«Die besten Ideen kommen mir, wenn ich nachts aufwache»

Die Alti Garde der Rolli sammelt Unterschriften für drei Tage frei an Fasnacht – dabei wird beschissen und bestochen. Hinter ihrer doppelbödigen Laterne steckt Anna Grafström Burkhardt, die sich ins Laternenmalen verliebte, als sie von Schweden nach Basel kam.

Anna Grafström Burkhardt Morgestraich Alte Garde Rolli Laterne
Die Mafiosi kommen erst raus, wenn es dunkel ist. Die Laterne von Anna Grafström Burkhardt nutzt spielerisch die Kunst des Lichtmalens für ein politisches Statement. (Bild: Dominik Asche/David Rutschmann)

«Ich bin in Schweden geboren und mit 25 Jahren in die Schweiz gekommen, ohne ein Wort Deutsch – geschweige denn Baseldytsch – zu können. Ich hatte mich in einen Hockeyspieler verliebt – und bin es immer noch, wir sind heute verheiratet. 

In Basel haben alle immer vom ‹carneval› erzählt. Wir sind also am Sonntagabend in den Ausgang gegangen. Ich war überwältigt, wie voll die Stadt um 4 Uhr morgens war. Mein erster Morgestraich hat mich komplett mitgerissen. Vor allem die Lichtmalerei hat mich fasziniert, wie man diese Gemälde so zum Leuchten bringt. Ich wusste: ‹Das muss ich auch lernen.› 

Ich male, seit ich denken kann – doch erst seit drei Jahren hauptberuflich. Ich konnte mir die Kunstschule nicht leisten und habe stattdessen Atomphysik studiert. So konnte ich jetzt einige Jahre bei Roche arbeiten – und habe davon jetzt noch ein finanzielles Polster für meine künstlerische Selbstständigkeit. 

Es ist nicht einfach, ins Laternenmal-Business zu kommen, schon gar nicht als Ausländerin. Aber ich habe ich mich inäzwängelet. Es ist ein Lernprozess. Ich habe mit Kopflaternen angefangen und wurde dann von einer Jungen Garde angefragt. 

Vor allem vor den Väärs hatte ich Angst, dass ich sie falsch schreibe: Ich kann doch kein Baseldytsch schreiben und bin noch dazu Legasthenikerin. Aber ich habe gemerkt, dass sich nicht mal Basler bei der Rechtschreibung sicher sind. Also halte ich mich einfach an den Väärs, den man mir gibt.

Grundsätzlich redet mir die Clique nicht rein beim Malen. Aber es ist schon viel Verantwortung, das Sujet malerisch umzusetzen. Es ballert ja sowieso die ganze Zeit im Kopf rum, aber witzigerweise kommen mir die besten Ideen, wenn ich nachts aufwache. Dann stehe ich auf und muss eine Skizze zeichnen.

Anna Grafström Burkhardt Laterne Väärsschreiben
Väärsschreiben will geübt sein: Anna Grafström Burkhardt mit ihrer Laterne der AGB und Spezi. (Bild: David Rutschmann)

Ich bin jetzt seit ein paar Jahren beim Internationalen Laternenmalerverband (ILMV). Wir haben es lustig, essen immer sonntags zusammen. Die Monate vor Fasnacht sind eine intensive Zeit, wir sind alle täglich mehr als zehn Stunden am Malen. Wenn man es ausrechnen würde, hätten wir wohl einen Stundenlohn unter dem Mindestlohn. Aber niemand macht es nur wegen des Geldes, alle sind mit Leidenschaft dabei. Und es ist ein Riesenspass.

Seit ein paar Jahren sind wir in der Halle 501 bei der Messe. Am Anfang waren wir froh, aus dem Rundhof der Messe rauszugehen, weil da einfach zu viel los war und die Waggis ihre Wagen besprayt haben – sie hatten Schutzkleidung an, aber wir nicht. Aber auch die Halle ist nicht optimal: Die Gelatine, die zum Malen auf die Baumwollleinwand aufgetragen wird, muss erhitzt werden und sie wird bei der Kälte zu schnell hart. Und in der Halle ist es eiskalt.

