Ein Mal Botox to go, bitte!

Seit dieser Woche gibt es an der Schifflände neben Chai Lattes auch Botox und Hyaluronsäure to go. Bajour hat die neue Schönheitsklinik von Beauty2Go am Presselunch unter die Lupe genommen.

Beauty2Go
Spritz mich schön(er)! (Bild: Jan Soder)

Es gibt nur sehr wenige Orte, bei denen ich mir denke: Da gehe ich wahrscheinlich in meinem ganzen Leben nie hin. Ein solcher Ort ist die Schönheitsklinik, und doch finde ich mich an einem Donnerstagmittag im Hauseingang an der Schifflände 2 vor dem Klingelschild «Beauty2Go» wieder. Dabei hege ich keine generelle Abneigung gegenüber Schönheitseingriffen. Ich habe bloss keinen Bedarf dafür. Dachte ich zumindest.

Ich musste den Eingang zur neu eröffneten Beautyklinik von Beauty2Go, der nach eigenen Angaben nationalen Marktführerin in ästhetischer Medizin, einen Moment lang suchen. Der Firmenname ist bescheiden auf einer kleinen Metallplatte an der Hauswand angebracht. «experts in aesthetics» geht neben dem grossen Starbucks-Schriftzug unter. Ich suche aber keinen Chai Latte, sondern eine Dosis Botox to go. 

Der Aufzug liftet mich in den dritten Stock, wo die ersten Gäste von den Beauty2Go-Gründergeschwistern Alexandra und Patrick Lüönd sowie vom behandelnden Arzt begrüsst werden. Anlass ist der Presselunch – inklusive Live-Injektion – zur Eröffnung der neuen Filiale in Basel. Bevor die Nadel gezückt wird, darf der weiss marmorierte Boden bewundert und mit Crémant angestossen werden. «Darf es ein Cüpli sein?» Wurde da gerade dem Arzt, der später live injizieren soll, versehentlich ein Glas Sekt angeboten?

Beauty2Go
Die Liege wartet auf die erste Injektion. (Bild: Jan Soder)

Der Presselunch beginnt mit einer Ansprache von Alexandra und Patrick Lüönd. Vor sieben Jahren haben sie die erste Beauty2Go-Klinik in Zürich eröffnet. Mit der Expansion nach Basel dürfen sie die siebte Filiale einweihen. Laut eigenen Angaben hat das Unternehmen seit der Gründung über 120’000 Behandlungen an 35’000 Patient*innen durchgeführt. Das macht sie zum Schweizer Marktführer für minimalinvasive Eingriffe. Ihr Kerngeschäft sind Unterspritzungen mit Hyaluronsäure, einer körpereigenen Substanz, die bei Beauty2Go für Faltenbehandlung, Volumenaufbau und Formgebung eingesetzt wird. In ihrer Ansprache erzählt Alexandra Lüönd stolz: «Wir haben mit 2’000 Franken angefangen. Das hier ist also absolut self-made, Self-Growth.» 

Es bedarf keiner langen Recherche, bis man auf zahlreiche Negativschlagzeilen aus den Anfangsjahren stösst. 20 Minuten titelte 2017: «Beauty2go muss nach Polizeibesuch schliessen». In einem anderen Artikel berichten ehemalige Kundinnen von «mangelnder Hygiene, schmerzhaften Nebenwirkungen und leeren Versprechen». Tatsächlich kam es in den Filialen Zürich und Bern zu Durchsuchungen der Polizei. Lüönd stritt gemäss 20 Minuten die Vorfälle damals als «böse Gerüchte von der Konkurrenz» ab. 

Später am Presselunch wird sie eingestehen, dass in den Anfangszeiten nicht alles rund lief: «Wir hatten Kinderkrankheiten und Mühe, transparent zu sein. Im Nachhinein würde das nicht mehr passieren. Wir haben uns nun spezialisiert auf Medizinrecht.» Seither kam der Spiess aber ins Rollen. Es folgten Filialen in Lausanne, Luzern, Winterthur und St. Gallen.

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Die Gründergeschwister Patrick und Alexandra Lüönd. (Bild: Jan Soder)

Nach der Ansprache der Gründer*innen macht sich der leitende (und bisher einzige) Arzt der Basler Klinik bereit für die Live-Injektion. Die Patientin legt sich auf die Liege, ehe ihr der Arzt mit weissem Stift Linien über das Kinn zieht. Der Eingriff zum Kinnaufbau sei nach der Lippenunterspritzung die zweitgefragteste Behandlung bei Beauty2Go, erzählt er währenddessen. Anschliessend bereitet er die Spritze vor und erklärt: «Wir arbeiten mit Hyaluronsäure, das ist ein minimalinvasives Verfahren. Die Regelmässigkeit ist das A und O. Bei der zweiten oder dritten Behandlung sieht man dann langfristige Ergebnisse.» Mein Fokus wandert von seinen Worten zu der geladenen Spritze zwischen seinen Fingern und zur markierten Einstichstelle am Kinn der Patientin.

