Keinen Notfallspray bei Überdosis
Während die Stadt Zürich bereits 1000 Naloxon-Nasensprays bestellt hat, um im Falle einer Fentanyl-Krise parat zu sein, wartet Basel auf den Bund. Dieser prüft eine Gesetzesänderung, um das Medikament breitflächiger abgeben zu können.
Die Schweizer Städte bereiten sich auf eine Fentanyl-Krise vor: Auch Basel hat in einer Arbeitsgruppe einen Massnahmenplan entwickelt, der sich weitgehend an jenem der Kolleg*innen aus Zürich orientiert. Dieser beinhaltet die Früherkennung einer allfälligen Opiod-Krise durch Monitoring, Behandlungsformen sowie Schadensminderung. Während Basel beim Monitoring schweizweit Spitzenreiter ist, zeigt es sich in Sachen Schadensminderung zurückhaltender als die Stadt Zürich: Diese hat im vergangenen Februar 1000 Naloxon-Nasensprays bestellt, um im Ernstfall parat zu sein. Zürich übernimmt auch die Kosten für das Notfallmedikament, das international als Erstintervention bei Opioid-Überdosen erfolgreich eingesetzt wird. Der Nasenspray kann derzeit durch Betroffene oder durch medizinisches Personal angewendet werden.
«Sanität sowie medizinische Einrichtungen verfügen über Naloxon-Ampullen.»Regine Steinauer, Leiterin Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement
Obwohl die Ausgangslage für die beiden Städte die gleiche ist, kam Basel zu einer anderen Einschätzung – dass eine solche Grossbestellung präventiv nicht nötig ist. Wieso? Wie Regine Steinauer, Leiterin Abteilung Sucht beim Gesundheitsdepartement, auf Nachfrage sagt, verfügten die Sanität sowie medizinische Einrichtungen über Naloxon-Ampullen, die in Notfallsituationen verabreicht werden könnten.
Auch Apotheker*innen könnten den Spray auf Rezept abgeben, doch lieferbar ist er momentan nicht, wie der Basler Apothekerverband Bajour bestätigte. Breitflächig zur Verfügung gestellt wird das Medikament derzeit also nicht.
Bevor Basel eine Grossbestellung aufgebe, müssten gemäss Steinauer zusätzliche Bedingungen für die Abgabe auch durch nichtmedizinisches Personal definiert werden. Bis dahin «macht eine Anschaffung von Naloxon-Nasensprays keinen Sinn».
Konkret gemeint ist die mögliche Abgabe durch weitere medizinische Fachpersonen – wie beispielsweise durch die Drogenanlaufstelle K&A oder Wohninstitutionen, in denen Süchtige oft zuhause sind. Eine solche Gesetzesänderung wird derweil auf Bundesebene diskutiert. Mediensprecherin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Céline Reymond, schreibt auf Nachfrage: «Aktuell laufen Abklärungen des BAG mit Swissmedic, wie mit der Anwendung von Naloxon durch weitere medizinische Fachpersonen umgegangen werden kann.» Dabei ist sie überzeugt, dass breit gestreute Naloxon-Nasensprays «ein lebensrettendes Gegenmittel bei Opioidüberdosierungen sein können. Insbesondere angesichts des Aufkommens der synthetischen Opioide können sie ein Schlüsselinstrument zur Risikominderung sein, bis zur Überweisung der Betroffenen an eine Gesundheitsversorgung.»
«Eine Abgabe kann auch eine falsche Sicherheit geben.»Oliver Bolliger, Geschäftsführer der Stiftung Wohnhilfe sowie Basta-Grossrat
Horst Bühlmann vom K&A sagt: Eine solche erweiterte Abgabe in Drogenanlaufstellen sei «sicher sinnvoll», und die Mitarbeitenden seien in Dosierungen geschult und bereit, hier Verantwortung zu übernehmen. Oliver Bolliger, Geschäftsführer der Stiftung Wohnhilfe sowie Basta-Grossrat, sieht in den K&A ebenfalls Handlungsbedarf, ist jedoch zurückhaltender, was ambulantes Wohnen betrifft. Hier hätten Süchtige unregelmässig Kontakt mit Sozialarbeitenden, es sei demnach unwahrscheinlich, dass man eine Überdosis mitbekomme. Er sagt: «Eine Abgabe kann demnach auch eine falsche Sicherheit geben.» Mit belasteten Wohninstitutionen solle man die Problematik jedoch anschauen.
Abläufe schnellstmöglich klären
Wichtig dürfte nun vor allem sein, die Abläufe schnellstmöglich zu klären. So sagt Bolliger, man sei in der Drogenarbeit schon immer vor der Herausforderung gestanden, schadensmindernde Massnahmen schnell umzusetzen, auch wenn die Gesetzeslage dies noch nicht geregelt habe. Diese müsste dann entsprechend angepasst werden.
Auch Marc Vogel, Suchtexperte an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK), warnt: «Wenn Fentanyl in die Drogenszene überschwappt, haben wir schlagartig Überdosen.» Und Steinauer von der Abteilung Sucht erläutert: «Im Kanton Basel-Stadt wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, um genau solche Fragen vor Eintreffen einer Krise zu klären.» Diese sei mit dem Bund im Austausch.
«Wenn Fentanyl in die Drogenszene überschwappt, haben wir schlagartig Überdosen.»Marc Vogel, Suchtexperte an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK)
Die hiesigen Voraussetzungen seien aber ohnehin besser als in den USA, weil das Schweizer Behandlungssystem besser sei, so Vogel: «Für den Zugang zu Methadon oder Buprenorphin werden wir weltweit beneidet.» Und er erklärt, dass die hohe Zahl an Überdosen in den USA eben genau mit dem dort eingeschränkten Zugang zusammenhänge. «Wenn Patient*innen keinen legalen Zugang zu stabilisierender Opioidagonistentherapie (siehe Break) haben, wenden sie sich unberechenbaren Substanzen wie Fentanyl zu, was die Todesfälle stark erhöht.» Einer möglichen Behandlung mit Fentanyl gegenüber zeigt sich Vogel offen, doch bisher gibt es damit kaum Erfahrungen.
Es wird sich zeigen, ob dies auch in Zukunft so bleibt.