine gut 30 Prozent geringere Aussicht haben, überhaupt eine PK-Rente zu kassieren. Und wenn doch, fiel diese gemäss der Statistik der Neurenten 2018 im Schnitt (Median) mit 1165 Franken nur etwa halb so hoch aus, wie bei den Männern, die 2217 Franken kassierten. Das ärmste Viertel der Frauen (die das Glück haben, überhaupt einen Anspruch auf eine PK-Rente haben) erhalten bloss 612 Franken oder 54 Prozent weniger als die Männer die immerhin 1327 Franken kassierten.

Wenn man sich daran erinnert, wie die 2. Säule konstruiert ist, darf man sich darüber nicht wundern: Der mittlere Lohn für eine Vollzeitstelle liegt bei rund 86'000 Franken für Männer und 72'000 für Frauen. Zieht man davon den Koordinationsabzug von 25'000 Franken ab, bleibt ein  versicherter Lohn von 61'000 Franken für die Männer und 47'000 Franken für die Frauen.  Nimmt man nun den typischen Fall eines 100-Prozent-Pensums für den Mann und 60 Prozent für die Frauen, so kommen wir auf ein Verhältnis der versicherten Löhne von 61'000 Franken für die Männer zu 11'600 Franken für die Frauen.

«Besonders dumm und hartherzig ist es, bei jenen zu sparen, die eh nicht genug konsumieren können.»

Zum Glück füllt die AHV diese Kluft ein wenig auf. Zählt man beide Renten zusammen, kassiert die Hälfte der Frauen monatlich 2915 Franken oder mehr; gegenüber den 3866 Franken für die Männer. Das ist eine Lücke von 25 Prozent  gegenüber 57 Prozent bei den Pensionskassen-Renten allein. Beim ärmsten Viertel der Rentnerinnen sind die Unterschiede mit 2335 beziehungsweise 3029 Franken ein wenig kleiner, aber dieses Manko von rund 700 Franken tut sehr weh. Mit einer günstigen Miete kommt man mit 3029 noch knapp über die Runden, doch bei 2335 Franken gehen Gesundheit und Lebensfreude vor die Hunde.

Nun kann man argumentieren, dass die AHV-Kasse irgendwie saniert werden muss. Doch wir müssen über den Tellerrand der AHV-Kasse hinaussehen. Die Schweiz erzielt jährliche Nettoüberschüsse von gut 60 Milliarden Franken. Das heisst, wir leben und konsumieren weit unter unseren Verhältnissen. Kollektiv gesehen sparen wir zu viel. Noch mehr zu sparen, ist schlicht dumm. Und besonders dumm und hartherzig ist es, bei jenen zu sparen, die eh nicht genug konsumieren können.

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Werner Vontobel ist gebürtiger Basler und einer der bekanntesten Wirtschaftsjournalisten der Schweiz. Auf Bajour bringt er sich regelmässig zu volkswirtschaftlichen Themen, konjunkturpolitischen Grundsatzdebatten und ökonomischen Sinnfragen ein.

In der Schweiz beträgt die Armutsquote bei den Erwerbstätigen 5,7 Prozent. Bei den Rentnern ist dieser Anteil gut doppelt so hoch und bei den Rentnerinnen steigt er auf 20 Prozent. Noch schlechter steht es um die alleinlebenden Rentnerinnen, von denen rund 30 Prozent unter der Armutsgrenze leben.

Und ausgerechnet bei diesen Leuten sollen jetzt jährlich 1,4 Milliarden Franken gespart werden. Nach dem Motto: Die AHV-Kasse muss voll sein, auch wenn damit die eh schon leeren Kassen vieler Rentnerinnen geplündert werden.

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