Basel-Stadt senkt Impf-Ziel um 20’000 Personen (und niemand merkts)

Vor einem Monat haben die Basler Behörden versprochen, bis Ende Juni alle Impfwilligen zu bedienen. In der neuen Zielvorgabe ist nur noch von den «bereits Registrierten» die Rede. Was ist da passiert?

Im März sagte das Basler Gesundheitsdepartement der «bz», bis Ende Juni seien etwa 62 Prozent der impfberechtigten Bevölkerung geimpft, macht 106’000 Geimpfte (grüne Linie in der Grafik). Dass die tatsächliche Anzahl geimpfter Personen langsamer steigt als die anvisierte Gerade, ist dabei kein Problem – im Mai und Juni werden mehr Impfdosen eintreffen als im April, die Kurve wird steigen.

Doch dann, vergangenen Donnerstag, gab es ein Update: «Das Gesundheitsdepartement kann festhalten, dass die Impfungen nun weiter Fahrt aufnehmen», die versprochenen Lieferungen vorausgesetzt, werden bis Ende Juni alle 54‘600 bereits registrierten Personen geimpft werden können. Wenn man nachrechnet (wie genau, siehe Box), merkt man: Das sind 20’000 weniger Personen als noch im März angekündigt. Doch über diese neu angepasste Zahl verlieren die Behörden kein Wort.

Wie wir gerechnet haben

In der Mitteilung vom 23. März wird von «allen impfwilligen Personen» gesprochen, im bz-Artikel präzisiert, dass die Basler Behörden davon ausgehen, dass sich 62 Prozent der impfberechtigten Bevölkerung impfen werden. In Basel-Stadt leben rund 170’900 Erwachsene, 62 Prozent davon ergibt 106’000 (die Zahl und damit das erste Impfziel könnte sogar noch höher sein, da der Pfizer-Impfstoff ab 16 Jahren zugelassen ist).

Das zweite Impfziel von 86’370 Personen ergibt sich aus den offiziellen Zahlen von Mitte April: 27‘500 geimpfte Personen plus 4‘270, die aktuell einen Termin haben, plus rund 54‘600 Personen, die sich registriert haben.

Die Differenz zwischen den beiden Impfzielen beträgt 20’000 Personen.

Bajour hat zweimal bei Anne Tschudin vom Gesundheitsdepartement nachgefragt: «Warum haben die Behörden das Impfziel (um 20’000 Personen nach unten) angepasst?» Sie sagt: «Ich kann Ihre Berechnungen nicht bestätigen. Es hat auch keine Anpassung des Impfziels stattgefunden. Unser Ziel, das wir am 23. März kommuniziert haben, lautete und lautet unverändert: bis Ende Juni werden voraussichtlich alle Erwachsenen einen Termin für die erste Impfung erhalten haben.»

Womit wir noch ein drittes Mal nachfragen könnten:

  • welche Erwachsenen genau, ALLE? 
  • Oder nur die, die sich bereits fürs Impfen angemeldet haben? 
  • Und was passiert mit den Registrierten, sollten sich weitere Risikopatient*innen anmelden? 

Wir von Bajour werden von jetzt an diese Impfgrafik täglich aktualisieren und auf unserer Seite und im Briefing publizieren. Man sieht darauf:

  • wie viele Menschen geimpft werden
  • welche Ziele die Behörden angeben
  • und welche sie tatsächlich erreichen

Das machen wir auch fürs Baselbiet. Dort ist das Ganze übrigens viel einfacher, auf eine klare Frage bekommt man eine klare Antwort. So schreibt Rolf Wirz vom Krisenstab auf Anfrage: «Wir haben aktuell etwas über 100'000 Registrierungen (inkl. diejenigen, die bereits geimpft sind). Mit den vom BAG prognostizierten Liefermengen darf davon ausgegangen werden, dass alle Impfwilligen in BL bis Jahresmitte geimpft sind».

