Zusammen in Europa oder allein in der Welt

Neidisch schielt die Schweiz zur EU, die glimpflicher bei den Zöllen davonkommt. Der Politik des irrlichternden US-Präsidenten ausgeliefert zu sein, lässt die Bilateralen III wie ein Geschenk aussehen, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Wochenkommentar USA Zölle
(Bild: Adobe Stock)

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin kommen mit leeren Händen und langen Gesichtern von ihrer vermeintlichen Rettungsmission aus den USA zurück: Die 39-Prozent-Zoll-Ohrfeige trifft die Schweizer Wirtschaft empfindlich und wird in die Geschichte eingehen. 

Für Keller-Sutter ist besonders unangenehm, dass sie zuvor ihren guten Draht zum US-Präsidenten vollmundig lobte, Trump sie aber öffentlich abblitzen liess – als eine Frau, die er vorher nicht gekannt habe, die «nett» sei, aber nicht zugehört habe. Wer vor Trump nicht auf die Knie geht, kann kaum etwas herausholen. Mit Argumenten braucht man diesem Mann nicht zu kommen, der ein Handelsdefizit für Diebstahl hält und gerade seine Statistik-Chefin gefeuert hat, weil ihm die Zahlen zur Beschäftigungsentwicklung nicht passten.

Im April kündigte Trump für die Schweiz noch Zölle von 31 Prozent an, jetzt hat er nachgedoppelt. Ganz willkürlich landet er bei acht Prozentpunkten mehr – einfach, weil er es kann. Es gibt kein Beschönigen: Die Schweiz wurde von der US-Regierung gedemütigt. Willkür, Wucher, Wahnsinn, alles dabei.

Während die SVP panische Angst davor hat, sich von der EU abhängig zu machen, blendet sie aus, wie sehr kleine Länder wie die Schweiz vom Rückhalt einer Staatengemeinschaft profitieren.

Während Trump von einem Moment zum anderen Schweizer Waren um 31 oder 39 Prozent verteuert, verhandelt die Schweiz seit Jahren mit der EU, dem grössten Binnenmarkt der Welt und dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz, um die Aktualisierung der Bilateralen Verträge – mit scheinbar endloser Brüsseler Geduld, muss man bei einem Direktvergleich mit dem Despoten aus Washington festhalten. Bei aller wirtschaftlichen Stärke ist die EU weiterhin an einem Kompromiss interessiert. Man stelle sich mal vor, man würde mit Trump über Schiedsgerichte oder flankierende Massnahmen verhandeln.

Kaspar Sutter, als Basler Wirtschaftsdirektor sonst eher blass, trifft es bei X auf den Punkt: «Die erratische Machtpolitik von Trump schadet Kleinstaaten wie der Schweiz sehr direkt. Wir brauchen umso mehr und rasch geregelte Beziehungen zu unseren Verbündeten in der EU.» Natürlich überrascht es nicht, dass sich der SP-Politiker EU-freundlich ausspricht. Doch seine Aussage dürfte ins Mark der vielen KMU treffen, die nun um Jobs und Einnahmen zittern.

Während Trump im eigenen Land parademässig demonstriert, wie wenig er von Demokratie hält, gibt sich die SVP, die grösste Gegnerin des neuen EU-Vertragspakets, ob des Zollhammers wortkarg. Manche Vertreter*innen loben sogar weiterhin Trumps Politik – koste es die Schweiz, was es wolle. Während die Partei panische Angst davor hat, sich von der EU abhängig zu machen, blendet sie aus, wie sehr kleine Länder wie die Schweiz vom Rückhalt einer Staatengemeinschaft profitieren. Die Schweiz tut sicher gut daran, ihre Schäfchen in mehreren Teilen der Welt ins Trockene zu bringen. Aber wenn weltweit die Willkür und das Recht der Stärkeren regiert, zieht die kleine Eidgenossenschaft den Kürzeren.

«Made in Switzerland» kann einpacken, wenn mit US-Zöllen und ohne EU-Binnenmarkt-Zugang Hunderte Schweizer Unternehmen ihre Produktionsstätte ins Ausland verlegen müssen, um zu überleben.

Der abgelehnte EWR-Beitritt von 1992 verfolgt das Land wie ein dunkler Schatten. Während das noch kleinere Liechtenstein im Schutz der EU verhängten 15 Prozent gut zurechtkommen wird, wirken die sogenannten Bilateralen III jetzt wie ein Geschenk, mit dem zumindest Schadensbegrenzung möglich wäre. «Made in Switzerland» kann einpacken, wenn mit US-Zöllen und ohne EU-Binnenmarkt-Zugang Hunderte Schweizer Unternehmen ihre Produktionsstätte ins Ausland verlegen müssen, um zu überleben. Es ist schmerzhaft einzugestehen, aber die Schweiz sitzt in Zeiten, in denen sich neue globale Blöcke bilden, mit einem Alleingang endgültig am kürzeren Hebel. Und der mögliche Pharma-Hammer steht erst noch bevor.

Die Schweiz, die sich jahrzehntelang im Wohlstand und vermeintlich zwischen allen Fronten sonnen durfte, muss sich entscheiden, mit wem sie Geschäfte macht, sonst hat sie bald kein Geschäftsmodell mehr.

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