Let’s be real

Da ein Lächeln, dort ein Wahlkampf-Poster, Cüpli, Cüpli und viele Phrasen: Die Basler Polit-Bubble buhlt um Aufmerksamkeit via Social Media. Ein bisschen mehr Sein als Schein würde dem Wahlkampf aber gut tun. Ein Kommentar aus der Generation Z.

Mitte August kursierte das KI-Tool «My Insta Personality» durch meine Instastories. Da kann man seinen eigenen Instagram-Account roasten lassen:

Dominik, you go around snapping pictures of dogs, wine, and random street scenes like a hipster who just discovered analog photography.

Nebst dem eigenen Benutzernamen lässt sich da auch jeder x-beliebig andere Name eintragen, solange das Profil öffentlich ist.

Wie also schätzt die KI die Profile unserer Volksvertreter*innen ein und was haben sie inhaltlich zu bieten? Schliesslich sind die jüngsten Wähler*innen (und Kandidierenden) 2006 geboren. Die Generation nach Klimastreik, nach Clubsterben, nach haptischen Programmflyern oder Wahlunterlagen. Die Generation TikTok. So läuft der Wahlkampf digital, in Bewegtbild, in Bewegung.

Dominik Asche
Zum Autor

Dominik Asche (25) arbeitet als Digital Produzent, produziert Social Media Content, baute als Social Media Manager Accounts mit auf und ist freischaffender Pressefotograf.

Schon vorab muss aber gesagt sein, hier geht es nicht nur um TikTok, sondern um Social Media allgemein. Sonst könnten wir hier auch abbrechen. Ich habe mir pro Partei eine Person rausgepickt, die mir aufgefallen ist.

SVP

The serious face you got going on, like you just solved world hunger, is almost as impressive as your ability to turn every post into a campaign flyer.

Pascal Messerli schafft es, in seinen letzten 18 Posts ganze sieben Mal sein Portraitfoto zu platzieren. So schafft man Content ohne zu viel zu zeigen, oder? Leider geben die anderen elf Beiträge keine andere Facette von ihm preis, sondern machen Wahlwerbung für Parteikollege und Regierungskandidat Stefan Suter (dieser ohne Social Media), zeigen Fotos von Demos und Asylsuchenden mit denen die SVP auf ihre Initiativen aufmerksam machen und – ah da, ein privater Einblick in das Leben von Messerli: Ein Selfie mit Parteikollegin und Freundin mit der Caption: Kos 🏝😎❤

Und gleich ein Post davor ein Bild von Pascal Messerli im Fussballstadion mit Trikot: Hopp Schwiiz🇨🇭🇨🇭🇨🇭

Wer sich also nicht für die SVP interessiert, wird mässig inspiriert auf Messerlis Profil. Oder wie es die KI ausdrückt:

But hey, keep serving those political teas, just maybe sprinkle in a bit of humor or a meme to lighten the mood. You know, 'for the culture' and all that! 😂

LDP

Ich bin im Jahr 2018 gelandet. Annina von Falkenstein zeigt mit ihren gestalteten «Story-Highlight-Ordnern», was ihr wichtig ist: Medien, Herzensthemen, Abstimmungen, Grosser Rat. Wer nicht bei der LDP Mitglied ist oder generell Politik macht, wird hier nicht gross relaten können.

And let’s be real, with those likes on your posts, it seems like your election campaign is less ‘Vote for Change’ and more ‘Please Like Me!’

Annina lächelnd, Annina lächelnd mit Parole, Annina lächelnd auf einer Bühne, Annina lächelnd mit anderen Politiker*innen und da, auch mal ein Video: LDP-Sommerfest. Ganz viele lächelnde LDP-Mitglieder, die mit Wein und Bier aus POV-Perspektive anstossen.

Die Zeit, in der auf Social Media nur gelacht wurde, ist schon ein paar Jahre her. Emotionen in jeder Facette zählen im 2024. Videos aus dem Alltag, was einen bewegt, bei was man struggelt oder für was man sich mit Leidenschaft einsetzt.

But hey, who needs voters when you can have a pizza party? 😂

FDP

Weniger verkrampft, aber gleiches Konzept findet man bei Tamara Alù. Einmal ein Ausschnitt aus einem Fernsehinterview, einmal ein Video von Kulturstadt jetzt «Hesches au gern, wenns vibriert» und auch hier wieder der digitale Flyer.

But hey, I respect the hustle—you’re out here campaigning like it’s the Olympic Games! Just remember, it’s not a race; you don’t have to throw everything at us at once! 🌪️

Alù geht das ganze etwas humorvoller an. Props an den Post zur AHV-Abstimmung Anfang Jahr. Als Kleinkind, mit einem Hund kniet ein kleines Mädchen auf dem Rasen.

Das ist mal eine kreativere Art Emotionen zu wecken, als die immer gleichen grafisch gestalteten Parolen. Der Fokus ist trotzdem immer derselbe: Wahlkampf. Etwas anderes als Politik findet man bei Tamara Alù nicht.

Die Mitte

Chapeau. An Balz Herters Profil hat die KI wenig auszusetzen.

Balz, you're clearly passionate about your community and politics, which is commendable. Your posts show a blend of personal and professional life, with a touch of humor and local pride.

Noch nicht mal im Content-Mix gibt es etwas zu bemängeln. Ein paar Videos, ein paar Fotos und ein(!) Post zu den Wahlen. Sogar hier als Video.