Auch wenn es ihrer Ruhe nach nicht ihre erste Behandlung ist, frage ich mich: Hat sie sich das gut überlegt? «Jemand, der zu uns kommt, hat sich schon länger mit der Thematik auseinandergesetzt», erklärte Alexandra Lüönd kurz vorher. «Sie sind schon relativ gut aufgeklärt. Impulskäufe haben wir weniger.» Eine Wegweisung von Patient*innen scheint es bei Beauty2Go nicht zu geben. 

Kritik am Modell von Beauty2Go findet man indirekt bei der Schweizerischen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Swiss Plastic Surgery, welche als «Fachverband der Fachärzt*innen, die nach dem Staatsexamen eine fachspezifische Weiterbildung in Plastischer, Rekonstruktiver und Ästhetischer Chirurgie absolviert haben», fungiert. In ihrem Ratgeber zu plastischer Chirurgie schreibt Swiss Plastic Surgery unter anderem: «Wählen Sie keine Ärzte, die Reklame machen oder Rabatte anbieten».

«Unsere Rabattaktionen und wettbewerbsfähigen Preise reflektieren unser Engagement, hochwertige ästhetische Medizin einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.»
Beauty2Go

Beauty2Go, das dem Verband nicht angehört, scheint dies zu tun. Auf seiner Website lockt das Unternehmen mit «Behandlungen von Ärzten zu Bestpreisen» und «Freunderabatt» sowie vergünstigten Add-On-Preis bei Kombinationsbehandlungen. Auf Nachfrage von Bajour schreibt Beauty2Go, sie hätten Verständnis für die Bedenken hinsichtlich Rabatten und niedrigen Preisen, die potenziell die Qualität und Sicherheit der Behandlungen in Frage stellen könnten. «Unsere Philosophie unterscheidet sich jedoch insofern, als dass wir glauben, Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit dürfen nicht zulasten der Qualität gehen. Unsere Rabattaktionen und wettbewerbsfähigen Preise reflektieren unser Engagement, hochwertige ästhetische Medizin einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.»

Gemäss Swiss Plastic Surgery sind Rabatte und niedrige Preise nicht der einzige Grund zur Sorge. Im Ratgeber empfehlen sie weiter: «Versichern Sie sich, dass der Arzt, welcher den Eingriff durchführt, im Besitz des Facharzttitels für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie ist.» Die Ärzt*innen von Beauty2Go haben diesen Titel nicht. Alexandra Lüönd erklärt: «Unsere Ärzte kommen aus allen möglichen Disziplinen und spezialisieren sich auf ästhetische Medizin.» So auch der behandelnde Arzt in Basel. An der Veranstaltung erzählt der eigentliche Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, er habe ein paar Weiterbildungen besucht. 

Auf Nachfrage von Bajour erklärt das Unternehmen nach der Veranstaltung: «Unser Ansatz zielt darauf ab, Qualität und Sicherheit für unsere Kunden zu gewährleisten, auch ohne den spezifischen Facharzttitel in Plastischer Chirurgie.» Dieser Ansatz sei besonders relevant, da die Behandlungen bei Beauty2Go nicht chirurgischer Natur sind.

Beauty2Go
Hier wird der Stoff vorbereitet. (Bild: Jan Soder)

Zurück zur minimalinvasiven Injektion, für die demnach kein Facharzttitel in Plastischer Chirurgie nötig ist. Der Arzt setzt die Nadel an den weissen Punkt am Kinn der Patientin. Der Raum verstummt, einige drehen sich weg, während meine Augen gar nicht anders können, als hinzuschauen. Hat der Arzt etwa zittrige Finger? Die Nadel sticht ein, die Säure wird langsam aus der Spritze und ins Kinn gedrückt. 

Der erste Stich ist vollbracht. Nadel raus und nebendran gleich wieder rein. Zwei kleine rote Bluttropfen laufen Sekunden später das weiss markierte Kinn hinunter. 0.2 Milliliter Hyaluronsäure wurden pro Einstichstelle injiziert. Der Arzt erklärt sein Vorgehen: «Jetzt müssen wir etwas massieren.» Schmerzen scheint die Patientin kaum zu haben. Auf die Frage, wie es sich anfühle, meint sie bloss: «Ganz normal, bisschen betäubt.» 

Beauty2Go
Nadel raus und nebendran gleich wieder rein. (Bild: Jan Soder)

Es folgen drei weitere Stiche, bis die Behandlung abgeschlossen ist und das Publikum klatschen darf. Insgesamt wurden etwas weniger als ein Milliliter der Säure injiziert. «Das ist nur ein bisschen Beautification», meint der Arzt. Gründer Patrick Lüönd beantwortet eine Frage aus dem Publikum: «Diese Behandlung würde 460 Franken kosten.»

«Jetzt noch ein Kühlpad», erklärt der Arzt und erlaubt sich einen kleinen Spass: «Hoffentlich ist der Kühlschrank angeschlossen!» Oder war das wirklich Spass? Die Mimik zu lesen, ist nicht ganz einfach, wenn dauerhaft gelächelt wird. 

