Werden jetzt alle Ärzt*innen?

Das Parlament hat beschlossen den Numerus Clausus abzuschaffen. Die Universität Basel wäre bereit, die Studienplätze zu erhöhen, aber das allein hilft nicht gegen den Mangel in der Grundversorgung, sagt SP-Nationalrätin Sarah Wyss.

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Auch ohne Numerus Clausus gibt es nicht plötzlich mehr Studienplätze. (Bild: Luis Melendez / Unsplash)

Der Numerus Clausus ist bald Geschichte – zumindest so, wie wir ihn bisher kennen. Das hat der Ständerat beschlossen. Da der Nationalrat dem Antrag bereits zugestimmt hatte, gilt die Abschaffung als beschlossene Sache. Die Zustimmung im Ständerat war mit 32:9 Stimmen eindeutig, der Wille ist deutlich: Der Ärzt*innenmangel und die Abhängigkeit von ausländischen Mediziner*innen sollen beendet werden.

Der Numerus Clausus, die Aufnahmeprüfung fürs Medizinstudium, war bisher eine grosse Hürde für junge Menschen, die Ärzt*innen werden wollen. Zwei von drei scheitern im Schnitt an der Prüfung.

Führt die Entscheidung des Ständerats nun also direkt zu mehr Ärzt*innen? Gibt es künftig keine Engpässe bei den Hausärzt*innen und keine lange Suche nach Kinderärzt*innen mehr?

So einfach ist es nicht. Der Zugang zum Medizinstudium wird voraussichtlich auch weiterhin beschränkt sein, denn auch ohne Numerus Clausus gibt es nicht plötzlich mehr Studienplätze.

Die Begrenzung der Plätze hängt vor allem mit den hohen Kosten zusammen. Während ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Basel pro Jahr 18’000 bis 19'000 Franken kostet, sind es in der Humanmedizin rund 83’500 Franken.

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Mehr Studienplätze allein genügen nicht

Ohne ausländische Ärzt*innen läuft in den Schweizer Spitälern nichts. Das sei hochgradig unsolidarisch gegenüber anderen Ländern, findet die Basler Nationalrätin Sarah Wyss. Deshalb fordert sie unter anderem reservierte Studienplätze für unterbesetzte Fachbereiche.

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Der Bund hat vor acht Jahren beschlossen, die Universitäten dabei zu unterstützen, mehr Studienplätze in Medizin zu schaffen. Innerhalb eines Sonderprogramms erhielten die Kantone 100 Millionen Franken, um mehr Medizin-Studienplätze zur Verfügung zu stellen.

Auch die Universität Basel beteiligte sich damals am Programm des Bundes. In den Jahren 2018 bis 2020 wurde die Anzahl der Bachelor-Studienplätze in Medizin von 170 auf 190 erhöht. Im Masterstudium stieg die Anzahl der Plätze ebenfalls: 2016 bot die Universität 165 Plätze an, inzwischen sind es 225.

Der Bedarf an Ärzt*innen ist schweizweit aber immer noch nicht gedeckt, und die Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften bleibt hoch. 39,5 Prozent der praktizierenden Ärzt*innen in der Schweiz haben ein ausländisches Diplom. Am mangelnden Interesse der jungen Erwachsenen liegt es nicht.

In Basel gab es im Jahr 2023 insgesamt 755 Anmeldungen für die 190 Bachelor-Studienplätze in Medizin. Im Jahr 2022 waren es sogar 810 Anmeldungen.

Eignungstest mit Bezug zu Beruf

Im Februar sagte der Mediensprecher der Universität Basel, Matthias Geering, gegenüber Bajour, die Universität sei zwar bestrebt, nach Lösungen zu suchen, um die Studienplätze in Humanmedizin weiter zu erhöhen, allerdings seien gewisse Grenzen gesetzt, weil auch genügend Ausbildungsplätze in den Spitälern vorhanden sein müssten.

