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Warum auch Basler KMU die Stempelsteuer abschaffen wollen

Die Schweiz stimmt im Februar über die Abschaffung der Stempelsteuer ab. Worum gehts da? Und was denken Basler Unternehmer*innen darüber?

01/13/22, 12:17 PM

Aktualisiert 01/17/22, 06:42 PM

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Stempelsteuer, welch sperriger Begriff. Dahinter verbergen sich, einfach gesagt, Steuerabgaben, die ein Unternehmen zahlen muss, wenn es in sich selber investiert. Natürlich ist die Sache noch ein wenig komplexer, wer’s genau wissen will, liest mehr dazu in der Box.

Über diese Stempelabgaben stimmen wir am 13. Februar ab. Besser gesagt darüber, ob sie abgeschafft werden sollen.

Stempel-was?

Am 13. Februar stimmt die Schweiz über die Abschaffung der Stempelsteuern ab. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Stempelsteuern, für diese Abstimmung sind aber nur die Emissionsabgaben wichtig.

Gibt eine Firma Aktien aus, zahlt sie ab einem Betrag von über 1 Million Franken Emissionsabgaben. Diese Abgabe wollen bürgerliche Politiker*innen abschaffen. Um besonders KMUs und Start-Ups zu entlasten, heisst es aus dem Lager der Befürworter*innen. Sie seien zu 90 Prozent von der Abgabe betroffen. 

Eigentlich war die Abschaffung der Stempelsteuer beschlossene Sache. Die Linke ergriff jedoch das Referendum, da sie fürchten, dass damit Grosskonzernen Steuergeschenke gemacht würden. Währenddessen seien Privatpersonen in den letzten Jahren verstärkt zur Kasse gebeten worden. Ausserdem würden KMU und Start-Ups kaum davon profitieren, sind sich SP, Grüne, EVP und Gewerkschaften sicher. 

Der Bundesrat und Nationalrat sind für die Abschaffung der Stempelsteuer. Laut Berechnungen des Bundes, würden damit Mindereinnahmen von 250 Millionen Franken jährlich anfallen. Dafür würden bessere Bedingungen für Wirtschaftswachstum geschaffen.

Der Pharmariese Novartis ist, wenig überraschend, dafür. Der Konzern würde nämlich von einer Abschaffung profitieren. «Ihre Streichung empfiehlt sich auch im Hinblick auf die zu erwartende höhere Steuerlast im Zusammenhang mit der höheren Minimalsteuer, welche die OECD-Steuerreform bringen dürfte», sagt die Novartis-Kommunikationsverantwortliche Anna-Katharina Schäfer. 

«Eine Abschaffung der Emissionsabgabe belohnt Unternehmertum und stärkt den Werkplatz Schweiz und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes.»

Basler Gewerbeverband

Auf derselben Linie wie Novartis sind der Basler Gewerbeverband und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Beide sagen, ohne Emissionsabgaben, würde die Schweiz zu einem attraktiveren Wirtschaftsstandort werden.

«Eine Abschaffung der Emissionsabgabe belohnt Unternehmertum und stärkt den Werkplatz Schweiz und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes», schreibt der Basler Gewerbeverband in seiner Parolenfassung.

Eine Abschaffung wird ausserdem von bürgerliche Politiker*innen unterstützt – allen voran die FDP, die das schon vor über zehn Jahren forderte. Sie sagen zudem, vor allem KMU und Start-Ups würden entlastet. Die Kleinen seien zu 90 Prozent von den Abgaben betroffen.

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Aber stimmt das auch? Die Linke sagt nämlich, KMU und Start-Ups wären kaum von der Stempelsteuer tangiert. Sie abzuschaffen sei unnötig und gehe auf Kosten der Bevölkerung. Sie befürchtet, dass mit einer Abschaffung lediglich Grosskonzernen, wie Novartis, Steuergeschenke gemacht wird.

Der Basler Steuerrechtsprofessor Luzius Cavelti gibt beiden Seiten ein bisschen recht: «In der Realität sind überwiegend mittlere bis grosse Unternehmen und Start-ups von der Stempelsteuer betroffen. Im Verhältnis zu den Einnahmen aus der Gewinnsteuer oder der Mehrwertsteuer sind die Einnahmen aus der Emissionsabgabe jedoch gering.» Bürgerliche und Linke argumentieren dann auch mit unterschiedlichen Zahlen, um ihr bevorzugtes Narrativ zu stützen.

