«Wir haben nichts zu verstecken»

Rhystadt und Swiss Life wollen das ehemalige Industrieareal Klybeck transformieren. Doch schlechte Publicity ist im Moment die grössere Sorge als die giftigen Böden. Nun öffnen sie die Bücher, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.

Rhystadt Gebäude abreissen Klybeck
Ein Teil der alten Gebäude im Klybeck, die der Rhystadt gehören – und die so belastet sind, dass sie abgerissen werden sollen. (Bild: David Rutschmann)

Im Klybeck-Areal steht die grösste Transformation im Gesicht Basels an: Von den Chemiefabriken, die die Stadt reich gemacht haben, zum modernen Wohn- und Arbeiterquartier. Eine grosse Aufgabe – und keine leichte. Denn die jahrzehntelange chemische Produktion hat teils ein problematisches Erbe hinterlassen: giftige chemische Stoffe, die sich im Gemäuer abgelagert haben, verbaut wurden oder die in die Böden gelangt sind.

«Wir haben ein grundeigenes – auch wirtschaftliches – Interesse, dass das Problem gelöst wird», sagt Christian Mutschler, CEO der Rhystadt AG, am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Bei Rhystadt sind die Versicherung Baloise, mehrere Pensionskassen sowie die Banken UBS und Sarasin engagiert. Der andere grosse Teil des Klybeck-Areals gehört der Versicherung Swiss Life. Bei der Pressekonferenz wollten sie präsentieren, was sie zur Belastungssituation wissen. Denn: Wenn aus Sorge vor giftigen Böden keine Firmen und Mieter*innen ins Klybeck ziehen wollen, war die Investition für die Katz.

«Die öffentliche Stimmung ist von Verunsicherung geprägt. Zum Teil auch von Falschaussagen», so Mutschler. Zuletzt kamen immer wieder neue Berichte ans Licht, die eine komplette Sorglosigkeit bezüglich der Belastung im Areal infrage stellten. Als die Swiss Life vergangenen Herbst Abrissgesuche für einige Gebäude einreichte und zunächst in der öffentlichen Auflage Schadstoffberichte fehlten, war die Skepsis zum Beispiel gross (obwohl der Fehler beim Kanton lag, wie sich herausstellte).

Dass die Kommunikation nicht optimal gelaufen sei, räumten dann die Investoren selbst ein, als sie Anfang Februar zu einer Diskussion mit Kritiker*innen eingeladen waren. Man wolle künftig deutlich machen, auf welche Berichte man sich bezieht, verspricht Jürgen Friedrichs – bei Swiss Life zuständig für die Generalprojektleitung im Klybeck-Areal. «Wir haben nichts zu verstecken und können auch nichts verstecken», sagt er.

Klybeck Rhystadt Information Altlasten Swiss Life
Endlich Transparenz: die Pressekonferenz der Investor*innen (Bild: David Rutschmann)

Um das Vertrauen wiederherzustellen, werden rund 200 Berichte zur Belastungssituation auf dem Klybeck-Areal veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die Untersuchungsunterlagen, welche beide Investorinnen beim Kauf erhalten haben, sowie die Ergebnisse von abgeschlossenen Untergrund-, Boden-, Gebäude- und weiteren Messungen im Verlauf der Jahre. Anmelden für den Datenraum kann man sich hier. Wenn weitere Berichte vorliegen, werden diese im Datenraum ergänzt. Hinzu kommt ab dem zweiten Halbjahr 2025 ein Informationsformat, das Nachbarschaft und Quartiervereinen offen steht, um mit Amtsstellen, Fachexpert*innen, NGOs und Investorinnen in den Dialog zu treten.

All diese Bemühungen werden tatsächlich auch von den Skeptiker*innen anerkannt. Lobende Worte für den «Schritt auf die Bevölkerung» fanden die Veranstalter*innen der Altlastenkonferenz in einer ersten Medienmitteilung. Dazu gehören neben dem medial sehr präsenten Altlastenexperten Martin Forter, dem Verein Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz und dem Komitee «Chemiemüll weg!» auch die Parteien Grüne und Basta sowie die Wohngenossenschaft Klybeck und der Verein Zukunft.Klybeck. Einige dieser Gruppen hatten sich auch erfolgreich für das Bekenntnis der Investor*innen zu günstigem Wohnbau im Klybeck («Basel baut Zukunft») eingesetzt.

