Eine Nacht unter den Schönen und Reichen

An der Art Basel wechseln nicht nur Kunstwerke in Millionenhöhe den*die Besitzer*in, es wird auch exzessiv gefeiert. Die meisten Partys finden jedoch im Untergrund statt.. Unsere Reporterin hat sich eine Nacht lang treiben lassen, auf der Suche nach der exklusivsten Party der Art.

Wir haben unsere Redaktorin Noëmi Laux auf eine Mission geschickt: Sie soll sich unter das Publikum der Art Basel mischen und die exklusivsten Partys ausfindig machen.
Wir haben unsere Redaktorin Noëmi Laux auf eine Mission geschickt: Sie soll sich unter das Publikum der Art Basel mischen und die exklusivsten Partys ausfindig machen. (Bild: Noëmi Laux)

Die Art Basel ist eine Veranstaltung der Superlative: In 284 Galerien aus 36 Ländern präsentierten Künstler*innen ihre Werke. 90’000 Besucher*innen soll die Art in diesem Jahr angezogen haben, 15’000 Helfer*innen waren im Einsatz. Allein am ersten Tag soll ein Umsatz von mindestens 145 Millionen Dollar verzeichnet worden sein. Doch nicht nur Kunstwerke, die in kaum vorstellbaren Summen den*die Besitzer*in wechseln, zeichnen die Art Basel aus. Auch das Gerücht von exzessiven Partys, die gefeiert werden, hält sich hartnäckig.

Während die Ausstellungen für alle, die sich ein Ticket leisten können, zugänglich sind, bleiben viele der anschliessenden Partys exklusiv für jene, die dem inneren Kreis angehören. Für mich ist das eine Welt, die ich nicht kenne. Wenn ich feiern gehe, dann wird meist Bier getrunken und in Sneakers und Jeans getanzt. Doch heute mische ich mich für einmal unter jene Menschen, bei denen es nicht aufs Geld ankommt, wo Champagner statt Bier getrunken wird und alles im Überfluss vorhanden ist.

Anonyme Übergabe: In dieser Bar ist ein Jeton hinterlegt, der unserer Redaktorin den Einlass zu einer privaten Party verschaffen soll.
Anonyme Übergabe: In dieser Bar ist ein Jeton hinterlegt, der unserer Redaktorin den Einlass zu einer privaten Party verschaffen soll. (Bild: Noëmi Laux)

Was ziehe ich an?

Meine Vorbereitungen beginnen bereits am Nachmittag. Was ziehe ich an? Schliesslich soll man mir meine Mission nicht direkt anmerken. Ich entscheide mich für einen Kimono aus Seide, den ich selten trage und wenn, dann nur zu besonderen Anlässen. Dazu eine schwarze, weitgeschnittene Hose und Stiefeletten mit Keilabsatz. Ich schminke mich ein bisschen mehr als sonst und frisiere mein Haar. Letzter Blick in den Spiegel, bevor ich losgehe. 

Ich habe Glück, denn ich muss nicht völlig ins Blaue hinein suchen. In einer Bar in Kleinbasel ist ein Ticket für mich hinterlegt worden, das mir den Eintritt zu einer exklusiven Party ermöglichen soll. Der Eintritt wird nur geladenen Gästen gewährt, die Tickets sind auf 1000 Stück begrenzt. Die Person, die mir den Eintritt ermöglicht, möchte anonym bleiben, denn Journalist*innen sind alles andere als erwünscht.

Ein Anfang: Es dauert nicht lange und die erste Party ist gefunden.
Ein Anfang: Es dauert nicht lange und die erste Party ist gefunden. (Bild: Noëmi Laux)

Es ist 20 Uhr und ich bin unterwegs zur Safari Bar, um mein Ticket abzuholen. Als ich das Lokal betrete und mich an der Bar nach jener Person erkunde, die mir das Ticket überreichen soll, bin ich etwas nervös. Der Barkeeper schaut mich an und fragt nach meinem Namen. Er greift unter den Tresen und übergibt mir ein Couvert, adressiert an mich. Ich komme mir ein bisschen vor wie in einem Film: die anonyme Übergabe, eine geheime Party und ich mitten drin. Ich öffne den Umschlag und halte einen gelben Jeton in der Hand – mein Eintrittsticket für den heutigen Abend. Yes, die erste Etappe ist geschafft. Für die Party ist es noch zu früh. Ich beschliesse dennoch, mich schon mal unter die Leute zu mischen, von denen ich heute Teil werden will. Meine erste Anlaufstelle ist das Franck-Areal, einer der Hotspots der Art Basel. Am Eingang werden die Taschen kontrolliert, der Eintritt ist frei und für alle zugänglich.