«Bei uns wird ästhetische Medizin als ein Mittel zur Förderung der Selbstermächtigung und Autonomie gesehen.»
Beauty2Go

In Anbetracht der Patientin und des soeben gefallenen Wortes «Beautification» frage ich mich: Ist das eigentlich feministisch? Oder ist es die krasse Unterwerfung dem Patriarchat und dessen männlichem Schönheitsideal? Im Nachgang zum Presselunch richte ich meine Frage an Beauty2Go. Das Unternehmen antwortet: «Bei uns wird ästhetische Medizin als ein Mittel zur Förderung der Selbstermächtigung und Autonomie gesehen, das besonders die Selbstbestimmung über den eigenen Körper in den Vordergrund stellt. [...] Dies steht im Einklang mit feministischen Werten, da es die Autonomie und das Wohlbefinden der Individuen in den Mittelpunkt stellt, ihnen die Freiheit gibt, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen, und sie ermutigt, Entscheidungen unabhängig von gesellschaftlichen Schönheitsnormen oder Erwartungen zu treffen.»

Diese Freiheit wird auch mir angeboten. Nach der erfolgreichen Live-Injektion offeriert Alexandra Lüönd den interessierten Gästen eine Behandlung. Zudem darf man sich vom Arzt beraten lassen. Dieser Dienst sei aber sowieso kostenlos, auch für die gewöhnliche Kundschaft, welche ab Montag hier ein- und ausgehen wird.

Beauty2Go
Hier zeichnet sich eine 21-jährige Stirnfalte ab. (Bild: Jan Soder)

Von Neugierde gepackt, lass ich mich beraten. Im kurzen Gespräch lobt der Arzt meine Haut: «Für 21 Jahre hast du eine schöne Haut.» Dennoch zeichne sich langsam eine Stirnfalte ab, erklärt er mir. «Das könnte man mit Botox-Injektionen verhindern. Zu Beginn wären die Injektionen etwa alle vier Monate nötig, bis der Wirkstoff genügend kumuliert ist.» Auf meinen kritischen Blick meint er beruhigend: «Diese Botox-Dosen sind so klein, das ist sozusagen Baby-Botox.»

So spontan bin ich nicht bereit, mich unter die Nadel zu legen. Erstmal drüber schlafen to go, bitte. Ausserdem fehlt mir dazu das Geld. Laut der Preisliste auf der Webseite kostet eine Botulinumtoxin-Behandlung – also ein kleiner Piks Botox – mindestens 270 Franken. Überlegen kann ich es mir dennoch. Schliesslich kann man jederzeit in die Klinik an der Schifflände hineinspazieren und sich behandeln lassen. Das bestätigt Beauty2Go auf Nachfrage: «Wenn der Patient sich in seiner Entscheidung wohl fühlt, kann die Behandlung direkt durchgeführt werden.»

«Ich hoffe, dass die Leute Freude am Erlebnis haben und nicht nur an der medizinischen Dienstleistung.»
Alexandra Lüönd, Gründerin Beauty2Go

Auch wenn der Fachverband indirekt Kritik äussert und es durchaus ethische Bedenken gibt, scheint das Konzept von Beauty2Go zu funktionieren. Sieben Schweizer Filialen fallen nicht einfach vom Himmel. Gründerin Alexandra Lüönd ist deshalb auch für den neuen Standort zuversichtlich: «Es gibt nicht viele Kliniken mit unserem Konzept hier in Basel. Ich hoffe, dass die Leute Freude am Erlebnis haben und nicht nur an der medizinischen Dienstleistung.»

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Jan Soder Autorenbild

Das ist Jan (er/ihm):

Nachdem er einen 1-Mann-Musikblog führte, stiess Jan für fünf Monate als Praktikant zu Bajour. Währenddessen moderierte er die lokale Radiosendung BSounds auf Radio X. Nun ist er neben dem Studium bei Bajour als Briefing-Schreiber und Beat-Beauftragter tätig.

Kommentare

Johanna Pfister
03. Juli 2024 um 08:06

Wer darf Botox spritzen?

In den zehn Jahren seit der Zulassung durch Swissmedic hat sich die Schweiz zu einem Eldorado für Botox entwickelt, was gewisse Risiken mit sich bringt: fehlende Regulierung, unqualifizierte Anbieter und zunehmender gesellschaftlicher Schönheitsdruck. In der Schweiz ist es ausschließlich Ärzten mit spezieller Ausbildung und Erfahrung in der ästhetischen Medizin erlaubt, Botulinumtoxin (Botox) zu verwenden. Diese Qualifikation wird durch Fortbildung oder spezialisierte Praxiserfahrung erworben. Um sichere und wirksame Ergebnisse zu gewährleisten, sollten Patienten stets erfahrene und qualifizierte Ärzte konsultieren. Kosmetikstudios dürfen Botox-Behandlungen nur durchführen, wenn eine qualifizierte Medizinerin die Injektionen vornimmt. Rechtliche Grundlagen für die Kosmetik: vgl. http://gesundheitsinfo-news.ch