Haben ist gut, Teilen ist besser

Fehlt dir ein Bohrer zuhause? Oder möchtest du endlich mal selber Pasta machen, aber die Pasta-Maschine ist doch zu teuer? Dafür gibt es das «Leihlager». JetztZeit hat sich da umgeschaut.

JetztZeit Peering Break

Dieser Artikel ist zuerst bei JetztZeit erschienen. JetztZeit wird von Studierenden der Universität Basel betrieben. Als Plattform ermöglicht JetztZeit eine Vernetzung unter Gleichgesinnten.

Titelbild Leihlager

Einweggrill – Ein beliebter Klimasünder

Wer kennt sie nicht, die ultra-praktischen Einweggrille, die wir alle gefühlt einmal pro Sommer einkaufen, verbrauchen und schliesslich wegschmeissen. Klar, extra einen Grill zu kaufen, für das dieser einmal im Jahr gebraucht wird, macht ökonomisch keinen Sinn.

Was für das Portemonnaie gut ist, ist jedoch schlecht für die Umwelt. Denn die «graue Energie» – also die Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung aufgewendet wird – ist bei diesen Grilltypen unermesslich hoch: In der Regel in Massenproduktionen in Asien hergestellt, um dann über mehrere Tausend Kilometer nach Europa oder in die USA verfrachtet zu werden, die Plastik- und Aluminium-Bestandteile werden mitnichten auf „grüne“ Weise gewonnen und auch die Entsorgung der Wegwerfgrille stellt ein Problem dar. Im besten Fall landen Schale, Rost und Ständer im Altmetall, im schlimmsten Fall irgendwo an einer Küste in Afrika, die Plastik-Bestandteile landen in den Ozeanen, verschmutzen das Wasser und vergiften die Tiere.

Auch scheint es mit der Wertschöpfung nicht ganz fair zu laufen. Wenn wir Einweggrille für nicht einmal über 10.- CHF beim Detailhändler erstehen, muss irgendjemand in der Produktionskette ziemlich arg ausgebeutet werden. Im Vergleich dazu sei hier die einzig „echte“ (wenn auch berechtigte) Schweizer Sorge bezüglich Wegwerfgrille benannt: Durch diese werden nämlich unsere Grünflächen in Mitleidenschaft gezogen!

Das trifft auf viele andere Gegenstände zu, die aufwendig hergestellt und entsorgt werden müssen, jedoch selten bis nie von uns gebraucht werden: Bohrmaschinen, Leuchtketten, Gaskocher, Camping-Material usw. Diese Produkte einzukaufen, ist aufgrund der seltenen Verwendung praktisch sinnlos, doch vollends darauf zu verzichten, wollen oder können wir dann doch nicht. Die naheliegende Lösung lautet: teilen!

Das Leihlager in Basel

Es lässt sich hierbei auf den Begriff «Sharing Economy» zurückgreifen, unter welchem Geschäftsmodelle mit geteilter Nutzung von Ressourcen verstanden werden. Historisch gesehen liessen sich Zünfte als Prototypen der «Sharing Economy» bezeichnen, aber auch eine Genossenschaft funktioniert nach diesem Prinzip. In der technisierten und verknüpften Welt der Smartphones und des Internets sind «Mobility», «AirBnB» oder «Uber» weitere Ausprägungen der «Sharing Economy». Als sympathischeres, weil nicht gewinnorientiertes Gegenstück dazu dienen Bibliotheken, in denen wir Bücher und Filme ausleihen und zurückgeben.

Auch in Basel gibt es diesbezüglich Angebote: Ein spannendes Projekt, welches sich im Aufbau befindet, ist das «Leihlager». Dieses wurde im Februar 2020 an der Feldbergstrasse 76 eröffnet. Das Gründungsteam, bestehend aus Meret, Felix und Noël, hatte, inspiriert durch andere Leihläden in der Schweiz (u. a. «Manivelle» in Genf) die Idee, eine solche «Bibliothek der Dinge» ebenfalls in Basel zu etablieren. Es mache durchaus Sinn, Alltagsgegenstände miteinander zu teilen, statt diese zu kaufen, denn so sparen wir Geld, Platz und auch Ressourcen. Plus: So kann man unverschämt günstig neue Objekte ausprobieren und vielleicht auch ein neues Hobby entdecken. Haben ist vielleicht gut, aber teilen wesentlich besser.

