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«Wir wollen in der Gastro nicht Polizei spielen»

Seit Montag gilt eine Zertifikatspflicht für den Beizenbesuch. Nur noch Geimpfte, Genesene oder Getestete dürfen ins Restaurant. Einige Basler Wirt*innen finden das «sinnvoll», andere wollen nicht «Polizei spielen».

09/02/21, 02:15 AM

Aktualisiert 09/08/21, 02:38 PM

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Im Restaurant wird man bald vielleicht nur noch mit Zertifikat bedient.

Im Restaurant wird man bald vielleicht nur noch mit Zertifikat bedient. (Foto: Collage by Bajour)

Dieser Artikel wurde am 8. September 2021 aktualisiert: Am Mittwoch beschloss der Bundesrat, dass er die Zertifikatspflicht auf Restaurants, Bars etc. ausweiten wird, selbst Arbeitgeber*innen können ein Covid-Zertifikat von ihren Angestellten verlangen, wenn es zum Schutzkonzept gehört. Die Ausweitung der Zertifikatspflicht gilt ab Montag, 13. September. Ab dem 1. Oktober müssen Ungeimpfte Tests selber bezahlen.

Vor einer Woche, als sich abzeichnete, dass die Ausweitung der Zertifikatspflicht kommen könnte, sprachen wir mit Basler Beizer*innen und fragten sie: Was haltet ihr vom Covid-Zertifikat?

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Der Kanton Basel-Stadt unterstützt die Idee nach dem Motto: Lieber Zertifikat als Shutdown. Der Wirtepräsident von Basel-Stadt, Maurus Ebneter, hält die geplante Ausdehnung für «unverhältnismässig, kaum wirksam, rechtlich fragwürdig, sozial heikel und wirtschaftlich schädlich» und fordert Entschädigungen.

Unter den Beizer*innen selbst gehen die Meinungen auseinander.

Rostiger Anker, Claudia Granacher

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher schlecht.

Begründung: «Ich kann es mir, ehrlich gesagt, gar nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. So wird man von der Wirtin oder Servicefachangestellte zur Kontrolleurin? Oder man müsste zusätzlich eine Person anstellen, die am Mittag und am Abend vor dem Eingang kontrolliert?» Ein verpflichtendes Zertifikat bedeutet in Granachers Augen vor allem mehr personellen Aufwand.

Nachteil: «Bei einer Zertifikatsflicht werden automatisch Gäste ausgeschlossen, auch Stammgäste.»  Dazu komme, dass nicht alle bei ihr im Team geimpft seien – aus verschiedenen Gründen. «Das gäbe einen weiteren komischen Ausschluss.» Ungeimpfte Angestellte müssten sich täglich testen, um weiterhin ihren Job machen zu dürfen.

Vorteil: Der Rostige Anker, der einen kleinen Innenbereich hat, könnte wieder mehr Gäste empfangen, wenn die Mindestabstände und Schutzwände wegfielen.

Markthalle, Alexandra Dill

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Grundsätzlich sinnvoll.

Begründung: «Wir sehen den pandemischen Sinn einer Zertifikatspflicht für Restaurants grundsätzlich, sollte eine Überlastung der Spitäler drohen.»

Nachteil: «Was uns Sorgen macht, ist die konkrete Umsetzung in der Markthalle. Es stellt uns vor organisatorische, finanzielle und auch kulturelle Herausforderungen, denn eine Zugangsbeschränkung ändert den Charakter des eigentlich allen offen stehenden Kuppelraumes. Finanziell bedeutet es einen erheblichen Mehraufwand für die Kontrollen, das wird teuer. In einer Branche, die von den letzten 1,5 Jahren extrem gebeutelt ist und generell sehr tiefmargig arbeitet, darf dieser Aspekt nicht vergessen gehen. Es ist ausserdem wahrscheinlich, dass mit einer Zertifikatspflicht weniger Gäste kommen, was wiederum finanzielle Schwierigkeiten mit sich bringt.»

Vorteil: «Mit Zertifikats-Veranstaltungen machen wir gute Erfahrungen und schätzen die neuen Möglichkeiten. Wir sehen auch, dass viele Menschen sich dadurch sicherer fühlen.»

So regelt die Markthalle die Zertifikatspflicht:

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Bar Rouge, Martin Kistler

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher schlecht.

