Null Verkehrstote gab es auch schon in Basel
Dank mehr Tempo-30-Zonen konnte Helsinki die Verkehrssicherheit erhöhen. In Basel ist die Quote an solchen Zonen höher, trotzdem gab es Verkehrstote. Die meisten dieser tödlichen Unfälle sind aber gar nicht mit Autos passiert.
Auf den Punkt:
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Helsinki verzeichnet in zwölf Monaten keinen Verkehrstoten – als Grossstadt mit viermal mehr Einwohner*innen als Basel. In einem Interview haben wir den Verkehrsingenieur der finnischen Hauptstadt, Roni Utriainen, gefragt, was Helsinki richtig macht und was wir in Basel davon lernen können.
«Gemäss ‹Helsinki-Definition› hatte Basel-Stadt zwischen April 2017 und August 2018 keinen Verkehrstoten zu beklagen.»Toprak Yerguz, Mediensprecher Sicherheitsdepartement
Nach Publikation des Interviews meldete sich Toprak Yerguz, Mediensprecher des für Verkehrssicherheit zuständigen Sicherheitsdepartements, bei Bajour. Er hat sich die Zahlen aus der offiziellen Unfallstatistik des Kantons genau angeschaut. Bisher publik waren nur die Unfall-Daten für die jeweiligen Kalenderjahre.
In Helsinki hatte man aber analysiert, wie viele Monate am Stück es keine Verkehrstoten gab. Wenn man diese Betrachtungsweise auf Basel anwendet, dann hat Basel die «Vision Zero» von einem Jahr ohne Verkehrstoten schon vor einigen Jahren erreicht, schreibt Yerguz: «Gemäss ‹Helsinki-Definition› hatte Basel-Stadt zwischen April 2017 und August 2018 16 Monate keinen Verkehrstoten zu beklagen.»
«Keiner dieser Unfälle hätte mit Tempo 30 verhindert werden können.»Daniel Seiler, Geschäftsführer der Basler Sektion des Automobil Clubs Schweiz
Im vergangenen Kalenderjahr hatte Basel derweil fünf Verkehrstote. Daniel Seiler, Geschäftsführer der Basler Sektion des Automobil Clubs Schweiz (ACS), ärgert sich, dass das nun aber allein mit Autos in Verbindung gebracht wird. Er präzisiert die Todesfälle im Strassenverkehr 2024: ein Mann wurde von einem Tram erfasst, eine Frau wurde von einem Tram erfasst, ein Motorradfahrer starb bei einem Selbstunfall und ein Motorrad kollidierte mit einem Auto, das auf die Gegenfahrbahn kam.
Medienaufmerksamkeit erlangte jedoch vor allem der Fall eines 11-Jährigen, der von einem Lastwagen überrollt wurde. «Keiner dieser Unfälle hätte mit Tempo 30 verhindert werden können», findet Seiler.
«Zentral ist aus unserer Sicht eine Verkehrserziehung, damit alle Rücksicht aufeinander nehmen.»Birgit Kron, stellvertretende Geschäftsführerin des TCS Basel
Birgit Kron, stellvertretende Geschäftsführerin des TCS Basel, findet, dass die Fokussierung auf Tempo 30 falsch und unmoralisch sei. Sie verweist darauf, dass auch Verkehrsingenieur Roni Utriainen einen Verdrängungseffekt bei flächendeckendem Tempo 30 erwähnt. «Dann fahren die Autos in die Quartiere. Das erleben wir zum Beispiel gerade in Muttenz, da kann es zu super gefährlichen Situationen kommen.»
Der TCS setzt sich laut Kron stark für Verkehrssicherheit ein. «Zentral ist aus unserer Sicht eine Verkehrserziehung, damit alle Verkehrsteilnehmer*innen Rücksicht aufeinander nehmen.»
Tempo 30 war nämlich vom finnischen Verkehrsingenieur Roni Utriainen als am einfachsten umsetzbare und günstigste Massnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit identifiziert worden. In Helsinki hätten sie seit Implementierung der «Vision Zero» die Anzahl der Tempo-30-Zonen auf 60 Prozent erhöht.
Der Vergleich hinkt
Das ist bemerkenswert – denn der Anteil an Tempo-30-Zonen ist in Basel höher. Daniel Hofer, Mediensprecher des Bau- und Verkehrsdepartements, erklärt, dass 70 Prozent der Strassen in Basel Quartierstrassen sind. Dort herrscht in aller Regel Tempo 30, wenn nicht sogar Tempo 20. Und auf rund fünf Prozent der Hauptachsen gilt Tempo 30 (zum Teil nur zu Schulwegzeiten). Derzeit versucht Basel, sein Tempo-30-Regime auszuweiten.
Doch wirklich vergleichbar sind Basel und Helsinki nicht, wie auch Bajour-Leser Thomas Mangold anmerkt: Helsinki ist mit 3400 Einwohner*innen pro Quadratkilometer deutlich weniger dicht besiedelt als Basel mit 5400 Einwohner*innen pro Quadratkilometer. Für den direkten Vergleich würde eine ähnlich grosse und dicht besiedelte Stadt besser herhalten.