Dieses Jahr habe ich gleich drei Laternen gemalt. Das ist viel Arbeit, aber es macht auch Spass. Eine Laterne ist gemeinsam für Alti Glaibasler (AGB) und Spezi. Sie haben mit dem Baum des Lebens das Thema Longevity aufgreifen wollen. 

Die Verschnuuffer haben das Thema «Nobel gohts bachab – Lueg weg». Ich habe für die Laterne auf die Vorderseite einen zersprungenen Spiegel gemalt, in dem sich eine Frau schminkt – ich male sehr gerne Frauen. 

Die Rückseite zeigt den Fährimaa, unter dessen Kutte ich alle gemalt habe, bei denen ich mir wünschen würde, dass es für sie schneller bachab geht als für uns andere: Trump, Putin, Assad, Chomeini, Netanjahu, Musk, Erdogan, Kim Jong Un und Xi Jinping. 

Ich bin ja keine so grosse Frau. Als ich meine Malerleiter vor der 3,80 Meter grossen Laterne aufgestellt habe und hochgeklettert bin, hat meine Hand immer noch nicht ganz bis ganz oben gereicht. Da habe ich gemerkt: Ich muss mir etwas überlegen – so ist die Idee entstanden, beide Seiten quasi mit einem gemalten Bilderrahmen einzurahmen.

Verschnuufer Laterne Anna Grafström Burkhardt Fasnacht
Der Spiegel bricht, aber we keep slaying. (Bild: David Rutschmann)

Die Alte Garde von den Rolli hatte eine witzige Idee. Sie setzen sich mit dem Unterschriftenbeschiss auseinander, der im letzten Jahr bekannt wurde. Das hat mich auch sehr bewegt, weil ich die direkte Demokratie und die Volksabstimmungen schon als starken Teil der Schweizer Gesellschaft wahrnehme.

Die Rolli haben sich überlegt, dass sie also auch eine Unterschriftensammlung fälschen könnten. Sie sammeln am Cortège und am Morgestraich Unterschriften für ihr Anliegen, dass die drei Fasnachtstage Feiertage sein sollten. Dazu werden sie bescheissen, bestechen und betrügen, da wird dann der Ueli unterschreiben und alles mögliche. Die Unterschriften werden also zusammenkommen.

Ich habe so einen Unterschriftenbogen auf die eine Seite der Laterne gemalt. Da sind dann dr Bebbi, Frau Fasnacht, HD Läppli und Didi Offensiv drauf. Auf der Rückseite zersticht ein Dolch das Herz der Demokratie. Die Vorderseite zeigt Justitia, in deren Waage ein Waggis sitzt. 

Man muss ja immer noch die Innenseite der Laternen bemalen, damit die Farben wirklich leuchten können. Das ist einerseits anstrengend, aber es gibt auch die Möglichkeit, damit zu spielen. Ich habe auf die Innenseite dunkle Silhouetten von Mafiosi gemalt, die man bei Tageslicht gar nicht sieht – aber dann beim Morgestraich, wenn das Licht durchscheint und die Schattenmänner deutlich macht. Genau das ist das, was mich am Handwerk der Lichtmalerei so begeistert.

Deshalb finde ich es auch schade, dass dieses Jahr so viel geplottet ist. So nennt man es, wenn beim Laternenmalen quasi das ganze Bild schon vorgedruckt ist. Bei der Laternenausstellung waren viele von uns überrascht, wie viel KI-generierte Bilder mittlerweile doch schon auf den Laternen drauf sind. Ich finde, das sieht dann flach aus – und kann nicht ganz den Spirit einfangen, was diese Kunst so schön macht.»

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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