Breites Bündnis will länger 🍹🥂🍻🍸🍷
Beizen am Tellplatz müssen um 23 Uhr ihre Aussenbereiche schliessen. Beizer und Politiker*innen von SVP bis Grüne fordern längere Sommerabende im Gundeli.
Die Angestellten des l’esquina staunten nicht schlecht, als vor vier Wochen kurz nach 23 Uhr eine Polizeistreife auf der Terrasse aufkreuzte und die bewilligte Öffnungszeit kontrollierte. In drei Jahren seit der Eröffnung der Tapas-Bar am Tellplatz im Gundeli war das nie vorgekommen. Aber jetzt, just in dieser aus Sicht der Gastronom*innen so schwierigen Zeit, wird der Zapfenstreich am Tellplatz plötzlich wie mit der Stoppuhr gemessen. Beim ersten Mal gab es eine Verwarnung. Bei einem zweiten Besuch am vergangenen Samstagabend sagten die Beamt*innen, das l’esquina müsse mit Post von der Behörde rechnen, erzählt Wirt Vedat Kirmizitas.
Die Polizei macht auch nur ihren Job. Offenbar wollten einige Anwohner*innen ins Bett und riefen deshalb die 117. So schreibt Polizeisprecher Toprak Yerguz, die Kantonspolizei Basel-Stadt überprüfe die Bewilligungen der Betriebsöffnungszeiten von Gastrobetrieben vor allem dann, wenn Reklamationen aus der Nachbarschaft eintreffen, zum Beispiel wegen Lärmklagen zu Nachtstunden. «Die Kantonspolizei ist ihrem Auftrag nachgegangen und hat die Situation vor Ort abgeklärt.»
«Gerade das Abend-Ausklingen-Lassen ist für das Geschäft auf der Terrasse sehr wichtig.»Vedat Kirmizitas, Wirt des l'esquina
Für die Gastronom*innen und Gäste dürfte es aber gerne ein bisschen länger sein. Vedat Kirmizitas ist Inhaber des l’esquina und Mitglied des Wirteverbands. Er sagt: «Gerade das Abend-Ausklingen-Lassen ist für das Geschäft auf der Terrasse sehr wichtig.» Er lanciert deshalb eine Petition für längere Öffnungszeiten der Beizen auf dem Tellplatz – nebst dem L’esquina sind das ausserdem das Tellplatz 3, das Gundeli Casino und demnächst auch The Greek Kitchen.
Laue Sommernächte wollen gelebt werden
«Das Gundeli ist eine kleine Stadt in der Stadt, knapp 25’000 Menschen leben hier», sagt Kirmizitas. «Vor 15 Jahren war der Tellplatz tot, heute herrscht hier ein ganz anderes Lebensgefühl, die Menschen geniessen das. Wenn wir unter der Woche um 23 Uhr, am Wochenende um Mitternacht schliessen müssen, dann ist das einfach zu früh. Gerade an lauen Sommernächten wie jetzt.»
Die Petition wird in den kommenden Tagen ans Parlament überreicht, zu den Erstunterzeichner*innen gehört eine stattliche Bandbreite Basler Politiker*innen und Grossrät*innen von den Grünen bis zur SVP. Auch der neutrale Quartierverein Gundeldingen hat unterzeichnet, ebenso die IG Gewerbe Gundeli Bruderholz Dreispitz und Maurus Ebneter, Präsident des Wirteverbands. Ihre Argumentation: Der Tellplatz erfülle als zentraler Treffpunk im Quartier eine soziale Funktion, die sich in einer Anpassung der «Lärmempfindlichkeitsstufe» niederschlagen sollte.