Kaum bin ich drin, stehe ich mitten in einem grossen, dunklen Raum. An einer langen Tafel sitzen Menschen im Anzug und schicken Klamotten und essen zu Abend. In der Luft hängt der Geruch von Schokoladenmousse, überall stehen Kerzen. Vor der Bar, die einen Raum weiter ist, bildet sich bereits eine Schlange. Ich bestelle ein kleines Bier und zahle sechs Franken.

In dieser Galerie trifft sie auf keine Party, dafür auf eine interessante Kloschüssel.
In dieser Galerie trifft sie auf keine Party, dafür auf eine interessante Kloschüssel. (Bild: Noëmi Laux)

Über eine Wendeltreppe gelange ich in den Keller. In verschiedenen Räumen sind Kunstwerke ausgestellt, vor denen sich kleine Grüppchen bilden. In der Ferne höre ich einen dumpfen Bass, dem ich folge. Und da ist sie, die erste Party des Abends.

In einem kleinen Raum legt ein DJ elektronische Musik auf, eine Handvoll Menschen bewegt sich auf der Tanzfläche zur Musik. An der Decke hängen zwei Discokugeln. Das ist ein Anfang, aber noch nicht das, was ich suche. Die Menschen hier scheinen relativ divers zu sein, was wohl daran liegt, dass das Areal für alle zugänglich ist und kein Eintritt verlangt wird. Mein Getränk ist leer und, ich möchte eine Zigarette rauchen. Vielleicht komme ich im Raucherbereich ja an neue Infos. Tatsächlich. Ich bekomme einen Tipp: An der Ecke Speerstrasse/Klybeckstrasse soll eine kleine Galerie sein, in der heute noch gefeiert wird. Nichts wie hin. Ich beschliesse, zu Fuss zu gehen und bereue zum ersten Mal an diesem Abend, dass ich Absatzschuhe trage. Es ist gerade Mal 21 Uhr und meine Füsse schmerzen.

Ein edler Klodeckel

Schon aus der Ferne sehe ich eine Menschentraube, die sich vor der Galerie versammelt hat. Der Raum ist klein, an der Wand hängen vereinzelt ein paar Bilder. Ein Kunstwerk sticht mir besonders ins Auge: In einer Ecke hängt ein mit Strasssteinen versehener Klodeckel. Ich betrachte das Werk aus der Nähe und muss grinsen. Draussen vor der Galerie wird Sekt ausgeschenkt und ich stelle mich in die Schlange. Beim Warten komme ich mit einem Paar vor mir ins Gespräch. Ich nenne sie Jacques und Pierre, beide etwa Mitte dreissig und im Kunstbereich tätig, wie sie erzählen. Sie wohnen in Lausanne und kommen seit einigen Jahren jedes Jahr an die Art. Die zwei scheinen mir nach einer guten Anlaufstelle und ich frage, wohin sie heute noch gehen. Nur ein paar Strassen weiter, antwortet Pierre. Dort würde eine Latin-Party stattfinden, zu der er und sein Partner eingeladen seien. Es braucht wenig Überzeugungsarbeit, damit mich Jacques und Pierre mitnehmen. Jackpot!

Latin mit Jacques und Pierre

Der Raum ist relativ klein und die Stimmung hier schwer zu beschreiben. Anders als auf dem Franck-Areal scheint das Publikum eindeutiger: Die Menschen sind schick gekleidet und im Schnitt etwas älter. Bier trinkt niemand, dafür Champagner und Cocktails. Es riecht nach teuremParfum.s. In einer Ecke legt ein DJ Latin-Musik auf. Doch auch hier, keine Spur von Partylaune, im Gegenteil: Niemand tanzt, stattdessen bilden sich auf der Tanzfläche kleine Grüppchen, die sich entgegen der lauten Bässe zu unterhalten versuchen. Jacques und Pierre habe ich verloren, sie sind etwas abseits in ein Gespräch verwickelt. Ich stelle mich an den Rand und beobachte das Geschehen. Zwar wirkt hier alles etwas exklusiver, die Menschen scheinen sich wichtig vorzukommen. Dennoch habe ich mir das Ganze etwas aufregender und spektakulärer vorgestellt. Aber es ist noch früh und ich weiss, dass ich ja noch meinen Joker in der Handtasche habe, den gelben Jeton. Mittlerweile ist es 23 Uhr, Zeit für mich, die Party ausfindig zu machen. 

Das goldene Ticket: Dieser Jeton soll ihr den Zugang zu einer neuen Welt verschaffen.
Das goldene Ticket: Dieser Jeton soll ihr den Zugang zu einer neuen Welt verschaffen. (Bild: Noëmi Laux)

Vor dem Club stehen zwei Securitys. Bevor sie mich reinlassen, muss ich den Chip zeigen und bekomme einen Stempel aufs Handgelenk. Aus dem Keller tönt ein dumpfer Bass. Der Club ist noch leer, er hat gerade erst aufgemacht. In Ruhe schaue ich mich um. Überall stehen weisse Sofas. In abgesperrten Lounges sitzen vereinzelt champagnertrinkende Grüppchen.