Christian Mutschler
«Wir haben ein grundeigenes – auch wirtschaftliches – Interesse, dass das Problem gelöst wird»
Christian Mutschler, Rhystadt AG

Rhystadt und Swiss Life wiederholten an der Medienkonferenz, was früher schon die Chemiekonzerne Novartis und BASF als frühere Eigentümerinnen des Areals immer wieder betonten: Es gibt im gesamten Areal «nur» eine bekannte Altlast-Quelle: eine Verschmutzung mit dem Lösungsmittel Chlorbenzol. Das wurde 1999 entdeckt. Die Sanierung wird derzeit von BASF vorbereitet, bis 2028 soll sie dauern. Der Rest des Klybeck-Areals sei aber nach aktuellem Kenntnisstand höchstens im «überwachungsbedürftigen» Zustand. Alles in allem: lösbar, finden die Eigentümer*innen.

Entsprechend wurde auch nicht allgemein von «Altlasten» gesprochen, wie es in den Medien der Fall ist, sondern von «Standortbelastungen». PR-Schönfärberei? Nicht nur, es ist eine relevante Unterscheidung, wie Jürgen Friedrichs von Swiss Life erklärt: «Von Standortbelastungen geht zum jetzigen Zeitpunkt kein Risiko aus. Aber man muss sie trotzdem im Blick haben, gerade wenn Bauarbeiten stattfinden sollen. Altlasten müssen zwingend und zeitnah saniert werden.»

Kataster der belasteten Standorte Klybeck
Rot heisst: sanierungsbedürftig. Orange: Überwachungsbedürftig. Gelb: Weder noch (Bild: Kataster der belasteten Standorte, GeoPortal Basel-Stadt)

In allen aktuell genutzten Liegenschaften könne man sich «ohne Bedenken» aufhalten. Es gebe aber ungenutzte Gebäude, die dennoch instand gehalten werden müssen – und entsprechend zum Schutz der Mitarbeitenden mit Maske betreten werden müssen. Zum Beispiel der Bau K-90, über den im vergangenen Mai kritisch berichtet wurde: Denn noch bis 2022 fanden Fotoshootings, Ausstellungen und Besichtigungen in der zehn Jahre zuvor stillgelegten Produktionsstätte für reaktive Farbstoffe statt.

«Als allgemeine Sicherheitsmassnahme hatten wir das Gebäude damals geschlossen», sagt Friedrichs bei der Pressekonferenz. Eine Gefahr für die Gesundheit seien die «kurzen Aufenthalte» im K-90 «zu keinem Zeitpunkt» gewesen. Auch auf den Bericht, dass im K-90 der Kampfstoff Chlorpikrin nachgewiesen wurde, nimmt Friedrichs Bezug: Bei Nachprüfungen habe sich ergeben, dass das Signal mit einem weniger giftigen Stoff verwechselt worden sei. «Mittlerweile können wir ausschliessen, dass es im K-90 Spuren von Chlorpikrin gab. Einzelne Testresultate sollte man immer vorsichtig interpretieren.»

Bei solchen Gebäuden stellt sich die Frage, ob sie als Denkmäler der chemischen Industrie schützenswert sind. «Architektonisch sind diese Gebäude sicher erhaltenswert», sagt Christian Mutschler. Seine Rhystadt AG will im Areal 3 stillgelegte Gebäude abreissen. Auch aus ökologischer Sicht sei die verbaute graue Energie in Erwägung zu ziehen. Denn das Klybeck soll zu einem «grünen, klimafreundlichen Stadtteil» entwickelt werden.

Doch die entsprechenden Gebäude seien eben «so belastet, dass sie nicht erhalten werden können», so Mutschler. Sie sind auf der Karte als «überwachungsbedürftig» eingestuft. «Da gibt es keinen Spielraum für Kompromisse: Der Schutz der Gesundheit ist unser oberstes Gebot.»

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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