Basler Grossrät*innen werfen das Geld aus dem Fenster
Und einmal mehr präsentiert die Finanzdirektorin einen Überschuss: 215 Millionen Franken waren’s im 2021. Kein Wunder, wollen die Bürgerlichen Steuern senken. Ein Kommentar.
Die Steuersenkungsgelüste der Bürgerlichen können einem angesichts der guten Jahresrechnung fast ein bisschen sympathisch werden. Und zwar, weil der Grosse Rat das Geld verteilt, wie es ihm grad passt.
Beispielsweise im Kulturbereich, wo die Ausgaben seit zehn Jahren wachsen. Im Dezember hat das Parlament schnell mal die Beiträge ans Marionetten-Theater oder die Madrigalisten erhöht. Und das Kulturbudget um 5 Prozent raufgeschraubt, um die Trinkgeldinitiative umzusetzen. Die bz hatte die Entwicklung pünktlich zur damaligen Budgetdebatte schön aufgezeichnet.
Ähnlich beim Klima. Die Regierung hatte noch nicht einmal Zeit, die breit abgestützten Massnahmen der Klimakommission zu beraten, da kommen Politiker*innen schon mit neuen Vorschlägen.
Oder beim Sport: Zwar hat der Grosse Rat grad den Sanierungsplänen für die Kunschti Margarethen eine Absage erteilt, dafür denkt man aber über eine Eishalle nach. Und über ein 50-Meter-Schwimmbecken und mehr Geld für den Jugendsport.
Darfs e weeneli mee sy?
Das zeigt: Die Ausgabenpolitik in unserem Kanton ist unberechenbar. Anders als in einem Unternehmen, wo man das Budget einer Gesamtstrategie unterordnet, funktioniert ein Parlament nach dem Prinzip der Interessensvertretung: Sitzt man im Vorstand des Vereins, der die hohle Hand macht, gibt man gerne ein bisschen mehr. Das gilt nicht nur für Linke, sondern genauso für Bürgerliche. Es wäre vielleicht auch etwas zu viel verlangt, von einem 100-köpfigen Milizparlament zu erwarten, dass es bei jedem Geschäft eine Gesamtstrategie verfolgt.
Wer die Ausgabenpolitik steuern will, muss das auf anderem Wege tun: Etwa, indem man das vorhandene Budget eindämmt. Steuersenkungen haben da schon eine Wirkung. Ist weniger Geld da, überlegt man es sich als Grossrät*in vielleicht zweimal, ob dieser Chor wirklich einen so teuren Saal braucht oder ein Sprungturm olympiakonform sein muss.
Die Steuersenkung kommt, die Bürgerlichen haben entsprechende Vorstösse eingereicht und Finanzvorsteherin Tanja Soland (SP) wird das entsprechende Paket noch vor den Frühlingsferien präsentieren.
Ursprünglich war im Budget 2021 noch mit einem Plus von 135 Millionen Franken gerechnet worden. Nun resultiert in der Rechnung ein Überschuss von 215 Millionen Franken bei Gesamtausgaben von 4,4 Milliarden Franken.
Unter anderem seien die pandemiebedingten Steuerausfälle ausgeblieben, sagte Finanzdirektorin Tanja Soland (SP), am Donnerstag vor den Medien.
Die Behörden rechneten wegen der Pandemie mit einem Steuerausfall von 95 Millionen Franken – 35 Millionen Franken bei den natürlichen und 60 Millionen Franken bei den juristischen Personen. Bei den natürlichen Personen fielen die Steuereinnahmen aber 42 Millionen Franken höher aus als budgetiert. Hingegen nahm der Kanton bei den juristischen Personen 57 Millionen Franken weniger ein als budgetiert.
Zum positiven Rechnungsabschluss trug auch die Ausschüttung der Schweizerischen Nationalbank bei, die 91 Millionen Franken an Basel-Stadt ausbezahlte. Gerechnet hatte man lediglich mit 32 Millionen Franken. Zudem lagen die Mehreinnahmen bei der Grundstückgewinnsteuer 36 Millionen Franken über Budget und und bei der Handänderungssteuer konnte ein Plus von 29 Millionen Franken gegenüber dem Budget verzeichnet werden.
Die Corona-Krise belastete die Staatsrechnung 2021 mit 174 Millionen Franken. «Wir kommen gut aus der Pandemie heraus», sagte Soland.
Nur: Grad jetzt ist es vielleicht gar nicht so schlecht, Reserven zu haben. Es kommen einige Aufgaben auf uns zu:
Tausende Menschen aus der Ukraine flüchten in die Schweiz.
Gleichzeitig leidet auch die Wirtschaft unter dem Krieg.
Die Folgen der OECD-Steuerreform für Basel sind noch unklar.
Der Klimawandel verlangt dringend Anreize und Investitionen.
Corona ist noch nicht vorbei, auch wenn wir so tun, als ob.
Und die Vereinbarkeit, so gut sie im Vergleich zu anderen Kantonen ist, könnte auch noch besser werden (auch angesichts des Fachkräftemangels, der wohl nicht nur über Einwanderer*innen gedeckt wird). Für Mütter lohnt es sich häufig immer noch zu wenig, (viel) zu arbeiten, weil ihr Einkommen von Steuern und Kitakosten weggefressen wird. Die Kita-Initiative der Linken wäre also vielleicht einen Gedanken wert.
Wie das alles bezahlen? Reserven holt man sich nicht mit Steuersenkungen. Und mit der ungezügelten Ausgabenpolitik wie anhin auch nicht. Gross Sorgen scheint das aber weder Linken noch Bürgerlichen zu bereiten. Nur Tanja Soland warnt, wie jede Finanzdirektor*in es tut. Sie erwartet zwar für die Jahre 2022 bis 2025 Überschüsse zwischen 57 bis 80 Millionen Franken, sofern alles im gewohnten Rahmen weiterlaufe. «Aber es kann schnell umkippen». Wie wärs also mit ein paar parteiübergreifenden strategischen Grundgedanken zur Ausgabenpolitik, bevor wir Steuern sparen oder die Gelder weiter verteilen?