Dude, where's my Velo?

Schon zum zweiten Mal wird an der Fasnacht mein Velo abgeschleppt. Damit leistet die Basler Polizei Entwicklungshilfe in Ghana.

Andreas Schoenemann
Andreas Schönmann von der Basler Polizei sagt: «Die Lager sind während der Fasnacht übervoll.»

Wie ein schlechtes Déjà-Vu hat es sich angefühlt, als ich am frühen Montagmorgen durch die Clarastrasse in Richtung Basler Innenstadt spazierte, um mir den Morgestraich vom Münster aus anzusehen. Die trommelnde Vorfreude vermischte sich mit glühendem Herzschmerz: Vor dem Bajour-Büro an der Nummer 10 standen keine Fahrräder mehr, auch mein Velo war verschwunden, weggeräumt vom Tiefbauamt oder der Polizei. 

Manchmal, so dachte ich, merkt man erst, wenn etwas weg ist, wie sehr man es doch geliebt hat. 

Das Schlimmste daran: Es ist nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert. Vor einigen Jahren schon wurde mein Fahrrad vor dem Morgestraich ins Zeughaus an die Zeughausstrasse 2 verfrachtet. Die Besitzer*innen haben laut Strassenverkehrsamt rund 30 Tage Zeit, ihr Gefährt zurückzuholen – für 35 Franken Sicherstellungsgebühr (80 Franken für E-Bikes) und 20 Franken Ordnungsbusse. Es können auch Standgebühren von drei Franken täglich dazukommen. 

Velo
Verrostet und mit platten Reifen: Mein Velo dürfte sich bald auf dem Weg nach Ghana befinden. (Bild: Valerie Zaslawski)

Wird die Frist nicht eingehalten, werden die meisten Zweiräder nach Ghana verschifft. Frau Beatrice Yeboah kümmert sich darum, drei Container pro Jahr füllt sie damit. Indirekt leistet die Basler Polizei damit Entwicklungshilfe. Ein weiterer Teil geht an die Arbeitsintegration in Pratteln, an Geflüchtete oder aber sie werden versteigert. Ich hatte die Frist damals nicht eingehalten – wie übrigens die meisten Basler*innen, nur ein Bruchteil der Velos werden abgeholt. Letzten Endes erfreute ich mich an der Vorstellung, wie mein Drahtesel über afrikanische Sandstrassen cruist. 

Dieses Mal würde ich es (ein bisschen) besser machen. Gleich am Montagmorgen meldete ich mich bei der Basler Polizei, die bisher knapp 200 Velos eingesammelt und ein paar wenige Autos abgeschleppt hat. Auf dem Weg zum Zeughaus erfahre ich, dass einer Freundin das gleiche Schicksal widerfahren ist: Auch sie vermisst ihr Velo seit Sonntag. Meine Mission: Gleich zwei Fahrräder zurückzuholen.

Andreas Schönmann von der Basler Polizei heisst mich willkommen und führt mich über das Gelände. «Die Lager sind während der Fasnacht übervoll», sagt er. Ich erblicke mein flaschengrünes Velo dennoch sogleich, verrostet und mit platten Pneus (es stand schon eine ganze Weile an der Clarastrasse und wartete darauf, aufgepumpt zu werden), merke aber gleichzeitig, wie dumm, dass ich den Schlüssel fürs Schloss vergessen habe. Was für ein Mist! Ich ahne es schon: Auch dieses Fahrrad wird auf dem afrikanischen Kontinent landen.

Laura
Da steht es dann doch noch, das Velo mit türkisem Körbchen. (Bild: Valerie Zaslawski)

Ein Happy End hat die Geschichte trotzdem: Am Schluss der Tour entdecke ich das Velo meiner Freundin, das Schloss aufgeknackt. Es stand am Wettsteinplatz im Fahrradständer und sollte bis vergangenen Donnerstag weggestellt werden. Wurde es nicht. Der Code, den sie mir per Whatsapp zukommen liess, diente mir zur Identifizierung. Ich durfte es mitnehmen. 

Auf dem Rückweg in die Innenstadt massregelte mich am Aeschenplatz ein Polizist, Fahrräder sollten während der drey scheenste Dääg nicht durch die Innenstadt fahren. Ich machte eine Ausnahme, die Freude am geretteten Velo ist zu gross. Nun steht es im Bajour-Pop-Up an der Schneidergasse 27 – und wartet darauf, abgeholt zu werden. Meinem Fahrrad wünsche ich, dass ihm eines Tages der warme Wind durch die Speichen pfeift.

Die Velos können übrigens diese Woche Donnerstag (12 bis 18 Uhr) und Freitag (7.30 bis 16 Uhr) abgeholt werden. Ab kommender Woche dann jeweils Dienstag (7.30 bis 12 Uhr) und Donnerstag (12 bis 18 Uhr). Den sogenannten Zweiradsicherstellungsort erreichst du auch unter der Telefonnummer: 061 201 71 31.

Herz Tanz
Lass uns nicht stehen.

Werde Member und unterstütze Bajour.

Das könnte dich auch interessieren

Solaranlage Madakaskar

Stefan Schuppli am 17. Dezember 2024

Solarstrom für eine Klinik im Outback

Dank einem Beitrag des Kantons Basel-Stadt und zahlreichen Spenden aus der Region wird seit kurzem ein kleines Gesundheitszentrum im madagassischen Outback mit Solarstrom versorgt.

Weiterlesen
lovelife_suedafrika_MAWANDE KHESWA

Valerie Wendenburg am 05. Dezember 2024

«Der Entscheid ist ein Schock für uns»

Der Nationalrat hat gestern beschlossen, im Budget 2025 insgesamt 250 Millionen Franken in der Entwicklungszusammenarbeit zugunsten der Armee zu sparen. Basler NGOs zeigen sich schockiert, sprechen von einem kurzsichtigen Richtungsentscheid und hoffen jetzt auf den Ständerat.

Weiterlesen
2024-11-26 Frage des Tages Rheintunnel-1 (2)

David Rutschmann am 27. November 2024

«ÖV nicht als Beilage, sondern als Hauptmenü»

Der Autobahn-Ausbau wurde abgelehnt. Das wirft uns nicht zurück auf Null, wie die vielen Ideen bei der Frage des Tages zeigen: Güter auf die Schiene, eine Einhausung über der Osttangente 10-Minuten-Nachbarschaften zur Verkehrsreduktion – oder doch eine Neuprojektierung als Rheintunnel light?

Weiterlesen
Plakate, die fuer und gegen den Autobahnausbau in der Schweiz werben, haengen in Birsfelden, am Dienstag, 12. November 2024. Am 24. November 2024 wird ueber den Bundesbeschluss ueber den Ausbauschritt 2023 fuer die Nationalstrassen abgestimmt. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

David Rutschmann am 24. November 2024

Am Ende des Tunnels

Der Rheintunnel konnte nicht genug Versprechen für die Entlastung der staugeplagten Bevölkerung kreieren – und stand quer zum Klimaziel 2037. Für die Ablehnung des Projekts im Autoland Schweiz brauchte es aber auch eine ordentliche Dosis Sparsamkeit und Wachstumskritik.

Weiterlesen
Valerie Zaslawski

Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Kommentare