Sibel Arslan und Sarah Wyss sind die Mächtigsten

Welche*r Basler*in hat am meisten Einfluss in Bern? Das ist die Rangliste von Politologe Claude Longchamp.

Sibel Arslan, Claude Longchamps und Sarah Wyss
Sibel Arslan (links) und Sarah Wyss bekommen von Claude Longchamp je 7 Punkte. (Bild: zVg/ Illu: Bajour)

Typisch Basel. Wir beklagen uns ständig, wir hätten in Bern zu wenig Einfluss. Und dann schicken wir zwei Nationalrätinnen nach Bern, die gar keine richtige Fraktion im Bundeshaus haben. Patricia von Falkenstein ist Präsidentin der Eymannschen Familienpartei LDP. In Bern ist sie aber Teil der FDP-Fraktion. Sibel Arslan ist Basta-Mitglied in Basel, aber in Bern politisiert sie bei den Grünen.

Um den bundesratslosen Parteireigen komplett zu machen, kommt noch Katja Christ dazu, die aber immerhin als Grünliberale eine eigene Fraktion im Nationalrat hat, aber im Ständerat nicht vertreten ist. Von den Bisherigen sitzen nur Sarah Wyss und Mustafa Atici (SP) in einer Fraktion mit zwei Bundesrät*innen.

«Patricia von Falkenstein ist besser in der FDP-Fraktion integriert als der frühere Basler Freisinnige Daniel Stolz.»
Claude Longchamp

In der Fraktion wird in der Regel ausgehandelt, wer in welche Kommission darf. Und Politik entscheidet sich häufig in den Kommissionen. Wer etwas bewirken möchte, ist also darauf angewiesen, von der eigenen Fraktion in die richtigen Kommissionen nominiert zu werden.

Anruf beim bekannten Politologen Claude Longchamp. Setzen wir in Basel auf die falschen, einflussarmen Pferdchen? Kurzantwort Longchamp: «Nein, Sibel Arslan gehört zu den einflussreichen Nationalrät*innen. Auf einer Skala von 1 bis 10 gebe ich ihr 7 Punkte.» Und Patricia von Falkenstein sei besser in der FDP-Fraktion integriert als der frühere Basler Freisinnige Daniel Stolz, den die Bevölkerung 2015 abgewählt hat. «Ich gebe ihr 5 Punkte für Einfluss.»

Longchamps Shortlist:

Arslan klein
Sibel Arslan
  • Einfluss: 7 Punkte
  • Partei: Basta
  • Fraktion: Grüne
  • Bundesrät*innen: 0
  • Kommissionen: Aussenpolitische Kommission, Präsidentin Subkommission Gerichtskommission, Kommission für Rechtsfragen NR, Vizepräsidentin Delegation Europarat
  •  

Leistungsausweis

Sibel Arslan hat als Vizepräsidentin der Grünen Partei Schweiz Einfluss sowohl in der Fraktion als auch in der nationalen Partei. Zwar gilt sie als sehr links, «doch sie streitet furchtbar gerne und gut – das verschafft ihr auch bei den Bürgerlichen Respekt», sagt Longchamp.

So lobbyiert sie für ihre Anliegen immer wieder erfolgreich, beispielsweise beim Stimmrechtsalter 16. Arslan hat es geschafft, dass das Parlament zweimal darüber debattiert hat. Allerdings fokussiert sie sich mittlerweile mehr auf die Aussenpolitik, wo der Einfluss naturgemäss kleiner ist als in der Innenpolitik.

Risiko einer Abwahl: klein. Wobei Politiker*innen solche Wertungen nicht gerne haben. Sie fürchten, dass ihre Basis sich dann zurücklehnt, statt zu mobilisieren.

Sarah Wyss
Sarah Wyss
  • Einfluss: 7 Punkte
  • Partei: SP
  • Fraktion: SP
  • Bundesrät*innen: 2
  • Kommissionen: Vizepräsidentin Finanzkommission, Ersatzmitglied Gesundheitskommission

Leistungsausweis

Sarah Wyss ist noch nicht einmal vier Jahre in Bern, hat sich als Vizepräsidentin der Finanzkommission und als Ersatzmitglied der Gesundheitskommission aber in kurzer Zeit Respekt verschafft. «Dort geht es ums ‹Läbige›. Das ist nicht wie in der Rechtskommission», sagt Longchamp.

Wyss habe sich «unerschrocken» in komplizierte Dossiers eingearbeitet. «Sie gehört zu den einflussreichsten Politiker*innen der ersten Legislatur.» So war sie beispielsweise massgeblich am Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative beteiligt.

Risiko einer Abwahl: Die SP verliert eventuell einen Sitz und es könnte auch Wyss treffen. Die Politikerin hat in den letzten Wochen eine engagierte Wahlkampagne geführt. Allerdings etwas spät: «Lange Zeit wussten die Wähler*innen vielleicht gar nicht, welche Arbeit Sarah Wyss in Bern leistet», sagt Longchamp.

von-Falkenstein-Patricia-1
Patricia von Falkenstein
  • Einfluss: 5 Punkte
  • Partei: LDP
  • Fraktion: FDP
  • Bundesrät*innen: 2
  • Kommissionen: Kommission für Rechtsfragen, Ersatzmitglied Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur.