Einzig die eigene Note fehlt. Als würde man sich etwas von links und rechts bedienen sind überdurchschnittlich viele Posts als «Co-Autorenpost» ausgespielt. Da musste Herter also nur noch auf «Anfrage annehmen» klicken, statt selbst Content zu konzipieren. Vielleicht ja dann mal für TikTok …

EVP

Thomas Widmer Hubers Captions sind durchdacht. Beginnend mit einem Schlagwort, dann weiss man auch, um was es geht. Wie zum Beispiel in dieser Caption: «SILBERLINDE Partnerschaft im Wettsteinpark als praktisches Zeichen der Hoffnung zum Abschluss des Riehener Kirchentags anlässlich des Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettags. Singen und beten im Gottesdienst, singen und segnen bei der Silberlinde, einem Baum für die Zukunft.»

Die KI ist wenig beeindruckt – und roastet zur Abwechslung mal auf Deutsch:

Aber hey, wenigstens hast du eine treue Fanbase, die deine Abenteuer im Dorf verfolgt. Ich schätze, die Leute sind mehr an den Spaghetti und dem Hausfest interessiert, als an deinen politischen Ambitionen.

Immerhin: Man bekommt mit, was Widmer Huber so treibt und was bei ihm auch neben der Politik so geht.

Auf seinem Profil passiert jedoch so viel Verschiedenes, dass ich mich frage, zu welchem Zeitpunkt eine weitere Person begonnen hat, ihm Tipps zu geben. Noch im August postete er unscharfe Schweizerkreuze, Flyer, Zeitungsartikel und Screenshots für Petitionen, die aussehen wie aus meinen Schulbüchern vor 20 Jahren. Und seit kurzem zeigt Widmer Huber sich mit Menschen, in der Natur, im Grossen Rat und – ok, man findet auch die obligatorischen Ü50-Regenbogen-Fotos.

GLP

Bro, you might want to switch it up from 'dad casual' to 'cool politician on a mission.' Get a blazer or something, or at least lose the dad vibes when you’re trying to flex your political muscles!

Wir sind bei Bülent Pekermans Account, der sich mehr oder weniger in die bisherigen einreiht. Dafür ist er der erste der bisher genannten, der auch einen aktiven TikTok-Account betreibt.

Seit geraumer Zeit hat die App durchaus mehr zu bieten als nur Tanzvideos, doch einer lässt sich nicht lumpen: Bülent Pekerman zusammen mit Susanne Huber von Telebasel. Das Handy umkreist die beiden auf ihrem Sockel zu Tyla’s: «Make me sweat, make me hotter».

Politische Haltung hat das Video keines und das im Wahlkampf des GLPlers …

SP

Das Profilbild von Edibe Gölgeli zeigt: Es muss nicht in die Fresse sein. Anders als ihre Parteikolleg*innen verzichtet sie auf den roten SP-Hintergrund und entscheidet sich für ein Selfie.

But seriously, your captions are giving me life; it’s like a TED Talk on inclusivity mixed with a sprinkle of 'I woke up like this.'

Ich finde, eine gute Mischung aus Leben und Ernst. Inhaltlich.

Gestalterisch ist es dennoch ein Abenteuer mit 2015er-Selfies mit Sprechblasen oder Collagen, wie ich sie bei irgendeinem Familienmitglied zuletzt in meinen Whatsapp-Stories gesehen habe.

Either way, your emotional rollercoaster and glassy-eyed moments are definitely the highlight of my scroll.

Grüne

Schauen wir zu den jüngsten Bisherigen im Parlament. Anouk Feurer produziert Content. Auch auf TikTok zeigt sie ihren Parlaments Alltag unterhaltsam mit einer Prise Grün.

And those Wickelfisch captions? The spice emoji is doing some heavy lifting. Maybe lay off the chili peppers, they're starting to get predictable.

Ich finde: Wer Hater hat, wird auch Follower (oder Wähler*innen) haben. Aber wie bei vielen anderen Politiker*innen kann ich auch hier diese vollgepackten Instastories mit Phrasen, Haltungen und Abstimmungsergebnissen, ja fast schon Livetickern aus dem Parlament-Alltag, nicht mehr sehen.

BastA!

Wir sind nun auf dem anderen politischen Spektrum, aber auch Nicola Goepfert nutzt das Konzept: In acht von 21 Posts lächelt mir sein Wahlplakat-Porträt entgegen. Den eigens kreierten #radikalmenschlich der BastA! nutzt auch Goepfert unter jedem seiner Posts.

And let's talk about that 'radical humanity' vibe—are you sure you're not just trying to get on the next episode of a reality show called 'Basel's Most Amusing Activists'? Because you're definitely giving off major 'let's clean up the world one hashtag at a time' energy. Keep it up, and you might just be the next viral meme!

Ich hoffe auch hier bei der nächsten Legislatur über eigens kreierte TikTok Trends statt «Hashtagtrends» schreiben zu können. #willkommenim2024

Hoffnung habe ich in die ganz Jungen. Zugegebenermassen musste ich sie bei den Parteien aber suchen. Parteiunabhängig wurde mein Feed noch nicht damit gespült. Deshalb der Appell für die nächste Legislatur: Zeigt euch, zeigt euer Leben und für was ihr im Alltag einsteht. Haltet keine Video-Monologe in euren Stories und postet einfach mal auf TikTok. Das ist wirklich (fast) keine Plattform mehr für Tänze.

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