Baselland will Bauschutt-Lawine eindämmen

84 Prozent der Abfälle in der Schweiz stammen aus der Baubranche. Am Wochenende stimmen die Baselbieter*innen über eine Deponieabgabe ab, die das Wiederverwerten von Bauabfällen lukrativer machen soll.

Die Deponie in der Metallrueckgewinnungsanlage, wo Metalle aus der Schlacke des Haushalts- und Siedlungsabfalls entfernt und anschliessend weiterverwertet werden, in der Deponieanlage Elbisgraben in Arisdorf am Donnerstag, 28. Oktober 2021. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
(Bild: KEYSTONE/Georgios Kefalas)

«Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Die Deponieabgabe müsste aber klar höher sein, wenn sie eine Abfall vermindernde Wirkung entfalten soll.» Gegenüber Bajour gelangt die renommierte Basler Architektin und Projektentwicklerin Barbara Buser, die als Vorreiterin für «nachhaltiges Bauen im Bestand» gilt, zu dieser Einschätzung. Über die Einführung dieser kantonalen Deponieabgaben stimmt das Baselbiet am kommenden Sonntag (19.11.) ab. Für die relativ kleine Gegnerschaft der Vorlage sind die Kosten dagegen zu hoch.

Abgesehen von der SVP, wird die Vorlage von allen Parteien unterstützt. Damit die Deponieabgabe rechtskräftig wird, braucht sie ein doppeltes Ja; einerseits zur Verfassungsänderung, andererseits zur Anpassung des kantonalen Umweltschutzgesetzes.

Dem Müllberg eine Abfuhr erteilen

Die Gegner*innen argumentieren vor allem mit den zu erwartenden höheren Kosten, die für das Bauen entstehen würden. Aber wie teuer wird es wirklich? Dazu fehlen nur schon halbwegs gesicherte Zahlen: In der Bauwirtschaft, abgesehen von Spezialbauarbeiten wie etwa dem neuen Rheintunnel oder Altlastensanierungen wie der Chemiemülldeponie Feldreben in Muttenz, interessiert sich kaum jemand für Aushub- und Abbruchkosten. 

Bei durchschnittlichen Bauvorhaben dürften diese bei 1 bis 2 Prozent der Gesamtkosten eines Bauprojekts liegen, bei grösseren Vorhaben unter 1 Prozent. Für Basels berühmteste Baustelle, den fast völligen Abbruch des Globus-Warenhauses am Marktplatz, war weder herauszufinden, wohin die Unmengen von Bauschutt verbracht wurden, geschweige denn war zu ermitteln, wie hoch der Anteil der Gesamtkosten am Bauprojekt ist, der irgendwo unter «ferner liefen» rangiert. 

Deponieren ist billig – Wiederverwerten (noch) uninteressant

In Basel-Stadt und Baselland fallen rund 3,2 Millionen Tonnen Bauabfall pro Jahr an. Dies ist der weitaus grösste Teil der jährlichen Mülllawine, die die Kantone zu bewältigen haben. Ein Sechstel wird heute schon zum Recycling eingesetzt. Mit aktuellen Deponiegebühren von 30 bis 80 Franken pro Tonne im Baselbiet, oder etwa 50 Franken pro Tonne in der bekannt gewordenen Liestaler Bauabfalldeponie Höli, sind die Anreize zum Verwerten von Bauabfällen gering. Auch die Erwartungen an die neue Abgabe sind gedämpft: Der Regierungsrat hofft, die deponierte Menge mit der künftigen Abgabe um gerade Mal 30 Prozent zu verringern.

Für viele ist die Deponieabgabe reine Symbolpolitik – sie fordern den Abrissstopp und das Erhalten sowie Aufbessern der bestehenden Gebäude: Architekt*innen, die sich dem nachhaltigen Bauen verpflichtet haben, wie eben Barbara Buser aus Basel, fordern ein Umsteuern. Dies zeigt auch eine mehrteilige, durch Crowdfunding finanzierte Recherche von Bajour. Es gibt immer mehr Menschen in der Branche, welche für einen nachhaltigen Baustil einstehen, zum Beispiel in der Gruppe Countdown 2030. Mit einer Petition gelangte sie letztes Jahr an den Bundesrat und die Eidgenössischen Räte, dann würde es gar keine Bauschuttdeponien und die damit verbundenen Umweltprobleme mehr geben: «Fertig mit dem Abrisswahn – Zukunftsfähig Bauen Jetzt!»

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