Leistungsausweis

Punkto Liberale ist Basel-Stadt einmal mehr ein Sonderfall. In der Restschweiz haben LDP und FDP fusioniert. Hier in Basel bekanntlich nicht. Alt-Nationalrat Christoph Eymann galt daher in der Berner FDP-Fraktion immer ein wenig als Exot.

Seine Nachfolgerin und Ex-Partnerin Patricia von Falkenstein sei in der Fraktion «sehr gut integriert», sagt Politologe Longchamp. Sie sei vielleicht nicht das «grosse Schwergewicht», habe aber in der Europafrage überparteilich zusammengearbeitet. 

Risiko einer Abwahl: klein. Aber eben, Politiker*innen lesen das nicht gerne.

Mustafa Atici
Mustafa Atici
  • Einfluss: 4 bis 5 Punkte
  • Partei: SP
  • Fraktion: SP
  • Bundesrät*innen: 2
  • Kommissionen: Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur 

Leistungsausweis

Mustafa Atici sei ein «atypischer SP-Politiker», findet Claude Longchamp, «als Unternehmer bringt er Sichtweisen in die SP ein, die andere Sozialdemokrat*innen nicht haben». SPler*innen bewegten sich typischerweise eher im Politkulturkuchen oder den Gewerkschaften.

Ob Atici das in seiner Fraktion etwas bringt, ist eine andere Frage. Atici hat unter anderem die prekäre Situation der Hausangestellten während Corona öffentlich publik gemacht.

Risiko einer Abwahl: Verliert die SP einen Sitz, kann es auch Mustafa Atici treffen. Seine Bundesratskandidatur hat ihm viel Aufmerksamkeit und Sympathie gebracht. Allerdings hat er nun Platz für Beat Jans gemacht, die eine oder andere Wähler*in könnte daher Zweifel daran haben, ob Atici es ernst gemeint hat.

Katja Christ
Katja Christ
  • Einfluss: 4 bis 5 Punkte
  • Partei: GLP
  • Fraktion: GLP
  • Bundesrät*innen: 0
  • Kommissionen: Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen,  Geschäftsprüfungskommission

Leistungsausweis

Katja Christs Einfluss ist für Claude Longchamp am «schwierigsten zu beurteilen». Ihr Leistungsausweis in Basel-Stadt ist unbestritten: Seit sie das Präsidium übernommen hat, hat die GLP im Grossen Rat Fraktionsstärke, ebenso wie eine Regierungs- und Nationalrätin gewonnen.

Im Bundeshaus gehört Christ laut Longchamp nicht zum einflussreichen Quartett aus Tiana Moser, Martin Bäumle, Jürg Grossen und Kathrin Bertschy. Die Anzahl einflussreicher Grünliberaler in Bern sei aber keine schlechte Leistung für so eine kleine Partei, sagt Longchamp: «Von 16 Fraktionsmitgliedern sind ein Viertel Schwergewichte.» Und das ohne Bundesrat. Bei Christ sei jedoch allen bewusst, dass sie dank einer umstrittenen Unterlistenverbindung reingekommen ist und allenfalls den Sitz verlieren könnte.

Risiko einer Abwahl: Die Grünliberale kandidiert auf der bürgerlichen Listenverbindung mit FDP, LDP, Mitte und EVP. Es könnte sein, dass ein bürgerlicher Kandidat wie beispielsweise der Freisinnige Baschi Dürr ihr Konkurrenz macht.

Das könnte dich auch interessieren

Stimmrecht NEU-1 (1)

Helena Krauser am 22. November 2024

Ein Nein bedeutet ihr Go!

Noch bevor die Stimmbevölkerung definitiv über das Ausländer*innenstimmrecht entschieden hat, formiert sich bereits ein Komitee, das eine neue Initiative zum Thema plant.

Weiterlesen
Anouk Feurer

Michelle Isler am 19. November 2024

Wer anzeigen will, muss zahlen

Seit 2024 darf die Staatsanwaltschaft bei Anzeigen wegen Ehrverletzung eine Art Depot verlangen. In Basel beträgt sie 800 Franken. JGB-Grossrätin Anouk Feurer findet das «absurd».

Weiterlesen
David Rutschmann und Christophe Schneider

David Rutschmann am 18. November 2024

«Ich habe mir für die Einbürgerung keinen Timer gestellt»

Deutsche sind die grösste ausländische Diaspora in Basel, sie machen neun Prozent der Basler Bevölkerung aus. Zwei von ihnen: Christophe Schneider, der sich seit sechs Jahren nicht einbürgern lässt, und David Rutschmann, der noch acht Jahre warten muss. Ein Gespräch über das Ausländer*innenstimmrecht, Bürokratie und Zugehörigkeit.

Weiterlesen
Christophe Haller (FDP), Tamara Hunziker (FDP), Markus Grob (SVP), Franziska Stier (BastA), Christian Heuss (SP), Emélie Dunn (Grüne), Alexander Gröflin (SVP), Miriam Dürr (SP), Hannes Hui (SP), Marina Schai (Mitte) und Martin Leschhorn (SP).

Ernst Field,David Rutschmann am 13. November 2024

Das Nachrückenden-Parlament

In der kommenden Legislatur werden wahrscheinlich einige altgediente Grossrät*innen wegen der Amtszeitsbeschränkung zurücktreten. Wir haben jetzt schon jene Politiker*innen getroffen, die für sie nachrücken würden.

Weiterlesen
Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

Kommentare