Kurzkommentar

Das Basler Gesundheitsdepartement ist sicher nicht schuld, wenn sich Impfungen verzögern, weil weniger Impfstoff geliefert wird. Aber wir, die Bevölkerung, die wir uns seit über einem Jahr in Zurückhaltung üben und grösstenteils voller Hoffnung auf einen baldigen Impftermin warten, haben Klarheit verdient. Wenn weniger Impfstoff kommt, wenn es nochmals einige Wochen oder Monate länger gehen sollte, dann haben wir ein Recht darauf, das zu erfahren - direkt und ungefiltert. Und nicht hinter Klausulierungen versteckt.

Im vergangenen Jahr hat Basel-Stadt unter dem Strich einen guten Job gemacht. Aber in den letzten Wochen scheinen die Basler Behörden punkto Kommunikation einen Knopf zu haben. Drei Beispiele:

  • Eltern erfuhren am Wochenende vor Schulbeginn nach den Frühlingsferien, dass verschnupfte Kinder nur noch getestet in die Schule dürfen.
  • Die Behörden geben auf wiederholte Nachfrage keine klare Antwort auf die Frage, wieso Basel-Stadt so spät dran ist mit Massentesten an Schulen und wann es so weit ist.
  • Und jetzt wurde das Impfziel durch die Hintertüre angepasst.

Sehr geehrter Regierungsrat Lukas Engelberger, sehr geehrter Herr Kantonsarzt Thomas Steffen und sehr geehrte Frau Departementssprecherin Anne Tschudin: Kommunizieren Sie bitte offen, wenn es zu Fehlern kommt. Es ist nicht schlimm, wenn hochgesteckte Ziele nicht eingehalten werden – zumindest dann nicht, wenn Sie vollen Einsatz gegeben haben.

Dann spürt die Bevölkerung: Die Regierung gibt alles, aber sie kann auch nicht zaubern. Das verlangt auch niemand, aber Offenheit und Transparenz, das schon. Das schafft Vertrauen.

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Screenshot von Telegram zum Fall Lisa KESB Mahnwache

Bajour,Lotta Maier* am 09. April 2024

Warum Staatsfeind*innen schon wieder eine Institution unweit von Basel belagern

Nachdem Staatsverweigerer*innen und Massnahmengegner*innen wochenlang die Kinderschutzbehörde (KESB) in Sissach belagerten, steht nun ein Kinderheim im Schwarzbubenland in ihrem Fokus. Was steckt hinter der Gruppierung? Eine Spurensuche zwischen Verschwörungsglaube und Radikalisierung.

Weiterlesen
Nicola_Sitzend

am 26. Juli 2023

«Mit meiner Geschichte kann ich anderen Mut machen»

Schon seit ihrer Jugend leidet Nicola Renfer unter Migräneanfällen. Durch die Corona-Infektion im Januar 2022 wurden die Schmerzen so stark, dass sich ihr Leben um 180 Grad verändert hat. In der Poesie hat sie eine neue Leidenschaft gefunden.

Weiterlesen
Krieg in der Ukraine Demonstration Basel

Michelle Isler am 06. Januar 2023

«Mahnwachen sind nun mal keine Demonstrationen»

287 Demonstrationen zählte die Polizei 2022. Bürgerliche fühlen sich in ihrer Kritik («immer mehr Demos») bestätigt. Ein zweiter Blick zeigt: Bei den meisten Demos handelt es sich um Standkundgebungen.

Weiterlesen
Long Covid Symbolfoto

David Rutschmann am 04. Januar 2023

Die Vergessenen

Das Krankentaggeld vieler Long-Covid-Patient*innen läuft dieser Tage aus – und es ist noch unklar, ob die IV zahlt. Für Betroffene wie Jeanny Fischer geht es um nicht weniger als die Existenz. Ein Fachanwalt denkt deshalb darüber nach, Long Covid als Berufskrankheit bei Pflegeberufen einzustufen.

Weiterlesen

Kommentare