Von dieser Lärmempfindlichkeitsstufe hängt ab, wie lange eine Beiz Gäste auf der Terrasse bewirten darf. In der Regel gilt: Lokale in der Innenstadt dürfen den Aussenbereich länger (z.B. in der Steinenvorstadt am Wochenende bis 2 Uhr), in den Quartieren weniger lang bespielen. Aber: «Für spezielle Standorte können die Öffnungszeiten (...) vom Boulevardplan abweichen und angepasst an den jeweiligen Einzelfall geregelt werden», heisst es auf der Seite des Amts für Energie und Umwelt AUE.
«Wir wollen keine Partymeile»
David Friedmann, Präsident der FDP Grossbasel Ost und Grossrat , hat am eigenen Leib erleben müssen wie es ist, wenn der Abend zu früh zu Ende geht. Er organisiert die «Tell 3-Treffen», ein regelmässiger Hock zwischen Politiker*innen und der Quartierbevölkerung. Man traf sich jeweils im Tellplatz 3, und weil dort wie im L’esquina um 23 Uhr Schluss ist, flammte Unmut auf unter den anwesenden Gästen.
«Während der Corona-Krise hat es die Gastronomie ohnehin schwer. Ein belebter Quartierplatz wie der Tellplatz muss ein bisschen länger in den Abend hinein für die Leute da sein können.»Sibel Arslan, Nationalrätin
«Ich möchte, dass sich die Leute in meinem Quartier wohlfühlen, und gerade in den Sommermonaten ist es sehr schnell elf Uhr», sagt Friedmann bedauernd, «gerade auf dem Heimweg aus der Innenstadt ist der Platz wie gemacht für einen Schlummertrunk».
Sibel Arslan, Nationalrätin (BastA!) und Erstunterzeichnerin der Petition sagt: «Gerade jetzt, während der Corona-Krise, hat es die Gastronomie ohnehin sehr schwer. Ein belebter Quartierplatz wie der Tellplatz muss ein bisschen länger in den Abend hinein für die Leute da sein können.» Und Tim Cuénod, Gundelibewohner, SP-Grossrat und Unterzeichner findet: «Die Vorstellung, nur die Innenstadt sei attraktiv, um sich bei einem Getränk einen schönen Abend zu machen, ist überholt. Die Petition will ja keine Partymeile erwirken, sondern eine massvolle Verlängerung der Öffnungszeiten an einem zentralen Quartierplatz. Unter der Woche bis Mitternacht, anstatt bis 23 Uhr, am Wochenende bis 01 Uhr.»
Lieber im Quartier als in der Innenstadt
Die Politiker*innen wie auch der Beizer Kirmizitas sagen, eine Konzentration aller Konsument*innen auf die Innenstadt beisse sich mit der Prämisse des Social Distancing in Zeiten von Corona. Kirmizitas betont ausserdem, es gehe ihm nicht um egoistische Anliegen, sondern eher darum, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. «Die Quartiere ändern sich, dezentrale Treffpunkte entstehen auch im St. Johann mit dem Voltaplatz, im Kleinbasel, in allen Quartieren.» Wenn sich die massvolle Verlängerung der Öffnungszeit am Tellplatz bewähre, könne die Neubewertung der Lärmschutzproblematik auch in andere Quartiere exportiert werden.
Mit der Petition könnte damit eine Diskussion um leichte Belebungsversuche der Quartierzentren angestossen werden. Der Prozess wird allerdings ein langsamer sein und Resultate sind nicht vor kommendem Jahr zu erwarten.
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Kontext: Die Corona-Krise trifft die Gastronomie weiterhin hart, neuerdings müssen Angestellte von Restaurationsbetriebe in Clubs, Bars und Restaurants bei der Arbeit eine Maske tragen. Das Parlament hat seit Ausbruch der Krise mit zwei Entscheiden versucht, die Folgen abzufedern: Mit der Ausdehnung der Aussenbestuhlung ohne Bewilligung und der sogenannten Dreidrittel-Lösung, wonach Gewerbetreibende nur ein Drittel der Miete bezahlen müssen, wenn die Vermieter auf ein Drittel der Kosten verzichten. Der Kanton stellte zur Unterstützung 18 Millionen bereit.