Ein Sprachrohr für Lernende
Die Grünen-Grossrätin Anouk Feurer möchte die Situation der Basler Lernenden und der Lehrbetriebe verbessern. Von der defensiven Haltung des Erziehungsdirektors Mustafa Atici (SP) und des Gewerbeverbands zeigt sie sich enttäuscht.
«Es muss nun etwas laufen», findet die Grünen-Grossrätin Anouk Feurer. Die Scorpio-Demonstration in Basel unter dem Motto «Ausbildung statt Ausbeutung: Demo für bessere Bedingungen in der Lehre» von Ende März habe die Unzufriedenheit der Lernenden auf den Tisch gebracht. Die Bewegung fordert nicht nur einen Mindestlohn und Gratis-ÖV, sondern kämpft auch für bessere strukturelle Arbeitsbedingungen. Dies, nachdem eine im Juli 2024 veröffentlichte Umfrage der Gewerkschaft Unia besorgniserregende Ergebnisse zutage gefördert hat. So scheint Stress am Arbeitsplatz, Rassismus und Sexismus für viele alltäglich zu sein. Feurer will dies nun ändern, ihr ist es «ein Anliegen, dass die Lehre attraktiver wird, also gleichwertig zur gymnasialen Matura sein sollte». Im Herbst möchte sie einen breit abgestützten Vorstoss einreichen, der zum Ziel hat, die Situation sowohl für Lehrbetriebe als auch für Lernende zu verbessern. Nun aber stellt sie erstmal dem Regierungsrat in einer schriftlichen Anfrage, die Bajour vorliegt, ein paar Fragen.
Allem voran möchte sie von Erziehungsdirektor Mustafa Atici (SP) wissen, wie er in der bz kurz nach der Scorpio-Demonstration zur Aussage gekommen sei, die von der Unia präsentierten Zahlen seien für Basel-Stadt nicht repräsentativ. Die bz folgerte daraus, dass Atici zur Einschätzung käme, strukturelle Probleme in Lehrbetrieben seien nicht vorhanden. «Die Reaktion von Atici ist unbefriedigend», findet auch Feurer. Ausgerechnet er, der sich während des Wahlkampfes stark gemacht habe für eine duale Berufsbildung.
«Die Lernenden haben keine Lobby.»Anouk Feurer, Grünen Grossrätin
Auch der Gewerbeverband verteidigte in dem Bericht die Lehrbetriebe. So sagte Mediensprecher Daniel Schindler: «Solche Themen sind ernst zu nehmen. Aber wir sehen in Basel-Stadt kein flächendeckendes Problem.» Die 24-Jährige findet die Abwehrhaltung bedenklich, «weil die Lernenden ohnehin keine Lobby haben; im Grossen Rat gibt es niemanden, der sie repräsentiert, sie haben kein Sprachrohr – der Gewerbeverband hingegen schon.»
Gleichzeitig ist sich Feurer bewusst, dass die Unia-Zahlen nicht eins zu eins auf Basel heruntergebrochen werden können. «Aber ich hätte mir zumindest gewünscht, dass man sagt, man gehe dem Problem nach.» Weil dies nicht geschehen ist, möchte sie vom Kanton nun neben den Zahlen zum Stressempfinden und erlebter Diskriminierung der Lernenden auch wissen, wie regelmässig die baselstädtischen Lehrbetriebe vom Amt für Berufsbildung kontrolliert werden. Und: Wie viele Ansprechpersonen für Lernende es gibt.
«Der Mindestlohn ist ein notwendiger Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit und Zukunftssicherheit.»Amina Trevisan, SP-Grossrätin
Die Kommunikationschefin des Erziehungsdepartements, Sandra Eichenberger, schreibt auf Anfrage, dass es eine Fachstelle Lehraufsicht gebe, die bei Konflikten zwischen den Lehrvertragsparteien berate, unterstütze und vermittle: «Sie ist somit für Lernende als auch für Lehrbetriebe Ansprechpartnerin und versteht sich als allparteiliche Instanz, die in einem ersten Schritt versucht, das Lehrverhältnis durch Gespräche am runden Tisch zu retten.»
So basiere auch die Einschätzung von Atici in der bz auf dem engen Austausch mit der Fachstelle Lehraufsicht, die im Alltag direkt mit Lernenden und Betrieben arbeitet. Beispielsweise zum Thema sexuelle Belästigung: In Basel-Stadt würden jährlich zwischen zwei und vier Fälle von an die Lehraufsicht gemeldet. Das decke sich nicht mit den Prozentzahlen der Unia-Erhebung, wonach 27.9 Prozent der Frauen und 7.8 Prozent der Männer von sexueller Belästigung berichten. Wichtig ist, so Eichenberger: «Wenn die Lehraufsicht von einem Missstand erfährt, handelt sie rasch und konsequent.»
Auch habe Atici seine Ankündigungen, die Berufslehre attraktiver zu machen, ernst genommen und einen Masterplan entwickelt, der nun angegangen werde (siehe Box).
In einer zweiten schriftlichen Anfrage möchte Feurer zudem mehr über die finanzielle Situation der Lernenden erfahren. Einen Mindestlohn für Lernende, wie SP-Grossrätin Amina Trevisan ihn letztes Jahr bereits erfolglos gefordert hatte, steht bei der Grünen jedoch nicht auf dem Programm. Ein solcher finde nach Feurers Einschätzung zurzeit keine Mehrheit, sagt sie. Dafür bleibt Trevisan am Thema dran, wie sie schreibt, weil ein Mindestlohn ihrer Meinung nach «ein notwendiger Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit und Zukunftssicherheit ist».
Trevisan kritisiert, dass bei der Diskussion um Mindestlöhne für Lernende immer nur die Perspektive des Gewerbes eingenommen werde, wonach die Entlöhnung von Lernenden nicht nur auf monetären Aspekten, sondern auch auf der Möglichkeit, wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln und sich beruflich weiterzuentwickeln basiere. Es erstaune demnach nicht, so die SP-Grossrätin weiter, dass immer weniger Jugendliche eine Lehre machen wollten. Sie findet: «Die jungen Menschen wollen eine Verbesserung der Berufslehre. Der Mindestlohn ist ein Faktor von vielen, die umgesetzt werden müssen.» Einige der anderen Faktoren wollen Feurer und Co. im Herbst mit ihrem geplanten Vorstoss angehen.