«Es ist ein reines Irrenhaus hier drin»
Der Basel Social Club bäumt sich dieses Jahr in den herrschaftlichen Bürgerhäusern gegen das Grossbürgertum auf. Das gelingt bisher trotz beengten Platzverhältnissen gut – zumindest für all diejenigen, die sich durch die lange Warteschlange gekämpft haben.
Die Rittergasse verbindet das Kunstmuseum mit dem Münsterplatz. Täglich laufen hier Tourist*innen und Basler*innen entlang, vorbei an den schweren Türen und Doppeltreppen der alt ehrwürdigen Bürgerhäuser. Normalerweise sind die meisten dieser Häuser nicht öffentlich zugänglich. Seit Sonntag ist das anders. Da fand nämlich in den ehemaligen Räumen der Privatbank Vontobel die Eröffnung des Basel Social Club statt.
Seither strömen täglich tausende Menschen durch die über 100 Räume und 3 Innenhöfe. An diesem Dienstagvormittag ist der Club allerdings noch geschlossen. Los geht es jeweils erst um 14 Uhr. Voller Menschen sind die herrschaftlichen Häuser trotzdem schon. Es werden Bücher und Champagner angeliefert – am Nachmittag feiert Vitra hier noch einen Book-Launch – die Werke werden fotografiert, vervollständigt und getestet. Die Sonne brennt schon jetzt in die Innenhöfe. Gestern Abend noch wurde hier rund um die Nikki-de-Saint-Phalle-Skulptur getanzt und zur Live Performance von Alexandra Bachzetsis wild Kleider ausgezogen, getauscht und wieder angezogen.
Am nächsten Morgen zeigt die Mitgründerin vom Basel Social Club, Hannah Weinberger, mit ausgestreckten Armen, wie sie sich am Vorabend schützend vor die Skulptur gestellt hat – nicht dass das Werk besonders fragil wäre, aber immerhin rund eine Million Franken wert.
Die Werke angemessen schützen, die Anlieferungen organisieren und die Aufgaben für die Mitarbeiter*innen koordinieren, all das gehört zu den Aufgaben von Weinberger – und natürlich auch die Medienarbeit. Deshalb führt sie durch die Ausstellung, beantwortet Interviewfragen, schaltet die Videos, Lichter und Maschinen der Ausstellung ein und versendet dabei Sprachnachrichten an ihre Team-Kolleg*innen – gut ausgerüstet mit einer fest am Smartphone montierten Powerbank und Crocs wegen des vielen Hin- und Herlaufens. Ihre Beine seien trotzdem schon jetzt sehr müde, aber das gehöre dazu, so ginge es jedes Jahr allen im Team, erzählt sie in der Eingangshalle.
Dort empfängt ein riesiger roter Blumenstrauss (Willem De Rooij) die Gäste. Daneben steht ein kleines Werk in Form eines Wegweisers (Florian Graf). «Liberté, Égalité, Fraternité» steht auf den Pfeilen, die in verschiedene Richtungen zeigen. Revolutionär geht es tatsächlich in allen Räumen zu und her.
Nicht nur innerhalb der Werke, auch kuratorisch werden Wagnisse eingegangen und neue Harmonien hergestellt. «Wir haben uns bemüht, Positionen von etablierten Künstler*innen Arbeiten von jungen Kunstschaffenden gegenüberzustellen oder lokale und internationale Werke aufeinandertreffen zu lassen», so die Kuratorin. Aber nicht alles sei immer ganz planbar, erzählt sie, während sie die Bildschirme einer Installation einsteckt und mit der Fernbedienung hantiert, um sie zum Laufen zu bringen. Einige Galerien würden beispielsweise plötzlich mehr Werke mitbringen als vereinbart und dann müsse man wieder schauen, wie man diese Werke unterbringt – denn ein Lager gebe es nicht.
Im Raum nebenan bereitet ein Künstler die Performance «Jeff Koons Special Sale» vor. Zusammen mit zwei Kolleg*innen wird er hier später Luftballon-Figuren falten, die die Besucher*innen für einen Franken kaufen können. Die Arbeit möchte die Absurdität des Kunstmarktes aufzeigen. Es ist nur eines von vielen Werken, die sich hier in den Bürgerhäusern gegen das Grossbürgertum auflehnen. Ein weiteres Beispiel ist die Mona Lisa mit Schnurrbart von Marcel Duchamp (Werktitel: L.H.O.O.Q.), die im Basel Social Club einen Platz über dem Kamin bekommen hat. Duchamp hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem mit seinen «Ready Mades» gegen die traditionelle Kunst aufgelehnt.