Info-Box

«Verein Leihlager» Feldbergstrasse 76 4057 Basel https://leihlager.ch/


Öffnungszeiten: Di 17:00 – 19:00, Do 17:00 – 19:00, Sa, 10:00 – 12:00

Hier gibt es ähnliche Angebote in der Stadt Basel: https://www.umweltbasel.ch/leihlager/

Wer einen Gang ins «Leihlager» wagt, wird dort auf viele Regale mit gelben Rako-Kisten treffen, worin ein Teil der über 400 Alltagsgegenständen untergebracht ist: von nützlichen Werkzeugen, Küchengeräten, Multimedia-Devices, Campingsachen, Transportmitteln, über Gartenutensilien bis hin zu ein paar skurrilen Sachen wie z. B. einen Schokoladenbrunnen oder einen Langarmhefter. Die Objekte können während den Öffnungszeiten entweder selber geholt/zurückgebracht werden, oder für eine Gebühr von 8.- CHF geliefert/ abgeholt werden.

Der gemeinnützige Verein wird im Moment noch durch Stiftungsgelder getragen. Ziel wäre es jedoch, in zwei bis drei Jahren selbsttragend zu werden, etwa durch den Verkauf von Jahresabonnements, die 75.- CHF kosten (inkl. drei gratis ausleihbare Objekte pro Woche) und von denen momentan 355 Stück abgesetzt sind. Der Laden ist bereits stark frequentiert und die Nachfrage nach mehr Objekten steigt. Deswegen sucht das «Leihlager» nach einem neuen grösseren Standort. Ein persönliches Ziel des Leihlagers wäre es etwa, DJ Antoine dazu zu bringen, seine CDJ zu spenden. Ausserdem wurde Roger Federer einst über Instagram ein Gutschein für ein Jahresabo angeboten. Jetzt, wo dieser vom Tennissport zurückgetreten ist, wäre es an der Zeit, diesen einzulösen.

Leihlager
Der Leihlager Empfang

Sharing is caring

Das «Leihlager» ist hierbei ein Beispiel unter vielen. Neben den klassischen Bibliotheken und Ludotheken sind in Basel auch das «Kulturbüro», der «Rentshop», «Pumpipumpe», das «Ecocoffee» (wo man Kaffeemaschinen ausleihen kann) oder «Sharely» (Online-Anbieter) Teil des Leih-Konzepts.

Neben dem Nachhaltigkeitsaspekt müssen wir uns grundsätzlich fragen, warum es solch ein Bedürfnis des Menschen ist, Eigentum zu besitzen. Muss etwas explizit «mir» selber gehören, damit es einen besonderen Wert aufweist? Warum haben wir bestimmte Produkte zu Hause, obschon diese selten bis nie gebraucht werden? Die Auseinandersetzung mit der «Sharing Economy» und Angebote wie etwa das «Leihlager» zeigen, dass man das eigene Einkaufsverhalten durchaus hinterfragen muss.

Vergegenwärtigen wir uns die Klimakrise, so ist das Teilen eine sehr unkomplizierte und bequeme Art, einen etwas nachhaltigeren Konsum zu pflegen, ohne wirklich auf etwas verzichten zu müssen. Was es einfach braucht, ist ein klein wenig mehr Zeitaufwand. Statt etwas im Internet zu bestellen, sollte zuerst im Freundeskreis oder in den sozialen Medien nachgefragt werden. Und sonst gibt es eben noch das «Leihlager», wo ein richtiger Grill mit Feuerschale für den Sommer bereitsteht – oder vielleicht auch bald das Tennisracket von Roger Federer.

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