Matthias Geering Uni Basel
«Die Erhöhung der Studienplätze bedingt eine Reorganisation des Studiengangs sowie infrastrukturelle Massnahmen.»
Matthias Geering, Mediensprecher der Universität Basel

Nun hat das nationale Parlament eine deutliche Entscheidung getroffen, und Geering sagt: «Ja, die Universität Basel wäre bereit. Die Erhöhung der Studienplätze bedingt aber eine Reorganisation des Studiengangs sowie infrastrukturelle Massnahmen.» Die Universität begrüsst die Perspektive, den Eintrittstest ins Medizinstudium neu auszurichten. Das Ziel müsse sein, den Test realitätsnäher zu gestalten und dabei Kompetenzen abzufragen, die später bei der Berufsausübung eine Rolle spielen, sagt Geering. Die Neugestaltung des Tests sei dabei ein Element, um den Mangel in der Ärzteschaft zu mindern.

Den Entscheid des Parlaments begrüsst auch die Basler Nationalrätin Sarah Wyss (SP). Sie setzt sich schon seit Längerem dafür ein, die unterbesetzten Fachbereiche zu stärken. Der Numerus Clausus sei kein Garant für eine gute Selektion, sagt sie. Ausserdem steige mit der Abschaffung nun der Druck, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, «und dies ist bitternötig», so Wyss. 

Lohndifferenz zwischen den Fachbereichen

Allerdings werde der Fachkräftemangel mit der Abschaffung des Numerus Clausus nicht behoben. Während andere Fachbereiche ausreichend besetzt sind, gibt es in der Hausarztmedizin einen Mangel, der aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Hausärzt*innen kontinuierlich steigt, wie die FMH-Ärztestatistik 2022 zeigt.

Sarah Wyss klein
«Da die Anzahl der Studienplätze weiterhin beschränkt sein wird, braucht es eine sinnvolle Triage. Der Numerus Clausus ist es sicherlich nicht.»
Sarah Wyss, SP-Nationalrätin (BS)

«Ich finde, dass wir darüber diskutieren müssen, ob wir zusätzliche Studienplätze explizit für Grundversorgende und Kindermediziner schaffen», sagt Wyss. «Das bedeutet natürlich eine Einschränkung, weil die Studierenden sich schon früh für die Fachrichtung entscheiden müssen, ich fände es aber grundsätzlich richtig.» Es sei schliesslich nicht sinnvoll, dass 100 zusätzliche Urologen ausgebildet werden, wenn aber eigentlich in der Grundversorgung mehr Personal benötigt werde, so Wyss. Sie spricht ausserdem die hohen Lohndifferenzen zwischen den Fachbereichen an, diese würden falsche Anreize setzen.

Dass es nicht sinnvoll ist, mit dem Numerus Clausus direkt jegliche Zugangsbeschränkung abzuschaffen, zeige das Beispiel Lausanne, berichtet Wyss. «Dort gibt es keinen Numerus Clausus. Im ersten Jahr fallen einfach sehr viele Studierende raus, das ist auch nicht zielführend», so Wyss. Da die Anzahl der Studienplätze weiterhin beschränkt sein wird, brauche es eine sinnvolle Triage, so Wyss, «und der Numerus Clausus ist es sicherlich nicht».

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Kommentare

Hickup
08. Oktober 2024 um 13:01

Dr.

1. Leider wird hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Der Numerus Clausus kann gut einschätzen, wer das Medizinstudium fertig machen wird. Nicht mehr und nicht weniger. Es gibt keinen zuverlässigen Test, der messen kann, wer ein "guter" Arzt/Ärztin wird. Weder die Situation in Lausanne (viele Studienabbrecher im ersten Jahr), noch Deutschland (Abitur-Note), noch USA (Social activities + Interview, sehr abhängig von Beziehungen) sind wirklich gute Alternativen. Das Parlament schafft etwas ab, ohne Ahnung zu haben, was besser ist. 2. Solange viele Ärzte später nur Teilzeit arbeiten, wird das Nachwuchsproblem nicht gelöst (Ich weiss, nicht zeitgemäss, aber wahr). 3. Ärzte"mangel" ist relativ. Das Problem ist, dass viele Ärzte zuviel Administration machen, anstatt Medizin. Hier wird eine Chance verpasst: Ausbildung von "Advanced Nurses", die in einem Gesundheitsnetzwerk relativ autonom arbeiten und die Lücke füllen.