Der Club und die Stimmung hier erinnern etwas an die Clubs, in denen ich meine ersten Ausgeh-Erfahrungen gemacht habe: Lounges, buntes Strobolicht und sehr gestylte Menschen. Es läuft House Musik und an jeder Seite des Dancefloors steht ein Security, die Arme verschränkt, der Blick ernst. Ich traue mich nicht, mein Handy aus der Tasche zu holen, um ein Foto zu machen. Und ich merke, dass ich langsam etwas müde werde. Ich möchte eine Vodka-Mate bestellen. «Haben wir nicht», entgegnet die Frau hinter der Bar. Dann nehme ich eben einen Wodka Red Bull und bereue es gleich, nachdem ich den ersten Schluck getrunken habe. Schmeckt genauso scheisse wie früher.

Pause von der leeren Tanzfläche

Nun, und jetzt? Da stehe ich also mit meinem Getränk in der Hand und blicke auf eine leere Tanzfläche. Das ist es jetzt also, mein Ass im Ärmel? Ein bisschen enttäuscht überlege ich mein weiteres Vorgehen. Denn aufgeben möchte ich noch nicht, wahrscheinlich ist es einfach noch zu früh. Ich beschliesse, einen kurzen Abstecher in die nahegelegene Bar Rouine zu machen. Nicht, weil ich mir erhoffe, dort den nächsten grossen Tipp zu bekommen, sondern weil ich eine kleine Pause brauche von den Schönen und Reichen.

In der Bar, die wohl ziemlich das Gegenteil von dem ist, was ich bisher heute gesehen habe, komme ich mir mit meinen hohen Schuhen zwar etwas fehl am Platz vor, aber egal, denke ich mir und gehe auf die Tanzfläche. Hier fühle ich mich wohler, mehr unter meinesgleichen. Auf der Tanzfläche tanzen die Menschen und die Musik entspricht auch mehr dem, was mir gefällt. 

Buntes Lametta und teure Uhren 

Mittlerweile ist es kurz nach Mitternacht und ich weiss, dass ich nochmal zurück muss. Vor dem Eingang stehen etwa ein Dutzend Leute und warten darauf, reingelassen zu werden. Der «Secret Club» hat sich langsam gefüllt. Ich laufe an der Schlange vorbei, zeige meinen Stempel und nehme wieder meinen Platz neben der Tanzfläche ein. Ich versuche herauszufinden, welche Art Mensch hier zusammenkommt und ich weiss es nicht. Es gibt sie hier auf jeden Fall, die champagnertrinkenden Menschen, die teure Uhren tragen und so aussehen, als ob sie Geld hätten. Aber nicht nur. Ein Grossteil der Gäste wirkt relativ «normal», weder reich noch elitär. Etwas jedoch fällt auf: Es wird viel Alkohol getrunken, viele der Gäste scheinen schon ziemlich betrunken zu sein. Das, obwohl es erst kurz nach Mitternacht ist und die Getränkepreise relativ hoch sind.

Von der Decke fliegt buntes Lametta und ich muss schon wieder an meine Ausgeh-Anfänge denken, nur sind die Menschen hier im Schnitt um einiges älter als in den Clubs, in denen ich meine ersten Feste gefeiert habe. Ein deutlich älterer Mann spricht mich an. Er fragt, ob ich alleine unterwegs bin und ob er mich auf ein Getränk einladen kann. Ich lehne dankend ab und gehe auf die Toilette. Während ich in der Schlange stehe, lausche ich den Gesprächen. Vor mir warten zwei Frauen. «So nice here», sagt die eine zur anderen und lehnt sich übers Waschbecken zum Spiegel, um ihren Lippenstift nachzuziehen. Eine andere fragt nach einem Tampon, zwei Frauen machen ein Selfie im Spiegel. Innerlich muss ich grinsen. Die Gespräche und die Stimmung auf den Damentoiletten sind immer dieselben, ganz egal, an welcher Party. Dennoch fühle ich mich hier nicht wohl. Es scheint, als gehe es in erster Linie darum: sehen und gesehen werden. Zu dieser Musik kann ich nicht tanzen und meine Füsse schmerzen. Zeit, nach Hause zu gehen.

Als ich endlich im Bett bin, liege ich noch eine ganze Weile wach und lasse die letzten Stunden Revue passieren. Ob ich die exklusivste Party der Art Basel gefunden habe, weiss ich nicht. Vermutlich nicht. Dennoch hat mir dieser kleine Einblick gereicht. Ich habe gelernt, dass ich keinen teuren Champagner brauche für eine gute Party, sondern Menschen, mit denen ich mich wohlfühle und Spass haben kann.

Herz hört hin
Einlass ohne Firlefanz

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