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Kulturtipps #5

Diese Woche reisen wir mitten ins Herz der Finsternis

Der Oscargewinner Barry Jenkins hat die Serie des Jahres geschaffen. Aber auch sonst gibt's über das Pfingstwochenende einiges zu entdecken.

05/20/21, 04:00 AM

Aktualisiert 05/20/21, 04:00 AM

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Serie von Barry Jenkins

Erlebt Rassismus auch fernab der Plantage: Cora (Thuso Mbedu) in der Serie «The Underground Railroad». (Foto: Amazon Prime Video)

Willkommen zu den Kulturtipps #5, heute mit einem Quereinstieg, der nicht unbedingt Basel spezifisch ist, der sich aber lohnt, versprochen. Denn eben wurde die wahrscheinlich beste Serie des Jahres veröffentlicht.

Die beste des Jahres? Klar, es ist erst Mai, doch etwas Dringlicheres und Kunstvolleres werden wir bis Ende Jahr kaum mehr sehen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

Und ich verrate auch, wie ihr diese Serie schauen könnt, ohne für ein entsprechendes Abo zu bezahlen.

Achtung: Wer mit Serien gar nichts am Hut hat, springt einfach etwas weiter runter zur (virtuellen) Art Basel ⬇️⬇️

Parat?

Dann bitte gut anschnallen, denn wir reisen diese Woche:

zu zehn Stationen im rassistischen Amerika 🚂

Die Serie, die ich hier in höchsten Tönen lobe, heisst «The Underground Railroad». Du kennst vielleicht den gleichnamigen Roman von Colson Whitehead, der 2017 mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde. Dieser wurde nun vom US-Regisseur Barry Jenkins (Oscargewinner 2017 für «Moonlight») als zehnteilige Serie verfilmt.

Die Prämisse bleibt gleich: Es geht um Cora (Thusa Mbedu) und Ceasar (Aaron Pierre), die auf einer Baumwollplantage im südlichen US-Bundestaat Georgia als Sklaven gehalten werden und von dort die Flucht ergreifen. Das ist schwere Kost, vor allem während der ersten Folge, die die grausamen Verhältnisse auf der Plantage so schonungslos vor Augen führt wie einst der Kinofilm «Twelve Years a Slave».

Doch dann passiert etwas Einzigartiges: Der historisch belegte underground railroad – also die geheimen Fluchtrouten und Verstecke, mittels derer Versklavte im 19. Jahrhundert in den sicheren Norden gelangten – wird im Buch wie in der Serie wörtlich genommen: Cora und Caesar flüchten auf einer geheimen Dampflokomotive, die unterirdisch die Staatsgrenzen überquert.

Magischer Realismus heisst dieser Kniff, der hier gezielt zum Einsatz kommt: Fast jede Folge beginnt an einer neuen Haltestelle, in einem neuen Staat. Und das ist jedes Mal wie ein eigenständiger Film, der immer neue Facetten des Rassismus herausschält.

Diesen entsetzlichen und himmeltraurigen Zuständen setzt Barry Jenkins – das ist seine grosse Kunst – leuchtende Bilder voller Würde und Empathie entgegen. Immer wieder filmt er seine herausragenden Darsteller*innen so, dass sie frontal in die Kamera blicken, als würden sie direkt mit uns Zuschauer*innen sprechen und als würden wir ihnen direkt in die Seele blicken. Zum Glück gibt es einen Pausenknopf, zum Glück können wir uns zwischen den einzelnen Folgen erholen – so intensiv ist das Ganze.

Wie und wo kann man das sehen? Nun, alle zehn Folgen lassen sich auf Amazon Prime Video streamen. Kein Abo? Kein Problem! Mit ein paar wenigen Klicks lässt sich dort ein kostenloses Probe-Abo einrichten (und hinterher auch ziemlich einfach wieder künden).

