Braucht's Extra-Studienplätze für Haus- und Kinderärzt*innen?

Der Ständerat hat beschlossen, den Numerus Clausus für das Medizinstudium abzuschaffen, um den Fachkräftemangel zu lindern. Zwei von drei Aspirant*innen scheitern bislang an der Aufnahmeprüfung. Die Abschaffung gilt als beschlossene Sache, da der Nationalrat dem Antrag bereits zugestimmt hat. Da die Studienplätze an den Universitäten nach wie vor begrenzt sind, wird diese Entscheidung nicht auf einen Schlag neue Ärzt*innen bringen. Zudem betrifft der Fachkräftemangel hauptsächlich die Grundversorgung und die Kindermedizin. Die Basler Nationalrätin und SP-Gesundheitspolitikerin Sarah Wyss schlägt deshalb vor, dass zusätzliche Studienplätze explizit für die Ausbildung zu Haus- und Kinderärzt*innen geschaffen werden. So müssten sich Medizin-Interessierte schon vor dem Studium entscheiden, ob sie in der Grundversorgung oder in einer anderen Fachrichtung arbeiten wollen. Wyss: «Da die Anzahl der Studienplätze weiterhin beschränkt sein wird, braucht es eine sinnvolle Triage.»

925 Stimmen
Michelle Isler
Michelle Isler
Moderation
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Florian Suter
Hausarzt im Ruhestand

Ich glaube nicht, dass Extra-Studienplätze das Problem lösen

Ich führte 25 Jahre eine Hausarztpraxis im Baselbiet (bis vor 10 Jahren) und arbeitete danach noch acht Jahre als Geschäftsführer eines Hausärztenetzes (mediX nordwest).Ich zweifle daran, dass Extra-Studienplätze für Haus- und Kinderärzt:innen das Problem lösen können. Dass der Numerus Clausus wegfallen soll, ist sicher richtig und wichtig. Aber werden (was der Numerus Clausus eindeutig NICHT schaffte) durch die Extra-Studienplätze wirklich die richtigen Kandidaten für diese Tätigkeit erfasst? Wer kann sich für seine spätere ärztliche Tätigkeit bereits zu Beginn seines Studiums festlegen. Ich habe während meiner Praxistätigkeit immer wieder am Einzeltutoriat mitgewirkt, wo Student:innen des 3. und 4. Studienjahres einen halben Tag/Woche in meiner Praxis mitwirkten und deshalb 1:1 den hausärztlichen Alltag miterlebten. Viele von ihnen waren anschliessend motiviert, selbst Hausärzt:innen zu werden. Solche Aktivitäten würden sich eher lohnen.

Christine Staehelin
Lehrerin, Grossratskandidatin GLP

Berufsattraktivität steigern statt Extra-Studienplätze schaffen

Dieser Fachkräftemangel hat vor allem etwas mit den Arbeitsbedingungen und der Abgeltung der Leistungen zu tun. In anderen Fachbereichen verdient man deutlich mehr. Eine Ausweitung der Studienplätze in diesem Bereich wird die Berufsattraktivität nicht steigern. Der Entscheid für eine Fachrichtung vor Studienbeginn ist nicht zielführend. Interesse und Begabung zeigen sich oft erst im Studium. Das Staatsexamen berechtigt zur Weiterbildung in jedem Fachbereich. Oder ist vorgesehen, dass es unterschiedliche Ausbildungsgänge geben soll? Das würde die Attraktivität für die Grundversorgung und die Kindermedizin schwächen, nicht stärken. Nur eine Aufwertung der Leistungen, welche in diesen Bereichen erzielt werden, wird längerfristig dazu führen, dass die berufliche Attraktivität gewährleistet bleibt. Primär muss jetzt geklärt werden, aufgrund welcher Kriterien ganz allgemein eine Selektion für die begrenzte Anzahl Studienplätze stattfinden soll, wenn der Numerus clausus aufgehoben wird.

Eva Biland Kolumne
Eva Biland
Hausärztin, Regierungsratskandidatin FDP

Hausärztin

Der Hausarztmangel ist derart akut, dass eine höhere Anzahl Studienplätze dies zu langsam korrigieren würden für die kommenden 10 Jahre. Eine Entlastung der Grundversorgung könnte erwirkt werden durch eine praxisbezogenere Ausbidlungsstruktur. Es ist gut, dass der Numerus clausus endlich wegfällt. Bereits vor und während der Ausbildung wären Auszubildende eine Unterstützung in der aktuellen Hausarztmangellage. Zudem lernt man die Vielseitigkeit und Holistik der Hausarztmedizin nur schätzen, wenn früh in der Ausbildung "Generalisten" gefördert werden.

Achim Reichmann
Orgelbauer

Muss jeder Artzbesuch tatsächlich sein?

Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder gefragt: muss ich wirklich zum Arzt? Ein Thema, was in den Medien gerne mehr Beachtung finden könnte! Möglicherweise würden sich so auch die Ärzt*innenbesuche etwas regulieren lassen und den Ärzt*innenmangel nicht so gravierend erscheinen lassen.

Wolf
09. Oktober 2024 um 12:32

Man kann nicht mehr Studienplätze für Hausärzte/Kinderärzte schaffen, das ist Unsinn, da die Entscheidung über das Fachgebiet erst am Ende des Studiums erfolgt. Man sollte die Verdienstmöglichkeiten für diese Kategorien verbessern auf Kosten, die z.B. für Urologen und Radiologen gezahlt werden. Abgesehen davon scheint es mir unwahrscheinlich, dass es zu wenig Hausärzte/Kinderärzte in den grossen Städten gibt, hingegen auf dem Lande sicher. In Schweden hat man mal folgendes Programm mit Erfolg lanciert: nach dem Studium müssen die Mediziner für 2 Jahre aufs Land u.a. mit der Annahme, dass sie dort wegen Familiengründung/Lebensqualität/Lebenskosten bleiben würden. Sollte man mal für die Schweiz einführen !

Peter Buess
09. Oktober 2024 um 19:26

Stop der Überregulierung

Wenn eine Hausärztin 20% ihrer Arbeitszeit mit Administration verbrennt, stirbt die Motivation. Wenn jedes Nastuch zertifiziert werden muss, löscht es einer normalen Person ab. Die Hausärzt*innen werden in Administrationsblödsinn (sinnlose, überteuerte Workshops zum Beispiel für "Arbeitssicherheit") erstickt. Da nützt die Abschaffung des Numerus clausus einen alten Hut. Die Vernunft muss der Hausarztmedizin wieder Luft verschaffen. Der Kontroll-, Regulierungs- und Zertifizierungs-Wahn macht nicht nur die Hausarztmedizin kaputt, sondern die gesamte Medizin - und ist ein Hauptgrund für die Kostensteigerung im Gesundheitswesen. Jeder Dahergelaufene hat noch eine schreckliche Idee, wie man ökonomisch und/oder juristisch den Arztberuf noch mehr versauen kann.

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