Begründung: «Wir stehen diesem Vorhaben kritisch entgegen, da wir seit Juli viel Erfahrung sammeln konnten und den Aufwand sehen, den es mit sich bringt», sagt Martin Kistler. Den Mehraufwand – etwa einen grossen Teil der Kund*innen noch vor Ort zu testen – hält er für einen Club für «noch irgendwie gerechtfertigt». Für die Bar sehe das anders aus.

Nachteil: «Eine Ausweitung der Zertifikatpflicht würde je nach Zielgruppe – insbesondere im Dreiländereck – bedeuten, dass man potenzielle Gäste abweisen muss, weil sie nicht die Zertifizierung erfüllen oder weil ihre Zertifikate nicht einlesbar sind.» Auch müsse man als Betreiber viel Zeit damit verbringen, die Regeln zu erklären. Kistler ist überzeugt: «Sollte man ab Oktober für die Tests selber zahlen müssen, würde es weitere Einschränkungen in der Wirtschaftlichkeit mit sich ziehen.»

In der Bar Rouge gilt schon länger eine Zertifikatspflicht:

Am Wochenende kann man sich am Bar Rouge Eingang (bis am 1. Oktober) gratis testen lassen.

Am Wochenende kann man sich am Bar Rouge Eingang (bis am 1. Oktober) gratis testen lassen.

Platanenhof, Charlotte Wirthlin

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher gut. Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings schwierig zu bewerten, was es für Auswirkungen haben würde.

Begründung: «Letzten Herbst hatten wir wegen den steigenden Zahlen plötzlich gar keine Gäste mehr, weil die Menschen sich nicht freiwillig in einem Innenraum aufhalten wollten. Eventuell fühlen sich die Leute diesbezüglich sicherer, wenn klar ist, dass nur Menschen mit einem Zertifikat kommen können.»

Covid-Zertifikat – wo es verlangt wird

Momentan Pflicht:

  • Grossveranstaltungen (ab 1'000 Personen)
  • Clubs, Discos und Tanzveranstaltungen

Momentan optional:

  • Bars und Restaurants
  • Öffentliche Veranstaltungen (bis 1'000 Personen)
  • Fach- und Publikumsmessen (bei mehr als 1'000 Besucher)
  • Freizeit-, Sport- und Unterhaltungsbetriebe, wie z.B. Theater, Kinos, Museen, Schwimmbäder
  • Kulturelle und sportliche Aktivitäten

Ab Montag, 13.9.2021, Pflicht:

  • Innenbereiche von (Hotel-)Bars und Restaurants sowie Freizeit-, Sport- und Unterhaltungsbetriebe wie z. B. Theater, Kinos, Casinos, Schwimmbäder, Museen und Zoos
  • Veranstaltungen im Innenbereich (Konzerte, Sportveranstaltungen, Vereinsanlässe, Privatanlässe wie Hochzeiten ausserhalb von Privaträumen)
  • Bei Veranstaltungen im Freien mit mehr als 1000 Personen

Weiterhin keine Pflicht:

  • Öffentlicher Verkehr, Detailhandel, Transitbereich von Flughäfen
  • Auf Terrassen, ebenso nicht in Gassenküchen
  • Private Veranstaltungen in privaten Räumlichkeiten bis 30 Personen
  • Religiöse Veranstaltungen und Veranstaltungen zur politischen Meinungsbildung bis max. 50 Personen
  • Veranstaltungen im Freien mit weniger als 1000 Personen können entscheiden, ob der Zugang auf Personen mit Zertifikat eingeschränkt wird
  • Treffen von Parlamenten und Gemeindeversammlungen
  • Dienstleistungen von Behörden sowie personenbezogene Dienstleistungen, wie etwa Coiffeursalons, therapeutische und Beratungsangebote
  • Die Kantone oder die Hochschulen können eine Zertifikatspflicht für den Studienbetrieb auf Bachelor- und Masterstufe vorschreiben
  • Arbeitgeber dürfen das Vorliegen eines Zertifikats bei ihren Arbeitnehmenden nur dann überprüfen, wenn es dazu dient, angemessene Schutzmassnahmen festzulegen oder Testkonzepte umzusetzen

Café zum Kuss, Markuss Engeler

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Schlecht.