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Barry Jenkins: «The Underground Railroad»

10 Folgen à ca. 60 Minuten, jetzt bei Amazon Prime Video.

zur virtuellen Art Basel 🖥️ 🖼️

Art Basel Live: Hong Kong

Die Art Basel: Hong Kong kann man auch virtuell besuchen. (Foto: Screenshot)

Die zweite Mai-Hälfte versetzt unsere Stadt, mit dem Einzug der Art Basel, normalerweise in den Ausnahmezustand. Dieses Jahr wurde die Messe pandemiebedingt aber in den September verschoben.

Dafür geht es dieser Tage mit der Art Basel in Hong Kong los – und zwar so richtig, physisch. Toll für jene vor Ort!

Der Rest von uns kann auch reinblicken, zumindest ein bisschen, und zwar virtuell. Derzeit gewährt ein Daily Broadcast Einblicke hinter die Kulissen sowie ein Sneak Preview mit verschiedenen Künstler*innen und Kurator*innen.

Und von Freitag bis Sonntag erhält man, mit einem entsprechenden Login, auch Zugang zu den Online Viewing Rooms für verschiedene Gallerien. So kommt auch aus der Distanz ein bisschen Art-Feeling hoch.

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Art Basel Live: Hong Kong

21. bis 23. Mai.

in die Höhle des Löwen 🎶

LiedBasel 2021

Zwischen Zolli und Shakespeare: Das Festival LIEDBasel.

Du willst nicht die ganze Zeit vor deinem Computer verbingen? Dann könntest du zum Beispiel das internationale Festival LIEDBasel, das am 26. Mai startet, im Ackermannshof besuchen.

Die Veranstaltung, die dieses Jahr unter dem Motto «Gut gebrüllt, Löwe» stattfindet, versteht sich als eine zeitgemässe Auseinandersetzung mit der Kunstform Lied und hält ein abwechlungsreiches Programm parat:

Neben verschiedenen Liederabenden finden zum Beispiel auch ein Mitmachkonzert für Kinder («Warten auf den Zauberwald») statt, ein Panel über die Musikalität von Shakespeares Versen sowie ein Konzert im Zoo Basel.

Besonders spannend dürfte der Eröffnungsabend mit Erzählungen und Musik Ivor Gurney werden. Der Komponist und Lyriker wurde einst als «Englischer Schubert» bezeichnet. Er kam 1890 zur Welt, diente im Ersten Weltkrieg und hatte zeitlebens mit psychischen Problemen zu kämpfen. Wie meine Kollegin Anna Kardos in der NZZ am Sonntag schreibt, erschuf Gurney seine besten Lieder und Gedichte in den Schützengräben, die ihm zu einer Schutzzone vor seiner Depression wurden. Er starb 1937 in einer Heilanstalt.

Der Erzähl-Liederabend zu Ivor Gurney, mit Klaus Brömmelmeier (Schauspiel und Gesang) und Ioana Ilie (Klavier), findet am 26. Mai um 21.30 Uhr statt.

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Internationales Festival LIEDBasel

Druckereihalle, Ackermannshof, 26. bis 30. Mai.

auf die Tanzbühne 🕺

Es ist wohl kein Zufall, dass ich fast jede Woche in den Kulturtipps eine Tanzveranstaltung empfehle. Nichts reisst mich stärker aus der Pandemie-Lethargie als Bewegungskunst.

Diese Woche gehen wir nach Birsfelden ins Theater Roxy. Dort stellt die Basler Choreografin Mirjam Gurtner, die auch in Berlin arbeitet, «Play» vor. Die Performance ist eine Mischung aus Tanz, Musik und bildender Kunst. Laut Veranstalter*in nehmen die Tänzer*innen das Publikum mit auf eine Reise durch «verschiedene Zustände von Spiel».

Wer sich darunter, wie ich, erstmal wenig vorstellen kann, schaut sich oben das Video an. Und schwingt zu den kraftvollen Drums schonmal erwartungsfreudig die Hüften.

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Mirjam Gurtner: «Play»

Theater Roxy, Birsfelden, 20., 21., 24. und 25. Mai.

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