Vorbei an einigen Kellerräumen und dem Tresorraum, in dem unter anderem eine Kette von Andy Warhol ausgestellt ist, geht es weiter zu einem Werk mit dem Titel «arm». Ein Roboterarm verschiebt die Regler auf einem Mischpult während im Hintergrund ein Video läuft. «Die beiden Künstler Matthias Amsler und Amin Osman sind Studenten von mir», sagt Weinberger, die am Institut für Art Gender Nature an der Hochschule für Gestaltung und Kunst unterrichtet, und schaltet den Arm ein.
Im Treppenaufgang zu den Obergeschossen hängt die Installation Pathraj Chronicles des Künstlers Kamruzzaman Shadhins. Es ist eine Art bunter runder geknüpfter Vorhang. Verwendet wurde dafür die Shika-Technik – eine traditionelle Webmethode, die in ländlichen bangladeschischen Haushalten zum Aufhängen von Gefässen verwendet wird. «Es sind eigentlich drei Teile. Zusammen passen sie perfekt hier rein», sagt Weinberger und geht vorbei an einem Raum, der vom Grand Casino Basel bespielt wird, einer Bar und einem Konzertflügel, von dem sie rasch ein Foto macht, weil er zu staubig ist und noch geputzt werden muss. Oben angekommen, geht es durch ein anderes Treppenhaus wieder runter.
Bei einer Installation im Erdgeschoss, die einen Barbershop (Faisal Abdu’Allah) nachstellt, liegen noch Haare auf dem Boden und hinten im Tattoostudio erklären die Künstler das Preissystem hinter den verschiedenen Tattoos, die von teilnehmenden Kulturschaffenden entworfen wurden und hier direkt gestochen werden können. «Es kommen tatsächlich sehr viele Leute ins Tattostudio oder um sich hier die Haare schneiden zu lassen», schwärmt Weinberger. Allgemein kämen sehr viele Leute: «Manchmal so viele, dass wir den Ansturm vor den Häusern kaum noch regeln können», erzählt sie.
6000 Besucher*innen pro Tag
1500 Gäste dürfen sich gleichzeitig im Basel Social Club aufhalten. In den letzten Tagen seien es über den Tag 6000 Besucher*innen gewesen. Gegen Abend habe sie aber auch schon gemeinsam mit der Sicherheitsfirma entschieden bei 500 Leuten einen Einlassstopp zu machen. «Je später es wird, desto mehr Alkohol haben die Gäste getrunken. Und zusammen mit den Performances durch die Räume wird es schnell mal ziemlich eng. «Es ist ein reines Irrenhaus hier drin», lacht sie. Damit keines der Werke zu Schaden kommt, müsse man proaktiv den Besucher*innen-Strom regulieren. «Dann staut es sich leider aber bis zum Münster und manche Leute kommen nicht mehr rein», so Weinberger.
Zulassungsbegrenzungen habe es allerdings schon immer gegeben, erklärt die Kuratorin. Selbst letztes Jahr, als der Basel Social Club rund um den Predigerhof stattfand. Damals mussten wir aufpassen, dass niemand auf die Felder geht. Auch eine Nachtruhe musste damals wie heute eingehalten werden. Dieses Jahr, inmitten der Altstadt, ist spätestens um 24 Uhr Schluss, dann müssen alle Gäste draussen sein.
Bei den Nachbar*innen kommt das Kuriositätenkabinett, wie die Verantwortlichen den Basel Social Club dieses Jahr nennen, gemäss Weinberger gemischt an. «Manche freuen sich über uns und kommen vorbei. Andere sind weniger angetan.»
Auf dem Weg ins Erdgeschoss gibt ein kleines Fenster den Blick frei auf die überdimensionale goldene Wunderlampe im Innenhof. («Your wish is your Command» von Divya Mehra) «Das ist noch zu viel Rauch. Wir müssen den Rauch regulieren», ruft Weinberger den Mitarbeiter*innen zu und läuft zum Souvenir Shop. Dort gibt es dieses Jahr das erste Mal Basel Social Club Merch zu kaufen.
Die Sache mit den Einnahmen läuft bisher nicht so. Eintritt verlangen möchte Weinberger nicht. Der Club solle allen zugänglich sein, betont sie immer wieder. Das Aufeinandertreffen von verschiedenen «Bubbles» und Altersgruppen und die Begeisterung, die auch bei Menschen geweckt wird, die sich sonst nicht für Kunst interessieren, sei ihr ein zentrales Anliegen. Trotzdem wäre es schön, ein bisschen Geld einzunehmen. «Was wir hier leisten und veranstalten, macht ja kein normaler Mensch», sagt sie. Ihr ganzes Umfeld ist involviert. Deshalb habe das Team dieses Jahr am Eingang darauf hingewiesen, dass man sich über einen selbstgewählten Beitrag als Eintritt freuen würde. «Zusammengekommen sind bisher 25 Franken», sagt Weinberger und nimmt einen Anruf entgegen.