Begründung: «Ein Zertifikat für den Zugang zum Restaurant halte ich für einen Schwachsinn!» Schon heute habe er mit Masken-, Abstands-, Sitz- und Registrationspflicht genug Regeln zu erklären. «Wir verlieren hin und wieder Kunden, weil die Kontrolle nicht gut geheissen wird.» Das störe ihn nicht. Trotzdem würde ein Zertifikat «noch mehr Polizeiarbeit bedeuten und viele Gäste vergraulen».

Zur Mägd, Adriano Giordano

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Gut. 

Begründung: «Das ist eine wichtige Massnahme, um wieder Normalität herzustellen. Ich sehe kein grosses Problem und glaube, meine Stammgäste werden auch weiterhin kommen.»

Cargo Bar, Claude Gaçon

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher schlecht.

Begründung: «Ich bin der Meinung, dass wir im Moment gut fahren, so wie es ist: Auf der Terrasse keine Einschränkungen, beim Bestellen an der Bar Maske und im Innenbereich Abstand. Solange das Gesundheitssystem nicht kollabiert, soll man den Dingen ihren Lauf lassen.» 

Nachteil: «In einer Bar steht meiner Meinung nach der Aufwand und die Einschränkungen in keinem Verhältnis zum gesellschaftlichen Gewinn. Die Massnahme wäre zusätzlich infrage gestellt, dass etwa die hälfte des Personals nicht geimpft ist und sich auch nicht impfen will (entgegen meiner ausdrücklichen Empfehlung).»

Vorteil: «Man kann sich dann auch im Inneren ohne Einschränkungen bewegen und braucht keine Maske. Das macht in Lokalen, wo zum Beispiel getanzt wird, Sinn.»

Harmonie, Anna Götenstedt

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher schlecht.

Begründung: «Ich finde es nicht in Ordnung, dass wir in der Gastronomie Polizei spielen müssen und darunter leiden, wenn jemand noch nicht geimpft ist. Es ist ein Wahnsinnsaufwand, die Leute zu kontrollieren. Ich persönlich befürchte auch, dass es eine falsche Sicherheit gibt, weil auch Geimpfte ohne Symptome das Virus weitergeben können. Aber wir akzeptieren die Zertifikatregel, wenn sie kommt. So ist es in vielen europäischen Ländern geregelt und es ist mir viel lieber als ein weiterer Shutdown.»

Coole Socken haben ein Zertifikat.

Coole Socken haben ein Zertifikat.

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Café Frühling, Aline

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher schlecht.

Begründung: «Das Café gehört für viele zum Alltag und ich gehe davon aus, dass viele nicht mehr kommen werden, weil sie keine Lust auf die Massnahme haben – das haben wir schon beim Registrieren der Kontaktdaten gemerkt. Dass wir als Café die Verantwortung tragen müssen, finde ich nicht gut. Ich versuche, alle Regeln umzusetzen, aber diese finde ich sehr mühsam. Und ich glaube nicht, dass durch die Zertifikate ein Shutdown verhindert werden könnte.»

Nachteil: «Eventuell müssten wir Menschen ohne Zertifikat wegschicken.»

Löwenzorn, Karim Frick

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Eher schlecht.

Begründung: «Wenn der Gesetzgeber das Covid-Zertifikat vorschreibt, werden wir uns daran halten. Allerdings sind in meinen Augen noch viele praktische Fragen offen: Wer kontrolliert? Darf es ein Impfbüchlein oder muss es digital sein? Das müssen wir alles wissen und organisieren. Bei uns ist viel los. Um die Kontrolle neben dem täglichen Betrieb machen zu können, brauchen wir eine zusätzliche Person. Der finanzielle und zeitliche Aufwand wäre sehr hoch.»

So regelt der Löwenzorn die Zertifikatspflicht:

Taverne Johann/Wyniger Gruppe, Christoph Widmer 

Findet eine Covid-Zertifikatpflicht: Gut.

Begründung: «Wir verfolgen die Diskussion rund um die Zertifikatspflicht interessiert und können nachvollziehen, dass der Bund aufgrund der aktuellen Entwicklung eine Zertifikatspflicht prüft. Wir vertrauen den verantwortlichen nationalen und kantonalen Behörden, dass ein richtiger und ausgewogener Entscheid gefällt wird und werden die getroffenen Massnahmen gemäss Anweisung zum Schutze der Bevölkerung gerne umsetzen.»

Mit den Menschen in Basel reden ...

... das klappt nur dank dir. Danke, dass du Bajour unterstützt 🤍

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