Besser leben in Basel – Sao Paolo macht's vor
Konzerte auf der Dreirosenbrücke, sünnelen in den Privatgärten am Rheinufer – das Schweizer Architekturmuseum denkt über neue öffentliche Räume nach. Das sind die Ideen.
Partymachen auf der Autobahn? In Sao Paolo ist das möglich! Die 3,5 Kilometer lange Hochautobahn Minhocão bleibt jedes Wochenende für den Autoverkehr gesperrt, sodass mitten auf dem Asphalt gefeiert wird, Menschen Drachen steigen lassen und vieles mehr. Minhocão ist eines von zahlreichen Beispielen, wie in der brasilianischen Metropole der öffentliche Raum sozialer und zugänglicher gemacht wird.
Das so etwas auch in Basel möglich wäre, zeigt derzeit die Ausstellung «Access for all. Sao Paolos soziale Infrastrukturen» im Schweizerischen Architekturmuseum (SAM). Dort haben sich Architekturstudenten der Fachhochschule Nordwestschweiz ein Beispiel an Sao Paolo genommen – und fünf Orte entlang des Rheinufers umgestaltet.
Wahnsinn, dort würden wir am liebsten schon heute chillen! Aber schau selbst:
Standort 1: Rheinhafen Klybeck / Wiese
Die Vision der FHNW-Studierenden Isabel Schildknecht und Daniela Weber:
«Zurzeit ist die Rheinpromenade auf der französischen Seite von Industrie geprägt und grösstenteils mit Stacheldrahtzäunen abgesperrt. Unsere Intervention sollte diese triste Umgebung aufleben lassen und einen Mehrwert für die Passanten, Bewohner Huningues und auch Basels generieren.
In der Kläranlage sehen wir das Potenzial, eine zugängliche Wasserfläche zu schaffen, die auch unter dem Gebäude eine einmalige Stimmung erzeugen kann. Die Brücke sehen wir als wichtigen Teil unseres Projekts, da sie neue Wege zulässt und unser Gebäude auch von Kleinbasel gut erreichbar sein soll.
Im Moment gibt es eine riesige Lücke zwischen der Dreirosen- und der Dreiländerbrücke, welche mit dem geplanten Übergang geschlossen wird und so kürzere Wege entstehen lässt. Zudem verstärkt die Brücke die Beziehung zwischen Frankreich und der Schweiz, ohne etwas spezifisch aufzuzwingen.»
🤔 Julius denkt:
An der französischen Seite des Rheins hängen und zum Basler Hafen gucken? Top! Vielleicht wird das dort ja ein neuer Treffpunkt der Jugend, wie es der Hafen bereits ist. Was ich genau von mehr Wasserfläche bei der Kläranlage habe, weiss ich nicht.
Standort 2: Rhypark / Dreirosenbrücke
Die Vision der FHNW-Studierenden Emil Donati und Jessica Ridolfi:
«Die Dreirosenbrücke ist eine der Hauptverbindungen zwischen Gross- und Kleinbasel, zudem ist sie der einzige Brückenbau in der Stadt, der zweistöckig ist. Darin sahen wir Potential. Ausserdem erfahren beide Seiten der Brücke gerade eine Umgestaltung: Der Novartis-Park wird schrittweise für die Bevölkerung geöffnet und das Klybeckplus-Areal wird vielschichtig umgenutzt.
Insofern wurde das Projekt von Anfang an mit der Vision von Basel 2050, einer grüneren und nachhaltigeren Stadt, konzipiert und sah daher eine erste Transformation der Brücke mit der Eliminierung der Autos auf der oberen Ebene vor. Dadurch wird ein neuer Raum geschaffen, der ausschliesslich Fussgängern und Velofahrern, sowie der Strassenbahn vorbehalten ist.
Die Grüne Brücke wäre in der Stadt von weit her ersichtlich und hätte somit eine grosse Strahlkraft. Sie könnte als Pilotprojekt für die zukünftige, autofreie Stadt Basel funktionieren. Im Laufe der Zeit würde die Brücke durch den Bau von zahlreichen Pergolen, Nischen und Terrassen eine weitere Modifikation erhalten. Ein grosser, zentraler Platz auf der Brücke, der für Veranstaltungen aller Art Verwendung findet, bildet das Herzstück.»
🤔 Julius denkt:
Dreirosenbrücke ohne Autos? Geil! Wie cool das bereits von Distanz aussehe, wenn mitten auf dem Rhein plötzlich Bäume stünden. Und ausserdem: Die Autos können ja bereits unten durchfahren.
