Impfskeptiker bei der Roche? Ja, das geht

Ein höherer Angestellter teilt heikle Inhalte – der Pharmakonzern reagiert zurückhaltend.

Roche Corona Skeptiker
Ein Angestellter der Roche hat auf seinem Linkedin-Profil fragwürdige Posts geteilt.

Eigentlich ist Linkedin dazu da, Berufspersonen und Firmen miteinander zu vernetzen. Doch auch dieses Soziale Medium wird mehr und mehr von Impfskeptiker*innen und Verschwörungsfantast*innen gekapert. Respektive von gestandenen Berufsleuten für ihre im Internet gefundenen «Wahrheiten» benutzt.  

Zum Beispiel von einem Kadermann des Basler Pharmamultis Roche. Um ihn nicht identifizierbar zu machen, können wir seine Funktion nicht im Original wiedergeben. Sinngemäss und auf Deutsch ist er sowas wie der Chef des Medikamentenhandels. Und damit in absehbarer Zukunft auch von gentherapeutischen Produkten, an denen Roche mit Hochdruck forscht.

Ohne jede seriöse Quelle

Man möchte also meinen, der Mann habe eine gewisse Kompetenz bei der Einschätzung der mRNA-Impfstoffe, die im Kampf gegen das Covid-19-Virus zum Einsatz kommen. Stattdessen verlinkt er auf Linkedin auf Websites, die als Fakenews-Schleudern bekannt sind. Der Höhepunkt: Der Link zu einem «Artikel» mit dem Titel «Schweizer Kind stirbt an Covid-Impfung». Der «Artikel» beruft sich auf eine Telegram-Gruppe und schweift nach zwei Sätzen ohne jede seriöse Quellenangabe und ohne glaubwürdige Schilderung der Umstände zu sämtlichen Fällen von angeblichen Impftoten irgendwo auf der Welt ab, die im Netz herumgeistern. 

Dazu sein einleitender Kommentar: «Sind die experimentellen Gen-Therapien gegen Covid-19 doch mit grösseren Risiken behaftet als gemeinhin angenommen?» Erwähnt sei hier, dass mRNA keine Gentherapie ist, respektive die menschliche DNA nicht verändern kann. Hier wird das gut erklärt. 

«Wie kommen Sie darauf, dass ich Fakenews verbreite?»

von Roche-Angestellter

Die Anfrage von Bajour «Weiss Ihr Arbeitgeber, was Sie hier posten? Wie können Sie bei einem Pharmaunternehmen arbeiten und gegen Pharmaerzeugnisse Stimmung machen?» beantwortet er mit der Gegenfrage «Was genau verstehen Sie unter Stimmung machen gegen Pharmaerzeugnisse?» 

Also nachgedoppelt: «Sie verlinken impfkritische Inhalte. Die Impfstoffe sind pharmazeutische Erzeugnisse ... Zudem verbreiten Sie Fakenews – zum Beispiel die Meldung über das tote Kind. Wie kann es sein, dass Sie für eine Firma arbeiten, die z. B. in Sachen Gentherapie forscht, und gleichzeitig gegen die Corona-Impfstoffe sind?»

Seine Antwort: «Wie kommen Sie darauf, dass ich Fakenews verbreite?» Gefolgt von der Umkehr der Beweislast: «Kennen Sie die Person, welche die Meldung verbreitet hat? Möglicherweise werden wir bald durch andere Medien mehr erfahren.» Zudem hält der Pharma-Angestellte fest, dass die Impfung, die er konsequent in Anführungszeichen setzt, eine Gentherapie ist und er die Technologie, die viel Gutes bewirken kann, vor Schaden schützen will.

«Die Mitarbeitenden sind dazu angehalten explizit zu kennzeichnen, dass sie sich als Privatperson äussern und die geteilten Inhalte in keinem Zusammenhang mit der Roche stehen.»

von Nina Mählitz, Mediensprecherin Roche

Und damit seine Arbeitgeberin. Denn: «Die Roche ist ein hervorragendes, fortschrittliches Unternehmen, welches das Ziel hat, den Patienten möglichst zielgerichtet, innovative, effiziente und sichere Medikamente zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen erwartet von den Mitarbeitern eigenverantwortliches Handeln, kritisches Hinterfragen und selbständiges Denken.» 

Anfrage also bei der Roche-Medienstelle, noch in der Meinung, es könnte sich allenfalls um ein Fakeprofil handeln. Die Antwort von Sprecherin Nina Mählitz: «Wir können bestätigen, dass es sich beim einkopierten Profil nicht um ein Fakeprofil handelt. Wir sensibilisieren unsere Mitarbeitenden regelmässig hinsichtlich des privaten Umgangs mit den sozialen Medien. Die Mitarbeitenden sind dazu angehalten explizit zu kennzeichnen, dass sie sich als Privatperson äussern und die geteilten Inhalte in keinem Zusammenhang mit der Roche stehen.»

«Kritisch denkende Privatperson»

Und dennoch: Der Mann nennt an erster Stelle seine Funktion und seinen Arbeitgeber. Erst dann steht: «Ich teile diesen Beitrag als kritisch denkende und eigenverantwortliche Privatperson.» Kein Grund, mit ihm ein ernstes Wörtchen zu reden? Oder anders gefragt: Welche Konsequenzen drohen ihm? Dazu Nina Mählitz: «Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Fragen zu einzelnen Mitarbeitenden grundsätzlich nicht kommentieren.»

Seither hat er viele weitere Posts abgesetzt. Das tote Kind kam aber nicht mehr vor.

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