Wie sieht die Situation in Basel aus? Laut dem Bundesamt für Statistik hat Basel-Stadt von 2018 bis 2020 folgende Emissionsabgaben gezahlt:

Die Schweiz ist international bekannt als innovativer und beliebter Start-Up Hub. Auch die Region Basel mischt da gerne mit. Basel ist Standort zahlreicher Pharma- und Biotech-Start-Ups, die meist auf hohe Geldsummen angewiesen sind, um ihre Finanzierung zu garantieren und wachsen zu können. 

Würde der Basler Start-Up-Hub ohne Stempelsteuer noch besser florieren?

«Für ein junges Unternehmen ist die Stempelsteuer ein grosser Kostenfaktor.»

Grzegorz Gonciarz, COO Resistell

Das Pharma-Jungunternehmen Resistell aus Muttenz schaffte es 2021 unter die Top Ten der 100 besten Schweizer Start-Ups. COO Grzegorz Gonciarz erzählt, dass Resistell bereits zwei Finanzierungsrunden hinter sich hat. Die Emissionsabgabe sei für sein Start-Up nicht unerheblich, so Gonciarz: «Für ein junges Unternehmen ist die Stempelsteuer ein grosser Kostenfaktor, und ich würde es auf jeden Fall befürworten, sie aus dem Steuersystem zu entfernen.»

Von solchen Abgaben ist das Familienunternehmen Briccos Wines nicht betroffen. Die Basler Firma zahlt keine Emissionsabgaben, weil sie kein Wertschriftenportfolio führt. «Für uns hätte somit eine Abschaffung keine Auswirkung», sagt Geschäftsführer Guido Briccos. 

«Es gäbe bestimmt andere Steuererleichterungen, die ich als dringlicher ansehen würde.»

Guido Briccos, Geschäftsführer Briccos Wines

Trotzdem würde er Steuer- und Abgabeerleichterungen begrüssen, so Briccos. Die Abschaffung der Stempelsteuer käme wohl vor allen Dingen Unternehmen zugute, die mit grösserem Geldvolumen hantieren. «Somit gäbe es bestimmt andere Steuererleichterungen, die ich als dringlicher ansehen würde», sagt der Weinhändler.

Die Coop-Genossenschaft hat ihren Hauptsitz ebenfalls in Basel. Sie zahlt Stempelsteuern an den Bund. Wieviel, will sie nicht verraten. Zur bevorstehenden Abstimmung könne das Unternehmen keine Stellung beziehen. Coop-Mediensprecher Kevin Blattler schreibt nur so viel zur unternehmerischen Bedeutung einer Abschaffung der Stempelsteuer: «Coop und ihre Tochtergesellschaften könnten in Zukunft steuerbefreit Eigenkapital aufnehmen.»

«An sich ist die Abschaffung kein Drama, aber es zeigt eine gefährliche Tendenz auf: Steuern auf Kapital abzuschaffen.»

Michela Seggiani, SP-Grossrätin und Unternehmerin

Start-Up, Weinhändler und Grosskonzerne sind sich also einig. Eine Unternehmerin hält jedoch dagegen: Michela Seggiani, ihres Zeichens SP-Grossrätin, sieht keinen Handlungsbedarf. Ihre Firma wäre nicht begünstigt. Ohnehin: «Von der Abschaffung profitiert fast niemand», sagt sie. 

Seggiani sieht beunruhigende Absichten hinter der Abstimmung über die Stempelabgaben: «An sich ist die Abschaffung kein Drama, aber es zeigt eine gefährliche Tendenz auf: Steuern auf Kapital abzuschaffen.» Das Argument, dass insbesondere KMU und Start-Ups durch die Steuererleichterung gewinnen würden, lässt sie nicht gelten. Gerade mal 0,3 Prozent aller Unternehmen seien stempelsteuerpflichtig, sagt sie.

Auf diese Punkte geht auch Steuerrechtsprofessor Cavelti ein. Er glaubt, dass die Diskussion über die Emissionsabgabe eine direkte Folge der internationalen Entwicklung und der neuen internationalen Mindeststeuer für Unternehmen ist: Der Steuerwettbewerb verschiebt sich nun auf andere Steuerarten. Die Diskussion über die Emissionsabgabe dürfte nur der Beginn dieser politischen Diskussion darstellen.

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