Standort 3: Pfalz / Rheinufer
Die Vision der FHNW-Studierenden Tim Bögli und Max Rüfli:
«Es geht uns bei dem Standort besonders um die neue Wegerschliessung und einige öffentliche Nutzungen, welche teils mit den anliegenden Schulen und der Universität in Verbindung stehen. Es war nicht unser Ziel, eine grosse neue Promenade zu gestalten, diese Aufgabe übernimmt das Kleinbasler Rheinufer sehr gut (schon nur wegen der Ausrichtung zur Sonne, das Grossbasler Rheinufer liegt meist im Schatten).
Wir versuchen mit unserer Intervention auf eine möglichst subtile Weise, gezielt den öffentlichen Raum zu erweitern und die Lücken zwischen Wettstein- und Mittlerer Brücke zu schliessen. Somit haben wir uns dafür entschieden, den Bestand so wenig wie möglich zu verändern. Wo es uns sinnvoll erschien, öffneten wir einige Gärten, aber alle privaten Gärten zu terrassieren erschien uns als ein zu grosser Eingriff.
Wichtig ist auch noch zu erwähnen, dass unser Vorschlag die bekannte Altstadtfassade kaum verändert und der Weg schwellenlos und somit rollstuhlgängig ist. Die Schifffahrt wird durch unsere Eingriffe nicht beeinträchtigt.»
🤔 Julius denkt:
Ich bin vermutlich nicht der Einzige, der sich im Sommer wundert, warum im Kleinbasel die Leute am Rhein geradezu aufeinandersitzen, während es im Grossbasel teilweise nicht mal einen Uferweg gibt. Ich würde mir aber auch mehr Zugangsmöglichkeiten beispielsweise vom Rheinsprung aus wünschen!
Standort 4: Sevogelbrücke
Die Vision der FHNW-Studierenden Lola Wegenstein und Luca Peter:
«Die Idee einer Brücke zwischen den Stadtquartieren St. Alban und Wettstein hat Geschichte. Schon mehrere Male wurde eine Brücke auf der Höhe der St.-Alban-Fähre geplant, doch nie wurde sie Realität. Wir möchten mit unserem Vorschlag zunächst diese Lücke füllen, damit die erwähnten Quartiere nicht mehr nur über Umwege verbunden sind. Zweitens wollen wir die klassische Brücke hinterfragen: Es soll eine soziale Verbindung sein und nicht mehr nur Infrastruktur.
Die schwimmende Plattform, als saisonal adaptierbarer Aufenthaltsort, unterstützt die Durchmischung und die Zusammenkunft der passierenden Menschen. Im Sommer bietet sie beispielsweise eine neue Badeanstalt, in den restlichen Monaten schafft sie Platz für Ausstellungen, Märkte und wird ganzjährig bewirtet.»
🤔 Julius denkt:
Vor allem eine bessere Veloanbindung des St. Albans mit dem Wettsteinquartier ist ansprechend. Auch die Form der Brücke finde ich interessant – diese würde sicher in Basel herausstechen.
Standort 5: Schwarzwaldbrücke / Birsköpfli
Die Vision der FHNW-Studierenden Silvan Gerber und Jonathan Allemann:
«Das Birsköpfli ist im Sommer einer der beliebtesten Aufenthaltsorte in Basel. Dann ist die Platzkapazität stark ausgeschöpft, während es im Winter durch fehlende Innenräume unattraktiv ist. Unser Ziel ist es, dem Birskopf durch den Sommer mehr Grünfläche anzubieten und für den Winter gedeckte Innenräume zu schaffen.
Die S-Bahn-Station ist ein weiterer Bestandteil. Sie soll die schlechte Erschliessung des Birsköpflis und des umgebenden Quartiers optimieren und wird ausserdem auch den Roche-Mitarbeitern nähergebracht. Somit präsentiert sich unser Projekt als öffentliches Zentrum am Ostende von Basel. Unser Symbiont ist eine Mischung aus Frequenz und Aufenthalt, welcher das Gebiet ganzjährig beleben soll.»
🤔 Julius denkt:
Im Sommer ist das Birsköpfli schon immer sehr voll. Da mehr Platz zu bekommen, wäre grossartig! Ich frage mich aber, ob eine S-Bahn-Station wirklich so ein toller Aufenthaltsort ist.
Und Minhocão? Liesse sich eigentlich auch die «Party-Autobahn» auf Basel übertragen? Durchaus, findet SAM-Direktor Andreas Ruby – zum Beispiel auf dem Heuwaage-Viadukt:
«Sonntags ist auf der Heuwaage ohnehin weniger Verkehr als unter der Woche. Warum sollte Basel es nicht einmal ausprobieren, diese wenig beliebte Hochstrasse sonntags für den Autoverkehr zu sperren, um der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich diesen Raum stadt- und gesellschaftsdienlich anzueignen? Es wäre eine hedonistische Form von Umweltschutz!»